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Klaus Beer

Zwei Welten

Kurz vor dem Mauerbau kommt Klaus Beer mit Frau und Kind in den „goldenen Westen“. Der Autor erzählt von seinen persönlichen Erlebnissen im geteilten Deutschland - in den „Zwei Welten“. Das Buch endet mit der Wiedervereinigung.

Anton Kirchner

Anton Kirchner

Ralph Zade

Wer im heutigen Frankfurt nach Spuren von Anton Kirchner sucht, der findet zunächst die Kirchnerstraße in der Innenstadt. Auch die Kirchnerschule, eine Grundschule in Frankfurt-Bornheim, ist nach ihm benannt, nimmt auf ihrer Homepage hierauf allerdings keinen Bezug. Näher kommt man Kirchner in der Eschenheimer Anlage. Dort steht ein Denkmal für ihn, errichtet zum 100. Geburtstag. Es trägt die Aufschrift:

Anton Kirchner

Geb. den 14. Juli 1779

Gest. den 1. Jan. 1835

Dem Geschichtsschreiber

seiner Vaterstadt

errichtet

von seinen dankbaren

Mitbürgern

14. Juli 1879


Darüber eine Bronzebüste, die einen Mann darstellt, dessen Züge und Oberkörper nicht ganz schlank wirken - Kirchner soll sehr beleibt gewesen sein, worauf verschiedene Zeitgenossen in Äußerungen über ihn Bezug nehmen. So äußerte Goethe am 6.6.1824 gegenüber Friedrich von Müller: "Kirchners Kopf paßt nicht zu seinem Rumpf und Leib. Schleppte er nicht an letzterem eine so große Last herum, so würde er noch viel mehr Teufelszeug machen, noch viel lebendiger sein. Er ist ein kluger Schelm, der klügste in Frankfurt." Am Sockel des Denkmals finden sich drei Reliefs von Frauengestalten: Die Ekklesia, die die Kirche symbolisiert, Klio, die Muse der Historiographie und in der Mitte eine Lehrmeisterin, die die Pädagogik versinnbildlicht.

Damit sind die wesentlichen drei Lebensinhalte Kirchners bezeichnet: Anton Kirchner war evangelischer Pfarrer, er schrieb bedeutende Werke über seine Heimatstadt Frankfurt, worunter das gewichtigste eine - allerdings unvollendete - Geschichte derselben ist, und er war auch Lehrer und Schulgründer. Auf allen drei Feldern hat er Wesentliches für Frankfurt geleistet.

Kirchner war der Sohn eines mit Galanteriewaren - also modischen Kleinaccessoires - handelnden Kaufmanns und ging auf Empfehlung des Theologen und Pädagogen Wilhelm Friedrich Hufnagel (1754-1830) nach dem Abitur am Frankfurter Gymnasium zum Studium der evangelischen Theologie nach Erlangen. Für den Erwerb der Doktorwürde benötigte er nur zweieinhalb Jahre (wobei der Doktorgrad damals ein üblicher Studienabschluss und nicht mit dem heutigen Doktortitel vergleichbar war). Seine Dissertation befasste sich mit der Dämonologie der Hebräer vor dem babylonischen Exil. Anders als die Beschäftigung mit einem solchen Thema auf den ersten Blick vermuten lässt, war Kirchner ein Vertreter des theologischen Rationalismus und zeitlebens reformorientiert, nicht nur was kirchliche, sondern auch was gesellschaftliche und pädagogische Belange angeht.

Nach der Rückkehr nach Frankfurt war Kirchner als Lehrer und Erzieher der Kinder einer Weinhändlerfamilie sowie in der damals als "Irrenhaus" bezeichneten Institution als Prediger tätig, betätigte sich aber auch journalistisch, indem er ab 1801 die Leitung des "Bürgerblatts" und ab 1803 die Redaktion des "Frankfurter Journals" übernahm. Dass er 1804 Maria Anna, die neugeborene Tochter des Kaisers Franz, als "Mädchen" und nicht - wie es nach der Etikette geboten gewesen wäre - als "Prinzessin" bezeichnet hatte, führte zu einem Skandal und setzte seiner Tätigkeit für das Frankfurter Journal ein Ende. Trotz dieses Vorfalls nahm Kirchners Karriere im kirchlichen und pädagogischen Bereich nun Fahrt auf. Er wurde im selben Jahr Lehrer an der von seinem Mentor Hufnagel gegründeten - heute noch bestehenden - Musterschule und Pfarrvikar, zwei Jahre später Professor für Religion, Kirchengeschichte und hebräische Sprache am städtischen Gymnasium (das als Vorgänger des heutigen Lessing-Gymnasiums gilt) und ein weiteres Jahr später - 1807 - Pfarrer an der Heiliggeistkirche. (Letztere ist nicht identisch mit der Kirche des Dominikanerklosters, die heute so heißt - die damalige Heiliggeistkirche lag in der Saalgasse in der Frankfurter Innenstadt, sie wurde 1840 abgerissen.) 1807 und 1810 erschienen zwei Bände seiner "Geschichte der Stadt Frankfurt am Main", die die Zeit bis 1612 behandelten - aus heutiger Sicht ein bahnbrechendes Werk, da es sich um die erste Darstellung der Frankfurter Geschichte handelte, die nicht in Chronikform verfasst war, was einen großen Sprung nach vorn in der lokalen Geschichtsschreibung bedeutete. In der napoleonischen Epoche, unter der Herrschaft von Carl Theodor von Dalberg, der Staatsoberhaupt des 1810-1813 bestehenden Großherzogtums Frankfurt war, kam dem reformorientierten Kirchner die politische Linie zunächst durchaus entgegen und er engagierte sich in der Stadtpolitik. 1813 gründete er die Weißfrauenschule, die der Erziehung von Handwerkerkindern dienen sollte, und erreichte damit den Höhepunkt seiner Wirksamkeit als Pädagoge.

