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hrsg. von Fl. Russi & C. Eberhardt

Lieder von Friedrich Silcher

Friedrich Silcher machte sich vorallem einen Namen durch das Sammeln von Volksliedern und der Publikation von Chorsätzen zu traditionellen Liedern. In diesem Heft finden sich zwanzig seiner im Chorsatz SATB gestzten volkstümlichen Lieder.

Johann Christian Senckenberg

Johann Christian Senckenberg

Ralph Zade

Am 17. November 1772 wurde in der Senckenbergischen Anatomie öffentlich die erste Sektion durchgeführt. Zwar hatte der Tote zu Lebzeiten die Durchführung einer Sektion nach seinem Tode untersagt. Da der Tod durch Unfall eingetreten war – am 15. November 1772 infolge eines Sturzes vom Baugerüst bei einer Inspektion des gerade fertiggestellten Uhrtürmchens des Bürgerhospitals – war sie jedoch zwingend vorgeschrieben. Als Ursache des Todes wurde eine Fraktur der Halswirbelsäule mit Blutung im Rückenmarkskanal festgestellt.

Die Anatomie und das Bürgerhospital hatte die Stadt Frankfurt dem Toten zu verdanken und so wurde ihm an Folgetag ein ehrenvolles Begräbnis zuteil. Das Grab ist heute noch am Bürgerhospital zu sehen, allerdings nicht mehr an der Originalstelle – als das Bürgerhospital Anfang des 20. Jahrhunderts vom Eschenheimer Tor ins Nordend verlegt wurde, wurden die sterblichen Überreste umgebettet.

Johann Christian Senckenberg
Johann Christian Senckenberg

Johann Christian Senckenberg, der auf tragische Weise als erster in der von ihm gestifteten Anatomie zum Anschauungsobjekt wurde, wurde am 28. Februar 1707 als zweiter Sohn des Frankfurter Stadtphysikus Johann Hartmann Senckenberg (1655-1730) geboren. Das Haus seiner Eltern in der Hasengasse steht nicht mehr; es fiel 1719 dem sogenannten Großen Christenbrand (der schlimmsten Brandkatastrophe in Frankfurt vor dem Zweiten Weltkrieg) zum Opfer. Johann Christians älterer Bruder Heinrich Christian (1704-1768) erlangte später als Verfasser rechtshistorischer Schriften und durch seine Erhebung zum Reichsfreiherrn Bekanntheit. Der jüngere Bruder Johann Erasmus (1717-1795), auch er Jurist, machte der Familie weniger Ehre: Wegen diverser Vergehen wurde er 1769 in der Frankfurter Hauptwache inhaftiert, die er bis zu seinem Tode 1795 nicht mehr verließ.

Johann Christian ergriff anders als seine Brüder den Beruf des Vaters, und studierte Medizin in Halle, wo er in Kontakt mit pietistischen Kreisen trat – einen wichtigen Einfluss auf ihn hatte der auf der Burg Frankenstein im Odenwald geborene Theologe, Alchimist und Arzt Johann Konrad Dippel (1673-1734), eine schillernde Persönlichkeit, die später als Vorbild der Horrorromanfigur Frankenstein identifiziert wurde, was freilich nicht restlos geklärt ist. Die religiösen Vorstellungen Senckenbergs – dieser war zwar sehr gläubig, wich aber in seinem Glaubensverständnis von der damals herrschenden Lehre ab und verzichtete zeitweise auf Kirchgang und Abendmahl – führten dazu, dass er das Studium nicht beenden konnte. 1732 kehrte er deshalb nach Frankfurt zurück und praktizierte dort mithilfe einer Sondergenehmigung als Arzt, schon bevor er 1737 an der frisch gegründeten Universität Göttingen mit einer Dissertation über die Heilkräfte des Maiglöckchens den Doktortitel erwarb – es war einer der ersten in Göttingen vergebenen medizinischen Doktortitel überhaupt. Ab 1740 praktizierte Senckenberg dauerhaft in Frankfurt und das mit Erfolg; er brachte es über die Jahre zu einem Vermögen, indem er – neben einer Tätigkeit als Stadtarzt – vor allem die Frankfurter Oberschicht ärztlich betreute und überdies sparsam lebte. Goethe beschreibt ihn im Zweiten Buch seiner Autobiographie „Dichtung und Wahrheit“ als etwas verschroben:

„Der dritte Bruder, ein Arzt und ein Mann von großer Rechtschaffenheit, der aber wenig und nur in vornehmen Häusern praktizierte, behielt bis in sein höchstes Alter immer ein etwas wunderliches Äußere. Er war immer sehr nett gekleidet, und man sah ihn nie anders auf der Straße als in Schuh und Strümpfen und einer wohlgepuderten Lockenperücke, den Hut unterm Arm. Er ging schnell, doch mit einem seltsamen Schwanken vor sich hin, so daß er bald auf dieser, bald auf jener Seite der Straße sich befand und im Gehen ein Zickzack bildete. Spottvögel sagten: er suche durch diesen abweichenden Schritt den abgeschiedenen Seelen aus dem Wege zu gehen, die ihn in grader Linie wohl verfolgen möchten, und ahme diejenigen nach, die sich vor einem Krokodil fürchten.“

