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"... mein Leben, das allerqualvollste, das ein Mensch je geführt hat." So schrieb Heinrich von Kleist an eine seinem Herzen nahe stehende Verwandte wenige Stunden, bevor er sich mit seiner Todesgefährtin am Wannsee erschoss.

Frankfurter Bier

Frankfurter Bier

Sabine Gruber

Am 11. Juni 1978 berichtete die "Sonntagspost" über eine Werbeaktion für den Frankfurt-Tourismus in Chicago, Toronto und New York, bei der nicht nur Frankfurter Apfelwein, sondern auch Frankfurter Bier in reichlichen Mengen geflossen sei und "die entsandte zehnköpfige Abordnung aus der Rhein-Main-Metropole darüber hinaus Geschäftsleute darauf aufmerksam" gemacht habe, "daß Frankfurt als Wirtschafts- und Bankenzentrum mit an führender Stelle in der Welt" stehe. Während im 20. und 21. Jahrhundert das berühmte "Stöffche", aber auch Bier als typische Getränke aus der Mainmetropole angesehen wurden und werden, sodass das in den 70er Jahren erschienene "Frankfurt-Lexikon" in Bezug auf das dortige Bier feststellte, dass es "mehr als ein anderes Produkt den Namen Frankfurts in alle Welt" trage, war dies im Mittelalter noch anders.

Die wichtigste Rolle als Getränk und als Wirtschaftsfaktor spielte damals Wein und zwar solcher, der aus Trauben gekeltert worden war, die unter anderem vom heute noch für den Weinbau genutzten Lohrberger Hang in Stadtnähe stammten. Allerdings wurde auch aus benachbarten Regionen und dem Ausland eingeführter Wein reichlich konsumiert. Die erste urkundliche Erwähnung eines Bierbrauers in Frankfurt wird denn auch relativ spät angesetzt. Erst im Jahr 1288 bezeugt eine Urkunde die Existenz eines solchen. Gegen Ende des Jahrhunderts hatte die Anzahl der Bierbrauer allerdings bereits stark zugenommen und spätestens im folgenden Jahrhundert wurde in Frankfurt auch Bier aus anderen Regionen ausgeschenkt. Im 14. Jahrhundert sind auch einige Bierbrauerinnen bezeugt. Häufig getrunken wurde das in Deutschland für lange Zeit wichtigste Alltagsgetränk in Frankfurt erst seit dem Spätmittelalter. So bestanden um 1435 bereits sieben Frankfurter Brauereien und gegen Ende des Jahrhunderts schon 18. Eine Zunft bildeten die Frankfurter Bierbrauer jedoch nicht, sodass auch Angehörige anderer Berufe die Möglichkeit hatten, nebenbei zu brauen. Auch Klöster wie das Dominikaner- und das Karmeliter-Kloster taten sich - wie auch andernorts - im Braugewerbe hervor.

Einige der sehr alten Frankfurter Brauereien konnten sich über mehrere Jahrhunderte, zum Teil allerdings unter wechselnden Namen, halten. Bier aus anderen Regionen wurde vor allem während der Messen verzapft, damit die Messebesucher auch in Frankfurt ihr gewohntes Bier trinken konnten. Ob sie der Güte des Frankfurter Biers kein so großes Vertrauen entgegenbrachten oder einfach nicht experimentierfreudig genug waren? Allerdings scheint es auch Einheimische gegeben zu haben, die lieber Bier aus anderen Regionen tranken, zum Beispiel solches aus Grünberg in Oberhessen oder auch aus den deutlich weiter entfernten Städten Erfurt und Einbeck, wie aus Rechnungsbüchern hervorgeht. Auch im 19. Jahrhundert spielte Bier aus anderen deutschen Regionen in Frankfurt durchaus eine Rolle, vor allem im touristischen Bereich und jetzt auch außerhalb von Messen. So verzeichnet der 1853 erschienene Fremdenführer "Frankfurt am Main und seine Umgebung" allein elf Lokale, in denen "Bairisch Bier" ausgeschenkt wurde. Wer Bayerisches Starkbier gewohnt war, musste also nicht mit dem vermeintlich schwächeren heimischen Getränk vorliebnehmen.

