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Berndt Seite

Augentrost

In den vielen Werkstätten des Anthropozän zieht Berndt Seite an den Fäden des Moments und befragt mit ihnen den längst abhanden geratenen Sinn des Lebens.

Alte Oper

Alte Oper

Ralph Zade

Das könnte ich mir in Berlin nicht erlauben.“ erklärte Kaiser Wilhelm I. am 20. Oktober 1880 nach einem Rundgang bei der Einweihung des heute als Alte Oper bekannten Opernhauses, das kein solches mehr ist, sondern ein Konzert- und Veranstaltungshaus. Er hielt das Gebäude für „das herrlichste Bauwerk der Gegenwart“. Teuer war der Bau in der Tat; die Kostensteigerung von ursprünglich geplanten 2 Millionen Mark auf das Mehrfache legt für heutige Zeitgenossen eine Parallele zur in ähnlicher Weise aus dem Ruder gelaufenen Kostenplanung bei der Hamburger Elbphilharmonie nahe. Damals wie heute führte das zu Unmut; der Dialektdichter Adolph Stoltze (der Sohn des bedeutendsten Frankfurter Dialektdichters Friedrich Stoltze) verballhornte deshalb die Giebelinschrift „Dem Wahren, schönen Guten“ zu „Dem Wahre, Scheene, Gute, die Berjerschaft muß blute“. Frankfurt konnte es sich dennoch leisten, und wie vieles andere in Frankfurt auch war ein Impuls für den Bau, wenn auch nicht die Finanzierung des Löwenanteils der Baukosten, auf die Spendenbereitschaft Frankfurter Bürger zurückzuführen. 67 wohlhabende Frankfurter hatten sich im Jahre 1869 verpflichtet, insgesamt 480000 Gulden (750000 Mark) für den Bau der Oper zu spenden und so die Finanzierung durch die Stadt Frankfurt zu ergänzen. Die Spielstätte wurde als historistischer, an Renaissanceformen angelehnter Bau in siebenjähriger Bauzeit ausgeführt. Die Pläne des Baumeisters Richard Lucae – er erlebte die Fertigstellung nicht mehr, vollendet wurde das Projekt von Edgar Giesenberg und Albrecht Becker – zeigten Einflüsse des Architekten der Dresdner Oper, Gottfried Semper; auch die Garnier-Oper in Paris war Vorbild. Französisch war auch der Stein – man verwendete weißen Kalksandstein aus Euville in der Champagne. Oben auf dem Giebel thronte eine Pegasus-Figur des Bildhauers Ludwig Brunow (1843-1913). Die Eröffnung der Oper, der der deutsche Kaiser beiwohnte, erfolgte mit Mozarts „Don Giovanni“.

Frontansicht der Alten Oper
Frontansicht der Alten Oper

Am Morgen des 28.8. 1981, dem 232. Geburtstag des wohl berühmtesten Frankfurters, Johann Wolfgang von Goethe, erklang in der Alten Oper wiederum Musik aus Don Giovanni, nämlich die Ouvertüre; die Abendveranstaltung galt der 8. Sinfonie von Gustav Mahler. Ehrengast war wieder das Staatsoberhaupt, diesmal kein Kaiser sondern Bundespräsident Karl Carstens. Der Tag der Wiedereröffnung der wieder aufgebauten Alten Oper war – wie die erste Eröffnung – durch Frankfurter Bürgersinn befördert worden. Nachdem das Gebäude am 23. März 1944 bei einem Bombenangriff vollkommen ausgebrannt war, gab es schon 1952 eine Initiative „Rettet das Opernhaus“. Der Wiederaufbau ließ aber noch auf sich warten. Fritz Dietz, der Präsident der Industrie- und Handelskammer, rief in den 60er Jahren mit der „Aktionsgemeinschaft Opernhaus Frankfurt am Main e.V.“ eine der ersten Bürgerinitiativen Westdeutschlands ins Leben, der Aufbau blieb aber, u.a. aus Kostengründen, nach wie vor umstritten.

