Frankfurt-Lese

Gehe zu Navigation | Seiteninhalt
Frankfurt-Lese
Unser Leseangebot

Christoph Werner

Schloss am Strom
Roman


Schinkel kämpft in seinen Fieberträumen um die Vollendung seines Bildes "Schloss am Strom". Er durchlebt auf seinem Krankenbett noch einmal sein erfülltes und von krankmachendem Pflichtgefühl gezeichnetes Leben und die Tragik des Architekten und Künstlers, der sich zum Diener des Königs machen ließ

Wolf Heidenheim

Wolf Heidenheim

Sabine Gruber

„Hebräischer Klopstock“, Talmud-Gelehrter, Gründer eines Verlags, dessen Drucke auf der ganzen Welt gelesen wurden, Herausgeber von Werken, die über 100 Auflagen erlebten, von dem bedeutenden Rabbiner und Gelehrten Abraham Geiger verehrt – wer war dieser in seiner Zeit berühmte Mann?

Wolf Heidenheim (eigentlich Benjamin Ben Simson Wolf) wurde 1757 in Heidenheim bei Würzburg geboren und besuchte die Talmudschule in Fürth. Mit 25 Jahren verließ er Franken und kam zur Fortsetzung seiner Studien nach Frankfurt am Main. Anschließend arbeitete er unter anderem an der Edition und Übersetzung hebräischer liturgischer Texte. Dabei ging es ihm vor allem darum, die im Laufe der Jahrhunderte oft verdorbenen Texte unter Benutzung alter, teilweise mittelalterlicher Handschriften zu verbessern. Heidenheim verehrte sehr den Berliner Philosophen Moses Mendelssohn, der den Pentateuch (die fünf Bücher Mose) ins Deutsche übersetzt hatte. Nachdem Heidenheim 1788 geheiratet hatte, zog er für ein Jahrzehnt nach Offenbach. Erst 1798 ließ er sich in Rödelheim nieder – heute ein Vorort von Frankfurt, damals ein eigenständiger Ort mit einer wachsenden jüdischen Gemeinde im Herrschaftsbereich der Grafen von Solms-Rödelheim –, wo er zu bleibender Bekanntheit gelangen sollte. Gemeinsam mit seinem Geschäftspartner, dem gelernten Buchdrucker Baruch Baschwitz (geb. 1765 in Frankfurt an der Oder), erhielt Heidenheim von Graf Vollrath von Solms-Rödelheim das Privileg zur Eröffnung einer Buchdruckerei. Während Baschwitz bei der Unternehmung stärker für das Organisatorische und Finanzielle zuständig war, widmete sich der Schöngeist Heidenheim vor allem der inhaltlichen Ausrichtung der Bücher. 1807 trennten sich die beiden unterschiedlichen Geschäftspartner wieder. Schon bald wurden die in der neu gegründeten Buchdruckerei hergestellten Bücher – u. a. eine wissenschaftliche Ausgabe der Festgebete mit deutscher Übersetzung und ein tägliches Gebetbuch, das später 150 Auflagen erreichte – weit über Rödelheim und Frankfurt, aber auch weit über Deutschland hinaus bekannt. Der Name „privilegierte orientalische und occidentalische Buchdruckerey“ machte deutlich, dass die Druckerei sowohl in der Lage war, hebräische als auch lateinische Schrift zu drucken, was Heidenheims dichterischem Schaffen entsprach, denn er verfasste Gedichte in hebräischer und in deutscher Sprache, vor allem Oden, was ihm den Namen „hebräischer Klopstock“ einbrachte.

