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Von Evchensruh nach Adams Hoffnung

Die sechs Erzählungen sind das Kaleidoskop eines Lebens: von der erinnerten Kindheit, die immer märchenhafte Züge trägt, über die verspielten Dinge der Jugend bis hin zu den harten Auseinandersetzungen im Erwachsenen-Dasein. Das Verschwinden von Glauben und Vertrauen, das Verzweifeln an der Welt, diese metaphorische Obdachlosigkeit (Safranski), sind Teil davon.

Philipp Veit

Philipp Veit

Sabine Gruber

Enkelsohn eines berühmten Philosophen der Aufklärungszeit, Sohn einer Schriftstellerin und Publizistin, Stiefsohn eines der wichtigsten Schriftsteller der deutschen Romantik – vielleicht war es kein Zufall, dass der junge Philipp Veit es lieber nicht mit diesen wortgewaltigen Vorfahren aufnehmen wollte und Maler wurde? Philipp Veit wurde am 13. Februar 1793 als Sohn des Bankiers Simon Veit und der Dorothea Veit, geb. Mendelssohn, der Lieblingstochter des Philosophen Moses Mendelssohn, in Berlin geboren. Schon als er noch nicht sechs Jahre alt war, ließen sich seine Eltern scheiden und er zog im Herbst 1799 mit seiner Mutter nach Jena zu deren neuen Lebensgefährten Friedrich Schlegel, in das damalige Zentrum der noch jungen romantischen Bewegung. Die sehr anregende neue Umgebung und die häufigen Ortswechsel in der Folgezeit – 1802 zogen sie nach Paris, 1804 nach Köln – blieben sicher nicht ohne Wirkung auf ihn. 1806 ging Philipp Veits neues Leben in Künstler- und Intellektuellenkreisen allerdings schon wieder zu Ende, als sein Vater den Dreizehnjährigen zu sich nach Berlin holte. Dort besuchte er das angesehene Gymnasium zum Grauen Kloster und verließ es 1808 mit einem guten Zeugnis. 1809 kehrte er Berlin den Rücken, um gemeinsam mit seinem Bruder Johann, der bei seinem Vater aufgewachsen war, an der Dresdner Kunstakademie eine Ausbildung als Maler zu beginnen. Unter anderem war Caspar David Friedrich sein Lehrer.

Wie groß der Einfluss seiner Mutter und seines Stiefvaters auf den jungen Philipp Veit war (1804 hatten Dorothea Veit und Friedrich Schlegel geheiratet), zeigt, dass er sich 1810 in Wien katholisch taufen ließ. Seine Mutter und ihr neuer Ehemann waren 1808 gemeinsam zum katholischen Glauben übergetreten. Seit 1811 lebte Philipp Veit auch wieder bei seiner Mutter und seinem Stiefvater in Wien, wo er bald eine enge Freundschaft mit dem jungen Schriftsteller Joseph von Eichendorff schloss. Einige von dessen literarischen Gestalten, vor allem der Leontin im Roman „Ahnung und Gegenwart“, der 1811/12 entstanden ist, sollen Veit zum Vorbild haben. In Wien bildete sich Veit autodidaktisch in der Malerei weiter. 1813 trat er gemeinsam mit Eichendorff aus patriotischer Begeisterung in das Lützowsche Freikorps ein, später in das Kleistsche Armeekorps, und nahm an den Befreiungskriegen teil. Nach seinem Abschied von der Armee kehrte er 1815 nach Wien zurück. Wie viele angehende Maler seiner Generation wollte er sich in Rom weiter ausbilden, wo er die Nazarener Friedrich Overbeck und Peter Cornelius kennenlernte und bald auch einen hochkarätigen Auftrag – Einladung zur Mitwirkung an einem Freskenzyklus in der Casa Bartholdy – erhielt. Ein weiterer Auftrag führte ihn sogar in die Galleria Chiaramonti des Vatikan. Nachdem Cornelius nach München berufen worden war, durfte Veit die von ihm begonnenen Fresken mit Szenen aus Dantes Paradiso in der Villa Massimo fertigstellen. Am 9. Dezember 1816 wurde Veit in den Lukasbund der deutschen Maler in Rom aufgenommen. 1821 verband er sich durch Heirat mit der noch sehr jungen Römerin Carolina Pulini, die damals nach einigen Angaben erst 13, nach anderen 15 Jahre alt war, noch enger mit der von den deutschen Malern so geliebten Stadt. Carolina Pulini war die Tochter eines Bildhauers, bei dem Philipp Veit damals wohnte. Im folgenden Jahrzehnt bekamen die beiden fünf Kinder: 1822 Dorothea, 1824 Theresa, 1826 Franziska, 1828 Maria Benedetta und 1830 Friedrich.