Privat hatte Senckenberg weniger Glück als beruflich. Johanna Rebecca Riese, seine erste Frau, die er seit seiner Kindheit als Nachbarskind kannte, starb 1743 nach einem Jahr Ehe im Kindbett. Zwar fand er in Katharina Rebecca Mettingh, einer Freundin seiner ersten Frau, schnell eine neue Partnerin, die er 1744 heiratete, dann aber kam es ganz schlimm: Seine kleine Tochter aus erster Ehe, Anna Margarethe, starb 1745 an Hirnhautentzündung, 1747 seine Frau Katharina Rebecca im Kindbett und drei Monate später ihr gemeinsamer Sohn. 1754 heiratete Senckenberg ein drittes Mal; die Ehe mit Antonetta Elisabetha Ruprecht war jedoch unglücklich, sodass sie sich 1756 trennten. Noch im selben Jahr starb Antonetta Elisabetha an Krebs – die ärztlichen Bemühungen ihres getrennten Ehemanns waren vergebens. Aufgrund all dieser Schicksalsschläge hatte Senckenberg keine überlebenden Kinder.

Schon 1730, während seines Studiums in Halle, hatte Johann Christian Senckenberg begonnen, ein Tagebuch zu schreiben und führte dieses bis zu seinem Tode fort. Die 53 Tagebücher liegen heute als Depositum in der Universitätsbibliothek Frankfurt und werden online ediert. Die Edition bereitet nicht nur wegen der schwer lesbaren Schrift und vielfältiger Abkürzungen, sondern auch wegen der Verwendung verschiedener Sprachen besondere Schwierigkeiten: aus einem vom Sprachgebrauch des Barock geprägten Deutsch – das kann durchaus auch einmal Frankfurterisch sein – wechselt der Autor häufig ins Lateinische, es kommen aber auch altgriechische, englische, französische und italienische Passagen vor. Insofern ist selbst die transkribierte Version noch schwer zu lesen, die Lektüre lohnt aber, denn die Aufzeichnungen stellen ein einmaliges kultur- und medizingeschichtliches Dokument dar.

Am 3.1.1733 notierte Senckenberg auf Seite 8 des dritten Bandes seiner Tagebücher (Zitat nach der Transkription in der Online-Edition, http://senckenberg.ub.uni-frankfurt.de/node/6#):

„Diese Reichen so an zeitl. Vergnügen alles genug haben v. das hertz ihnen schencken, sich an den Gold klumpen, idololatria immanis, defe[?] altissimum Numen, anhefften, werden effato Christo schwerlich ins himmelreich kommen [...].“

An diese Erkenntnis hat er sich 30 Jahre später (1763) bei der Errichtung der Dr. Senckenbergischen Stiftung gehalten. Die „Ermangelung ehelicher Leibes-Erben” sowie die „Liebe zu meinem Vaterland” (so der Stiftungsbrief) waren weitere Motive für die großherzige Stiftertat, die die Grundlage seines Nachruhms bildet.

Kern der ursprünglichen Stiftung waren die Anatomie, in der der Stifter dann selbst seziert werden sollte, ein Heilpflanzengarten, eine Bibliothek und ein Krankenhaus – das Bürgerhospital; dieses kam im Rahmen einer Ergänzung 1765 dazu und seine Fertigstellung erlebte Senckenberg, wie bereits erwähnt, nicht mehr.

Die Stiftung existiert noch heute. Die 1817 gegründete Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, die ihren Namen mit Genehmigung der Stiftung erhalten hat und auch Trägerin des über die Grenzen Frankfurts hinaus bekannten Senckenberg Naturmuseums ist, hat nicht unmittelbar etwas mit ihr zu tun, trägt aber ebenso dazu bei, den Namen Senckenberg im Bewusstsein Frankfurts präsent zu halten.

Literatur (Webseiten zuletzt abgerufen am 27.11.2016):

Zitat aus Dichtung und Wahrheit nach: Erich Trunz (Hg.): Johann Wolfgang Goethe, Werke, Hamburger Ausgabe, Band 9, 12. Aufl. München 1994, S. 78.

Johann Christian Senckenberg im Frankfurter Personenlexikon:

http://frankfurter-personenlexikon.de/node/1229

Online-Edition der Tagebücher Senckenbergs:

http://senckenberg.ub.uni-frankfurt.de/s/startpage#

Website der Dr. Senckenbergischen Stiftung:

http://www.senckenbergische-stiftung.de/start.html

Website der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

http://www.senckenberg.de/

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Bildquellen:

Porträt Senckenbergs von 1748, Von Ludwig Hauck (1718-1801) - Dr. Senckenbergische Stiftung, Bürgerhospital Frankfurt, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=49...


Johann Christian Senckenberg, Gemälde von Anton Wilhelm Tischbein, 1771/72 Von Anton Wilhelm Tischbein (1730–1804) - Dr. Senckenbergische Stiftung, Bürgerhospital Frankfurt, Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=62...

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