Nachdem Heidenheim noch die achte Auflage seiner Edition der Festgebete erlebt hatte, starb er 1832 in Rödelheim, das ihm im Lauf der Jahrzehnte zur Heimat geworden war. Da er offenbar weniger Talent für das Geschäftliche als für die Wissenschaft hatte, hinterließ er desolate finanzielle Verhältnisse. Seine Druckerei wurde von Israel Lehrberger weitergeführt, den Heidenheim in den letzten Jahren als Teilhaber in sein Geschäft geholt hatte. Heidenheims umfangreiche Bibliothek musste zur finanziellen Absicherung des unmündigen Kindes aus seiner zweiten Ehe versteigert werden. Die Frankfurter Oberpostamtszeitung bezeichnete Heidenheim in einem Nachruf als „Mann, der gewiß einzig in seiner Art dastand“. Begraben wurde Wolf Heidenheim auf dem 1848 geschlossenen alten jüdischen Friedhof in Rödelheim. Er wurde von einer großen Menschenmenge unterschiedlicher religiöser Bekenntnisse zum Grab geleitet. Weil Heidenheim auch mit Protestanten, vor allem protestantischen Geistlichen, befreundet war, wurde der evangelische Gottesdienst an seinem Begräbnistag verschoben, damit auch die Mitglieder dieser Gemeinde an der Trauerfeier teilnehmen konnten. 1893 wurde der alte, beschädigte Grabstein Heidenheims bei einer Gedenkfeier durch einen neuen ersetzt.

An der Stelle des früheren Verlagshauses in der Rödelheimer Landstraße 174 (später unter Israel Lehrberger an der Rödelheimer Landstraße 198) steht jetzt ein moderner Wohnblock aus der Nachkriegszeit. Das ein paar hundert Meter entfernte Rödelheimer jüdische Viertel am heutigen Inselgässchen ist fast verschwunden. Die frühere Anlage des schmalen Gässchens lässt sich aber auch heute noch erahnen. Seit Ende 2015 erinnert außerdem eine Gedenkstätte mit dem rekonstruierten Grundriss der neuen Synagoge an das Rödelheimer jüdische Viertel, die Menschen und kulturellen Leistungen, die es hervorgebracht hat und die Opfer des Nationalsozialismus aus der Rödelheimer jüdischen Gemeinde. An Wolf Heidenheim erinnert die nach ihm benannte Straße in Frankfurt-Rödelheim zwischen der Straße Am Seedamm und der Eschborner Landstraße. Lizenzausgaben der von Heidenheim verlegten Bücher erschienen seit 1945 beim Nachfolger des Verlags Lehrberger, dem Verlag Dr. Felix Kauffmann – Hebrew Publishing Co., in New York und später bei Victor Goldschmidt in Basel. Die bei Victor Goldschmidt herausgegebenen Bücher in der Nachfolge des Lehrberger Verlags sind noch heute mit dem Hinweis „Rechtsnachfolger von Dr. Felix Kauffmann, New York, früher Verlag I. Kauffmann & Lehrberger, Frankfurt a. M. – Rödelheim“ versehen oder werden als „Ausgabe ‚Rödelheim‘“ bezeichnet. So wurde der Name des Frankfurter Vorortes Rödelheims weltweit bekannt, was vor allem Wolf Heidenheim zu danken ist.

 

*****

Bildquelle:
Wolf Heidenheim, gemeinfrei

Textquellen:

http://www.alemannia-judaica.de/roedelheim_synagoge.html aufgerufen am 28.06.2016

Paul Arnsberg: Die Geschichte der Frankfurter Juden seit der Französischen Revolution. Band 3. Biographisches Lexikon der Juden in den Bereichen: Wissenschaft, Kultur, Bildung, Öffentlichkeitsarbeit in Frankfurt am Main. Darmstadt 1983, S. 178-181.

Seligmann Baer: Heidenheim, Wolf. In: Allgemeine Deutsche Biographie , Bd. 11 (1880), S. 300f.

 

Heinz Mosche Graupe: Heidenheim, Wolf. In: Neue Deutsche Biographie, Bd. 8 (1969), S. 248f.

Hans Dieter Schneider: Beiträge zur Rödelheimer Geschichte 4. Geschichte und Geschichten um den Alten Jüdischen Friedhof in Rödelheim. Frankfurt am Main – Rödelheim 2015, S. 107-112.

Werbung
Unsere Website benutzt Cookies. Durch die weitere Nutzung unserer Inhalte stimmen Sie der Verwendung zu. Akzeptieren Weitere Informationen