Dass der Wein im frühen Frankfurt beliebter war als das Bier, hing sicher auch mit dessen im Vergleich zum Bier niedrigerem Preis zusammen. Diese Situation änderte sich erst mit der Umkehrung der Preisverhältnisse in der frühen Neuzeit, sodass Bier wie auch anderswo zum wichtigsten Alltagsgetränk der weniger wohlhabenden Frankfurter und Frankfurterinnen wurde. Auch die Frankfurter Ratsherren waren damals allerdings auf den Geschmack gekommen und tranken zu ihren Mahlzeiten Bier, vor allem vor Ort gebrautes. 1873 wurde eine Erhöhung des Bierpreises von 4 Kreuzern auf 4½ Kreuzer zum Auslöser für eine blutige Auseinandersetzung, dem sogenannten Bierkrawall. Weil Bier ein wichtiges Nahrungsmittel der unteren Gesellschaftsschichten war, führte die Preiserhöhung zum 1. April am 21. des Monats, dem sogenannten "Nickelchestag", dem letzten Tag der Messe, der damals als Feiertag begangen wurde, zu einem Protestmarsch einer aufgebrachten Menge und zur Plünderung mehrerer Brauereigaststätten und Geschäfte. Bei der Niederschlagung des Aufstands durch Preußisches Militär wurden 20 Menschen, darunter auch Unbeteiligte, getötet. Die "Allgemeine Hopfenzeitung" berichtete darüber: "Zeitungen und Briefe von Frankfurt sind heute nicht eingetroffen, dagegen bringen Reisende von dort die Nachricht von einem ernstlichen Bierkrawall dessen Ausgang ein schlimmeres Ende genommen hat, als die Katastrophe in Mannheim. Nach mehrfachen Ausschreitungen des Pöbels, der mehrere Wirthschaften zu demolieren begann, ist Militär eingeschritten und soll, von Steinwürfen begrüßt, auf die Menge gefeuert haben. 30 Todte und Verwundete sollen zu zählen sein. Diese Nachricht bedarf der Bestätigung."

Ältere Frankfurter Brauereien, die sich bis in die Gegenwart halten konnten, sind die Henninger- und die Binding-Brauerei. Die heutige Henninger-Brauerei, die damals noch einen anderen Namen trug, wurde bereits im Jahr 1655 gegründet und 1873 von Heinrich Christian Henninger übernommen. Der von 1959 bis 1961 errichtete Henninger-Turm mit dem stilisierten Bierfass an der Spitze war lange eines der Wahrzeichen Frankfurts. Er wurde 2013 abgerissen und durch ein von 2014 bis 2017 errichtetes Hochhaus ersetzt, das in seiner Form den alten Henninger-Turm imitiert. Die Binding-Brauerei wurde erst 1871 in der Frankfurter Altstadt gegründet und wechselte mehrfach ihren Standort. Wie der Henninger Turm war (und ist) auch das 1959 errichtete Sudhaus der Binding-Brauerei mit seinen großen Kupferkesseln an der Darmstädter Landstraße, das zeitweise das größte in Europa war, ein Blickfang.

 

 

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Textquellen:

Allgemeine Hopfenzeitung, Organ des deutschen Brauerbundes, 13. Jg. Nr. 48., 22. April, 1873.

Elsas, Moritz J.: Umriss einer Geschichte der Preise und Löhne in Deutschland: Vom ausgehenden Mittelalter bis zum Beginn des neunzehnten Jahrhunderts, 2. Bd. Teil A, Leiden, 1940.

Frankfurt am Main und seine Umgebung: Ein Führer für Fremde, Frankfurt a. M., 1853.

Frankfurt-Lexikon: Mit einem Stadtplan herausgegeben von Waldemar Kramer, Sechste, neubearbeitete Ausgabe, Frankfurt a. M., 1973.

Kriegk, Georg Ludwig: Deutsches Bürgerthum im Mittelalter: Nach urkundlichen Forschungen und mit besonderer Beziehung auf Frankfurt a. M., Frankfurt a. M., 1868.

Rupp, Fritz: Ein Beitrag zur Geschichte des Frankfurter Brauereigewerbes, Berlin, 1920.

Sonntagspost: Sonntag 11. Juni, 1978.

>https://de.wikipedia.org/wiki/Frankfurter_Bierkrawall< abgerufen am 09.08.2022.

>https://de.wikipedia.org/wiki/Henninger-Br%C3%A4u< abgerufen am 09.08.2022.

>https://de.wikipedia.org/wiki/Binding-Brauerei< abgerufen am 09.08.2022.

 

Bilder von Carolin Eberhardt.

 

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