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Im Lerchenwald

"Je älter ich werde, umso mehr erscheint mir
mein Lebensgebäude hell erleuchtet,
aber es ist leer, nur in einem Raum steht
ein kleiner Karton mit Erkenntnis.
Er bleibt dort, bis die neuen Mieter einziehen."

Diese Zeilen sind der Aphorismensammlung vorangestellt und deuten bereits darauf hin, dass die einzelnen vielfältigen Verse und Gedanken die Gesamtheit eines ereignisreichen Lebens widerzuspiegeln suchen.
"Das Leben ist ein Abenteuer, denn niemand weiß, wie es ausgeht."

Die Bankiersfamilie Bethmann

Die Bankiersfamilie Bethmann

Ralph Zade

Bis heute ist die Familie Bethmann in Frankfurt auf vielfache Weise präsent – mit dem Bankhaus Bethmann, an der sie seit den 80er Jahren allerdings nicht mehr beteiligt ist, mit den Bethmännchen, dem bekannten, an Marzipan erinnernden Gebäck, das angeblich 1838 von ihrem französischen Leibkoch Jean Jacques Gautenier erfunden wurde, mit der Bethmannstraße, die vor dem Stammsitz der Bank verläuft, mit dem Bethmannpark im Nordend, in dem früher ihr Landhaus stand, mit dem nach der Frau Simon Moritz Bethmanns des Jüngeren benannten Louisapark, mit der Bethmannschule im Ostend, einer berufsbildenden Schule für Wirtschaft und Verwaltung, und mit 300 Regalmetern historischer Bank- und Familienakten im Institut für Stadtgeschichte, die dessen Vorgängerinstitution, dem Stadtarchiv, 1998 zum 250. Jubiläum der Bank übergeben wurden.

Der 2.1.1748, der Tag an dem Johann Philipp Bethmann (1715-1793) beim städtischen Wechselnotariat anzeigte, dass er gemeinsam mit seinem jüngsten Bruder Simon Moritz (1721-1782) das von seinem Onkel Jakob Adami (1670-1745) ererbte Handelsgeschäft fortführen wolle, war der Anfangspunkt der Erfolgsgeschichte der Bethmanns in Frankfurt. Dessen Bürgerrecht hatte Johann Philipp für sich, seine Schwester Katharina Elisabeth (1719-1768) und Simon Moritz bereits am 6.6.1746 für 2000 Gulden erworben.

Jakob Adami handelte vor allem mit Spezereien und Textilwaren; Johann Philipp Bethmann, der in Leipzig und Nantes das Kaufmannshandwerk erlernt und sich bereits in der Leitung des Geschäfts bewährt hatte, richtete sein Augenmerk dagegen vor allem auf Bankgeschäfte und damit auf eine Geschäftsstrategie, die den Erfolg des Unternehmens langfristig sicherte. Dass aus einem zunächst auf den Warenhandel ausgerichteten Geschäft ein Bankhaus wurde, war im Frankfurt der damaligen Zeit kein Einzelfall; einen ähnlichen Weg nahm z. B. das Geschäft der Familie Brentano. Erfolg brachte dem Unternehmen vor allem die Ausgabe von Partialobligationen, gestückelten Anleihen, die es ermöglichten, den eigenen Möglichkeiten und Bedürfnissen entsprechend zu investieren. Dieses Prinzip wurde erstmals 30 Jahre nach der Übernahme bei einer kaiserlichen Anleihe angewandt – das Bankhaus der Gebrüder Bethmann finanzierte nicht nur Privatleute, sondern gab auch Staaten und Fürsten Kredite und wurde so nicht nur zu einem der wichtigsten Geldhäuser Frankfurts, sondern gewann auf dem damaligen Finanzmarkt internationale Bedeutung. Wie man einem Brief Goethes an seine Mutter vom 4.11.1786 entnehmen kann, haben die Bethmanns auch zur Finanzierung von dessen Italienreise beigetragen, wobei Goethe sich allerdings nicht als Kreditnehmer zu erkennen gab.