Rudi Arndt, der ab 1972 Frankfurter Oberbürgermeister war und als solcher den Wiederaufbau der Oper mit verantwortete, hatte 1965 – noch als hessischer Landesminister – für die Sprengung der Ruine plädiert, was ihm im Volksmund den Spitznamen „Dynamit-Rudi“ eintrug. Schließlich setzte sich der Wiederaufbaugedanke durch – international bekannte Persönlichkeiten wie Albert Schweitzer und Yehudi Menuhin hatten ihn unterstützt. Beauftragt wurde das Architekturbüro Braun und Schlockermann. 1976 wurde begonnen, mit großem Aufwand, sodass die Frankfurter Rundschau feststellte, dass der Wiederaufbau zum „aufwendigsten und teuersten Projekt [geworden sei], das sich die Stadt für die nächsten Jahrzehnte eingebrockt hat“. Allerdings erfolgte der Aufbau nur außen dem Original entsprechend; das Innenleben des Baus ist völlig neu – kein Einzelfall in Frankfurt, wo der Wiederaufbau im 2. Weltkrieg zerbombter Bauten häufig nur die äußeren Formen wiederherstellte. Der von Richard Lucae konzipierte Theatersaal, der gut 2000 Personen Platz bot, existiert nicht mehr, ebenso wenig die imposante Kaisertreppe, über die Wilhelm I. schritt. Auch der Pegasus von Brunow auf dem Giebel ist nicht mehr da; an seine Stelle wurde eine Neuschaffung von Georg Hüter (*1948) gesetzt. Herzstück des neuen Baus ist der rechteckige Große Saal mit 2500 Plätzen; dazu kommen der Mozart-Saal als für 700 Gäste vorgesehener kleiner Konzertsaal sowie flexibel gestaltete Foyerebenen, die den Bau zu einem multifunktionalen Zweckbau machen, der für Musikveranstaltungen ebenso wie für Kongresse, für Ausstellungen genauso wie für Auktionen Platz bietet. Bei der Inneneinrichtung wurde viel Wert auf Qualität gelegt; allein für die Akustik wurden nach den Vorstellungen des bekannten Akustikers Heinrich Keilholz 2,8 Millionen D-Mark verwendet. Die dabei eintretende Preissteigerung – ursprünglich waren nur 1,8 Millionen geplant gewesen – fiel dabei im Verhältnis zur Steigerung der anderen Baukosten noch gemäßigt aus; ein Jahr vor der Fertigstellung prognostizierte der SPIEGEL am 23.6.1980 mindestens eine Versechsfachung des Kostenvolumens. Damit sind die Kosten, die der Bau verursachte und verursacht, noch nicht einmal vollständig wiedergegeben – da der weiße Kalksandstein weniger hart und witterungsfest ist als der sonst in Frankfurt häufig verbaute rote Kalksandstein sind Renovierungen vorprogrammiert. 2002 bis 2004 wurde der Oberbau instand gesetzt, 2007 bis 2010 der untere Gebäudeteil. Ungeachtet der Kosten lieben viele Frankfurter das repräsentative Gebäude.

Die Alte Oper ist heute kein Opernhaus mehr. Seit 1951 befindet sich die Frankfurter Oper am Willy-Brandt-Platz. Publikumsmagnet ist die historische Spielstätte trotzdem – 400 Veranstaltungen mit 450000 Besuchern jährlich zeugen davon. Und auch das Bürgerengagement wird fortgesetzt – 1984 wurde die Gesellschaft der Freunde der Alten Oper gegründet, die heute 1600 Mitglieder hat und finanziell wie ideell Unterstützung leistet; sie engagiert sich darüber hinaus auf dem Gebiet der Neuen Musik, z.B. durch die Vergabe von Kompositionsaufträgen.

Mit der Förderung von Werken, die dann in der Alten Oper uraufgeführt werden können, wird an eine Tradition des Hauses angeknüpft, die Uraufführungen verschiedenartigster Werke einschließt, von Carl Orffs Carmina Burana im Jahre 1937 bis zu Frank Zappas letztem Orchesterwerk „The Yellow Shark“, das der Komponist 1992 hier selbst dirigierte.

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Textquellen:

Website der Alten Oper: https://www.alteoper.de/ aufgerufen am 22.01.2017

Website der Freunde der Alten Oper: http://www.freunde-alteoper.de/ aufgerufen am 22.01.2017

DER SPIEGEL: Birnen kaputt, 1980

CRÜWELL, Konstanze: Neuer Glanz für Alte Oper, FAZ, 2006


Bildquellen:

Vorschaubild: Carolin Eberhardt.

Frankfurt opera um 1900, Urheber: unbekannt, gemeinfrei via Wikimedia Commons


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