Bildnis des Malers Philipp Veit​
Bildnis des Malers Philipp Veit​

1830 kam Veit mit seiner jungen Familie nach Frankfurt, nachdem er zum Gründungsdirektor des Städelschen Kunstinstituts berufen worden war. Das Städelsche Kunstinstitut verdankte seine Existenz dem Testament des 1816 verstorbenen Bankiers Johann Friedrich Städel, der der Stadt Frankfurt seine Gemäldesammlung und ein großes Vermögen hinterlassen hatte. Erbstreitigkeiten mit seinen Nachfahren zogen sich allerdings bis 1828 hin, sodass das mit Städels Vermögen neu gegründete Institut erst 1829 eröffnet werden konnte. Als Leiter der Malklasse und der Sammlungen war zunächst Friedrich Overbeck vorgesehen, aber er lehnte den Ruf ab. Vermutlich erhielt Veit den Ruf auf Fürsprache Overbecks, der Familie Brentano und vielleicht weiterer Frankfurter Familien. Manche waren von Veits Berufung begeistert – wie Marianne von Willemer, die am 27. Oktober 1830 an ihren Freund Goethe schrieb: „Philipp Veit ist angekommen, und das Städelische Institut wird nun seine Zeitrechnung mit ihm anfangen; er soll ein liebenswürdiger Mann und ein wackerer Künstler sein […].“ Veit leitete das Institut nicht nur als Direktor, sondern wurde auch als Maler dort tätig: unter anderem malte er das Triptychon „Einführung der Künste durch das Christentum in Deutschland“, das den Zweiten Weltkrieg unbeschadet überstanden hat. Außerdem malte er während seiner Zeit in Frankfurt zahlreiche Frankfurter Bürger und Bürgerinnen. Die Frankfurter gehobene Gesellschaft ließ sich gern von ihm porträtieren. Die Begeisterung der Frankfurter über ihren Gründungsdirektor des Städelschen Instituts verblasste aber im Laufe der Jahre. Seine Arbeit wurde von einigen – auch öffentlich – heftig kritisiert und Schüler kehrten der Akademie den Rücken. Darüber hinaus geriet Veit in Streitigkeiten mit der Verwaltung, die eskalierten, als das Gemälde „Johann Hus im Verhör zu Konstanz“ von Carl Lessing, das er aus künstlerischen Gründen ablehnte, ohne sein Wissen angekauft wurde. 1843 trat er – nach seinen Angaben auch aus „gesundheitlichen Gründen“ – von seinem Direktorenamt zurück, und bezog ein Atelier im Deutschordenshaus in Sachsenhausen. Zahlreiche Schüler nahm er mit.

Auch nach seinem Rücktritt blieb Veit in Frankfurt weiter als Maler tätig. Für den Kaisersaal des Römer malte er Karl den Großen, Otto I., Friedrich II. und Heinrich VII und für den Dom eine Himmelfahrt Mariä. Zwar hatten die Streitigkeiten mit der Städel-Verwaltung Veit nicht dazu bringen können, Frankfurt den Rücken zu kehren, aber seine Berufung zum Leiter der Mainzer Städtischen Galerie machte 1853 seine Übersiedlung in die katholische Bischofsstadt nötig. Für die westliche Innenkuppel und die Bogenfelder des Langhauses im Mainzer Dom malte er einen Zyklus von Wandbildern. Während Philipp Veit als junger Mann nicht dem Vorbild seiner wortgewaltigen Vorfahren folgen wollte und sich ganz auf die bildende Kunst konzentrierte, trat er im Alter auch als Publizist hervor. Seine „Zehn Vorträge über Kunst“ wurden posthum 1891 in Köln veröffentlicht. Am 18. Dezember 1877 starb Philipp Veit in Mainz und wurde auf dem Hauptfriedhof beerdigt. Sein Grab ist als Ehrengrab bis heute erhalten.




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Bildquellen:

Selbstbildnis aus der Jugendzeit Philipp Veit (1793–1877), gemeinfrei

Bildnis des Malers Philipp Veit, Joseph Binder (1805–1863), gemeinfrei

Textquellen

Marianne und Johann Jakob Willemer. Briefwechsel mit Goethe. Dokumente. Lebens-Chronik. Erläuterungen. Hrsg. von Hans-J. Weitz. Frankfurt a. M. 1965.

Norbert Suhr: Philipp Veit (1793-1877). Leben und Werk eines Nazareners. Monographie und Werkverzeichnis. Weinheim 1991.

Hans Vollmer: Philipp Veit. In: Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Begründet von Ulrich Thieme und Felix Becker. Hrsg. von Hans Vollmer, Bd. 34, Leipzig 1940, S. 183-185.

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