Der wohl bedeutendste Vertreter der Familie Bethmann war Johann Philipps einziger Sohn Simon Moritz Bethmann (1768-1826; nach seiner Erhebung in den Adelsstand 1808 von Bethmann), der ab etwa 1808 die Geschäfte maßgebend bestimmte, nachdem er vorher schon neben anderen Familienmitgliedern der Geschäftsleitung angehört hatte. (1791 war er mit 22 Jahren für volljährig erklärt worden – das reguläre Volljährigkeitsalter lag bei 25 – um in diese aufgenommen werden zu können.) Simon Moritz Bethmann war nicht nur als Kaufmann bedeutend, sondern auch eine wichtige Persönlichkeit der Frankfurter Gesellschaft seiner Zeit und unter anderem mit Goethe (der allerdings schon in Weimar war) und den Brentanos persönlich bekannt. (Sein Mündel Auguste Bußmann – seine Nichte – heiratete 1807 Clemens Brentano; die Ehe scheiterte jedoch nach kurzer Zeit.) Als Finanzier, der auf höchster Ebene mit Staaten verkehrte, stellte ihn die Zeit der Revolutionskriege und napoleonischen Kriege vor besondere Herausforderungen. Aufgrund von Geschäftsbeziehungen zum Haus Habsburg nahm er – auch aus anderen Gründen Revolutionsgegner – grundsätzlich für die antifranzösische Seite Partei und pflegte auch zu Russland Kontakte – seit 1802 war er russischer Konsul in Frankfurt, 1807-1810 russischer Generalkonsul beim Rheinbund. Dennoch musste er in gewisser Weise auch lavieren. Auf seinem Rückzug nach der Völkerschlacht bei Leipzig übernachtete Napoleon vom 31.10.-1.11.1813 im Bethmannschen Landhaus. Nach der Etablierung Frankfurts als Freie Stadt im Jahre 1815 wurde Bethmann Mitglied der Gesetzgebenden Versammlung. Anders als man hätte vermuten können, litten jedoch seine Geschäftsbeziehungen zu Österreich und Russland und die Staatsfinanzierung wurde seit den 1820er Jahren zunehmend von der aufstrebenden Rothschild-Bank übernommen. Simon Moritz von Bethmann starb 1826. Sein ältester Sohn Moritz (1811-1877), der bei seinem Tod erst 15 war, trat 1833 in die Geschäftsleitung der Bank ein. In der Folge konzentrierte sich die Bank zunehmend auf Industrieanleihen. Insbesondere auf dem Gebiet der Eisenbahnfinanzierung engagierte man sich. 1854 wurde Moritz von Bethmann preußischer Generalkonsul in Frankfurt und im selben Jahr in Baden in den Freiherrenstand erhoben. Sein Sohn Simon Moritz Freiherr von Bethmann sollte ihm in der Geschäftsleitung nachfolgen.

Die Bethmann-Bank war bis ins 20. Jahrhundert hinein in der Industriefinanzierung führend. Nach dem Ersten Weltkrieg entwickelte sie sich allmählich zu einer allgemeinen Geschäftsbank. Die heutige Bank – eine angesehene Privatbank – gehört nicht mehr der Familie Bethmann, die 1983 ihr noch verbliebene Anteile abgab. Dass sie dennoch – und auch angesichts der Tatsache, dass die eigentliche Bethmann-Bank nur noch einen Teil der Substanz des heutigen Bankhauses ausmacht – nach wie vor als Bethmann Bank AG firmiert, zeigt die fortbestehende Strahlkraft des Namens. Nachkommen der Familie Bethmann gibt es auch heute noch.

*****
Textquellen:

Seite zur Familie Bethmann in der Deutschen Biographie: abgerufen von >https://www.deutsche-biographie.de/sfz87174.html< am 20.04.2020.

Webseite der heutigen Bethmann-Bank: abgerufen von >https://www.bethmannbank.de/de/index.html< am 20.04.2020.

Die Familie Bethmann im Frankfurter Personenlexikon: abgerufen von >https://frankfurter-personenlexikon.de/node/1768< am 20.04.2020.

Johann Philipp Bethmann im Frankfurter Personenlexikon: abgerufen von >https://frankfurter-personenlexikon.de/node/2266< am 20.04.2020.

Simon Moritz Bethmann der Jüngere im Frankfurter Personenlexikon: abgerufen von >https://frankfurter-personenlexikon.de/node/2268< am 20.04.2020.

Stricker, "Bethmann, Simon Moritz von" in: Allgemeine Deutsche Biographie 2 (1875), S. 574-576 [Online-Version] abgerufen von >https://www.deutsche-biographie.de/pnd116155582.html#adbcontent< am 20.04.2020.


Bildquellen:

Vorschaubild: Wappen der Familie Bethmann, 19.Jahrhundert, Urheber: unbekannt via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

Innenhof des ehemaligen Bethmann Bankhauses, 2009, Urheber: Emmaus via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

Johann Philipp (1715–1793), erstellt etwa 1755 bis 1775, Urheber: unbekannt via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

Simon Moritz von Bethmann, 1812. Porträt von Johann Jacob de Lose (1755–1813) via Wikimedia Commons Gemeinfrei.


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