Auch wenn die Frankfurt-Geschichte Kirchners aus heutiger Sicht (obwohl inzwischen inhaltlich überholt) bedeutend ist, stieß sie damals auf Widerstand und es erschienen gleich zwei umfangreiche Schriften, die sich zum Ziel gesetzt hatten, Kirchner Fehler nachzuweisen, wovon er eine mit einer Gegenschrift bedachte. Auch als Person war er Angriffen ausgesetzt. Weitere Bände erschienen deshalb nicht, das Werk blieb unvollendet.

Als die napoleonische Herrschaft - und damit die Herrschaft Dalbergs - ins Wanken geriet, blieb Kirchner im veränderten Umfeld - Frankfurt wurde 1815 Freie Stadt - in der Frankfurter Stadtpolitik aktiv. Dabei behielt er seine liberalen Überzeugungen bei. Er wirkte u. a. an der Konstitutionsergänzungsakte, der Verfassung der Freien Stadt Frankfurt, mit. Nachdem die politische Ausrichtung der Stadt in der Restaurationsepoche zunehmend konservative Züge annahm, zog er sich jedoch schließlich aus der Stadtpolitik zurück.

1818 veröffentlichte Kirchner dann das Werk, das für heutige Leser unter seinen Schriften die interessanteste ist, die "Ansichten von Frankfurt am Main und seiner Umgegend" in zwei Bänden. Diese bieten eine lebendige Schilderung der zeitgenössischen Stadt Frankfurt und ihrer Gesellschaft und zeigen viel von dem, was dann im Zweiten Weltkrieg unterging (wobei schon vorher Teile der Frankfurter Altstadt abgerissen wurden). Für jeden, der sich für das alte Frankfurt interessiert, ist das Werk, von dem es auch preiswerte Nachdrucke gibt, eine Fundgrube.

Auch die kirchliche Karriere Kirchners setzte sich fort. 1823 wurde er Pfarrer an der Katharinenkirche an der Hauptwache, die heute, nach Kriegszerstörung und Wiederaufbau, die evangelische Hauptkirche in Frankfurt ist. 1833 wurde er dann Pfarrer an der neuen Paulskirche, wo er am 9.6.1833 die Eröffnungspredigt hielt. Dass die Kirche 15 Jahre später Sitz des Paulskirchenparlaments werden würde, war damals noch nicht zu erahnen. Vielleicht hätte es ihm, liberal gesinnt wie er war, gefallen. Anton Kirchner starb am 1.1.1835 (nach anderen Angaben am 31.12.1834). Er liegt auf dem Frankfurter Hauptfriedhof begraben.

*****

Textquelle:

Kirchner, Anton: Geschichte der Stadt Frankfurt am Main, Jäger und Eichenberg, Frankfurt am Main. Theil I, 1807, Theil II, 1810.

Kirchner,Anton: Ansichten von Frankfurt am Main und seiner Umgegend, Friedrich Wilmans, Frankfurt, 1818 (2 Bde).

Anton Kirchner in der Allgemeinen Deutschen Biographie: abgerufen von >https://de.wikisource.org/wiki/ADB:Kirchner,_Anton< am 26.09.2020.

Anton Kirchner in der Neuen Deutschen Biographie: abgerufen >https://www.deutsche-biographie.de/sfz41111.html< am 26.09.2020.

Webseite zum Kirchner-Denkmal in der Eschenheimer Anlage: abgerufen von >https://www.kunst-im-oeffentlichen-raum-frankfurt.de/de/page31.html?id=34&standort=24< am 26.09.2020.

Homepage der Kirchnerschule in Bornheim: abgerufen von >https://www.kirchnerschule-frankfurt.de/< am 26.09.2020.


Bildquellen:

Vorschaubild: Anton Kirchner, 1833, Urheber: Lithograph by C. Allemand via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

Denkmal von Anton Kirchner, 2010, Urheber: Frank Behnsen via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0.

Familiengrabstätte von Anton Kirchner auf dem Frankfurter Hauptfriedhof, 2008, Urheber: Dontworry via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0.

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