Hermann Josef Abs war der wahrscheinlich einflussreichste deutsche Banker des 20. Jahrhunderts. Seine Lebensaufgabe war sein Wirken für die Deutsche Bank. Er war bereits 1938-45 Mitglied des Vorstands, dann - nach Abschluss der 1948 von den Alliierten veranlassten „Dezentralisierung" - von 1957-67 Sprecher des Vorstands, 1967-76 Vorsitzender des Aufsichtsrats und 1976-94 (bis zu seinem Tod) Ehrenvorsitzender des Aufsichtsrats, Mitglied zahlloser anderer Aufsichtsräte.
In der Nachkriegszeit strahlte sein Wirken aber auch stark in die Politik ab. Er wurde von der amerikanischen wie von der britischen Besatzungsmacht als Berater hinzugezogen. Auf seinen Rat hin wurde die Kreditanstalt für Wiederaufbau geschaffen, in die die Mittel des Marshallplans überführt wurden und deren Leitung Hermann Josef Abs selbst übertragen wurde (1948-52).
Dies bildete die Ausgangsbasis dafür, dass er 1952 die Leitung der deutschen Delegation auf der Londoner Schuldenkonferenz übernahm. Gegenstand der Verhandlungen waren die deutschen Auslandsschulden, und zwar sowohl aus der Vorkriegs- wie aus der Nachkriegszeit. Die deutsche Delegation berief sich vor allem auf zwei Argumente:
- die verhängnisvollen Auswirkungen der nach dem I. Weltkrieg aufgebürdeten ungeheuren Reparations- und Zahlungsverpflichtungen,
- die riesigen Gebietsverluste, die es der Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches unmöglich machten, die volle Schuldenlast zu tragen.
Durch diese Appelle an die Einsicht der in London versammelten Gläubigerstaaten und durch neue Kriterien für die Berechnung der aufgelaufenen Zinsen gelang es, die Forderungen der Gegenseite fast auf die Hälfte zu reduzieren:
- die Vorkriegsschulden (hauptsächlich aus dem Dawes- und aus dem Young-Plan)
- die Nachkriegsschulden (nach dem II. Weltkrieg) von 16 auf 7 Mrd. DM,
zahlbar in jährlichen Raten von insgesamt 567 Mio. DM für beide Kategorien.
Diese Regelungen stellten die Kreditwürdigkeit Deutschlands nach dem Kriege wieder her und ermöglichten damit das eindrucksvolle Wachstum des Außenhandels - eine Grundvoraussetzung für das „Wirtschaftswunder". Dieser Verhandlungserfolg von Hermann Josef Abs wurde damals in Fachkreisen hoch geschätzt, aber in der Öffentlichkeit - auch der deutschen - nicht voll wahrgenommen. Dazu war die Materie auch zu kompliziert.
---
Bildquellen:
Teaser: Hermann Josef Abs in den 1970er Jahren. Deutsche Bank AG, Kultur und Gesellschaft Historisches Institut, Frankfurt am Main. gemeinfrei, wikipedia
Hermann Josef Abs in der Kreditanstalt für Wiederaufbau 1949 in in Frankfurt am Main. Deutsche Bank AG, Kultur und Gesellschaft Historisches Institut, Frankfurt am Main. gemeinfrei, wikipedia
Hermann Josef Abs unterzeichnet das Londoner Schuldenabkommen am 27. Februar 1953. Deutsche Bank AG, Kultur und Gesellschaft Historisches Institut, Frankfurt am Main.gemeinfrei, wikimedia
Abkommen über deutsche Auslandsschulden vom 27. Februar 1953, S. 102.