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Berndt Seite

Der Traum des Mauerseglers

Berndt Seites Gedichte schätzen die Kraft des Moments. Sie tauchen in ihn ein, entdecken Höhen und Abgründe und legen dabei Vers für Vers frei, wie wir durch das Leben gehen, wer wir sein wollen und wer wir – manchmal wider Willen – dabei werden.

Es sind Gedichte, die träumen, schimpfen und scherzen, sie führen uns von leisen Beobachtungen hin zu den ersten Fragen, die damit ringen, womöglich zu den letzten zu gehören.

Ludwig Börne

Ludwig Börne

Ulrike Unger

Wegbereiter des politischen Journalismus

„Als Gott die Welt erschuf, da schuf er den Mann und das Weib, nicht Herrn und Knecht, nicht Juden und Christen, nicht Arme und Reiche."

Ludwig Börne, der als Juda Löb Baruch 1786 in Frankfurt am Main geboren wird, wächst im jüdischen Ghetto der Stadt auf. Später konvertiert er aufgrund der besonders in Frankfurt vorherrschenden skandalösen Repressalien gegen Juden zum protestantischen Glauben. Nur so kann er ohne Schikane in der Öffentlichkeit wirken. Der Vater ist ein wohlhabender Finanzagent. Er schickt Baruch-Börne nach Berlin zum Medizinstudium. Nach einer unglücklichen jugendlichen Schwärmerei für die Berliner Salonnière Henriette Herz, in deren Haus er während des Studiums unterkommt, verweist diese ihn nach Halle zur Fortsetzung seiner akademischen Ausbildung. Aber auch hier bleibt er nicht lange und gelangt schließlich nach Heidelberg. Schulden und ein Zivilprozess lassen ihn nach Gießen wechseln, wo er zügig seine Promotion zum Doktor der Philosophie ablegt.

Während der französischen Annektierung der Rheinstaaten, für die Napoléon als Protektor auftritt, kann Börne aufgrund des Code Napoléon als Mann jüdischer Abstammung erstmals als Beamter arbeiten. Doch diesen Status verliert er bald wieder. 1818 gründet er eine eigene Zeitschrift, die er „Die Wage" nennt. Zunächst schreibt er vor allem Literatur- und Theaterkritiken, die unter den Kunstschaffenden gefürchtet sind, denn Ludwig Börne ist ein messerscharfer Beobachter. Auf seinem Weg zum Publizisten ist ihm besonders Jean Paul ein großes Vorbild, an dessen Ton er seinen eigenen metaphorischen Stil schult. Bemerkenswert an Börne ist, dass er es wagt, Goethe zu attackieren. Er bezeichnet ihn als einen „Stabilitätsnarren". Ein Fürstentreuer wie er, der beständige Angst vor Veränderungen hätte, sei nicht in der Lage, die alte Ordnung zu überwinden. Stattdessen halte er sie durch seine Gleichgültigkeit für die politischen Gegebenheiten am Leben.

Als die Karlsbader Beschlüsse 1819 in den deutschen Kleinstaaten Einzug halten und mit ihnen eine verschärfte Zensur der öffentlichen Meinung und Pressetätigkeit, wird Börne zunehmend Verfechter der französischen Freiheitsbewegungen und muss ständig auf der Hut vor Verboten und Einschränkungen sein. Dann bricht sich 1830 der Pariser Juliaufstand Bahn und der leidenschaftliche Reporter packt seine Koffer. Fortan reist er vermehrt nach Frankreich, dem „Zifferblatt Europas" und schildert vor Ort als einer der ersten Auslandskorrespondenten der Literatur die Entwicklungen. Brisant und unmittelbar sind seine „Briefe aus Paris", welche er zunächst an die Freundin Jeannette Wohl schreibt, die bald darauf auch redigiert in Buchform für Leser erscheinen. Pointiert kommentierend, witzig und von großer enthusiastischer Strahlkraft für die republikanischen Bestrebungen des französischen Volkes sind diese öffentlichen Tagebuchaufzeichnungen.

Heinrich Heine lebt zu dieser Zeit ebenfalls in Paris. Was die Lesergunst angeht, ist Börne wohl sein größter Konkurrent. Heine reagiert abfällig auf dessen Beliebtheit und Ansehen durch die Leserschaft. „Was habe ich mit Börne zu schaffen, ich bin ein Dichter.", so seine Worte. Er grenzt sich damit bewusst vom Journalismusbegriff, wie er vom Kontrahenten verstanden wird, ab. Während Heinrich Heine auf eine allmähliche gesellschaftliche Veränderung setzt, will Ludwig Börnes revolutionärer Ruf eine zielstrebige und kraftvolle Verwandlung der Verhältnisse. Wo Heine realistisch bleibt, mit Bedacht urteilt, nicht hoffnungslos, jedoch ewig skeptisch ob des gesellschaftlich errungenen Fortschritts, ist Ludwig Börne der euphorische Vorwärtsstürmer, dem das zögerlich ausharrende deutsche Volk ein Groll ist. Heine setzt auf nachhaltige Entwicklung des Bewusstseins, Börne auf klares parteiliches Engagement und eine eindeutige Position, die es zu beziehen gilt. Der Konflikt zwischen Ludwig Börne und Heinrich Heine ist die uralte Kontroverse um die Frage, inwieweit der Künstler politisch Stellung beziehen sollte. Es geht um Grundsätze, um das Selbstverständnis des Dichters. Mit seinen Texten trifft Börne den Nerv der Zeit. Sie machen den schlagkräftigen Journalisten populär und zum Vorbild der revolutionären Massen. Er genießt es und lässt sich von seinen begeisterten Anhängern hochleben. Das ist Heine suspekt, ja, unsympathisch. Börnes Maxime: „Im Dienste der Wahrheit genügt es nicht, Geist zu zeigen, man muss auch Mut zeigen."

Heine ist ein Heimatloser. Das Vaterland, das für Börne immer Deutschland ist, für das er sich in Frankreich die Seele aus dem Leib schreibt, existiert für Heinrich Heine nicht. Heines Heimat ist allein die Ästhetik. Mit der für ihn typischen Ironie und viel Selbstbewusstsein läuft er nach Börnes Tod Sturm gegen dessen Missbilligung seiner Person. Sein Buch „Ludwig Börne - eine Denkschrift" ist zwar eine Abrechnung mit dem Gegenspieler, aber gleichzeitig eine tiefe Selbstanalyse.

Dass Heinrich Heine, das „politische Kamäleon" als das ihn Börne sieht, eigentlich ein wahres Genie der objektiven und unabhängigen Berichterstattung fern von gesinnungsjournalistischer Vereinnahmung ist, erkennt Ludwig Börne nicht an.

 

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