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Gerhard Klein

Leipzig-Skizzen

Gerhard Kleins Städteskizzen zeigen jeweils 18 ausgewählte Gebäude, Denkmäler und Plätze der Stadt. Auch Leipzig stellt er in einem zusammengestellten Skizzenheft von seiner charmantesten Seite dar. 

Das Nebbiensche Gartenhaus

Das Nebbiensche Gartenhaus

Ralph Zade

Wie in vielen anderen Städten auch wurden in Frankfurt im 19. Jahrhundert die Stadtmauern, die ihre militärische Schutzfunktion verloren hatten, geschleift und durch Grünanlagen ersetzt. Dieser Prozess setzte früher ein als anderswo und begann mit einem Beschluss des Stadtrats von 1802, der allerdings nicht konsequent umgesetzt wurde. Erst nach dem Ende des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation im Jahre 1806, unter der Herrschaft des Fürstprimas Carl Theodor von Dalberg, kam Bewegung in die Umgestaltungspläne. Im Auftrag Dalbergs verfasste Jakob Guiollett (1746-1815) die Denkschrift "Bemerkung über die Schleifung hiesiger Festungswerke", die im November 1806 erschien. Bis 1812 wurde die Schleifung der bis zu 8 m hohen Mauern dann tatsächlich umgesetzt, an ihrer Stelle entstand ein Grünstreifen, die heutigen Frankfurter Wallanlagen.

Um die Grünanlagen zu schützen, erließ man 1827 die grundsätzlich bis heute fortbestehende Frankfurter Wallservitut, die ihre Bebauung verhindert. Regelungen, die die Bebauung einschränkten, gab es auch schon vorher. Einige Bauten gab es aber doch. Diese waren entsprechend einer 1809 erlassenen Bausatzung im klassizistischen Stil gehalten. Erhalten ist von dieser Architektur - hierbei handelte es sich oft um Gartenhäuser - aufgrund der massiven Kriegszerstörungen praktisch nichts. Eine Ausnahme bildet das 1810 errichtete Nebbiensche Gartenhaus in der Bockenheimer Anlage.

Markus Johannes Nebbien (1755-1836) war ein in Lübeck geborener, ursprünglich in Kopenhagen tätiger Kaufmann. Wohl anlässlich eines Besuchs der Frankfurter Messe lernte er die Frankfurterin Anna Maria Jung kennen, die er 1783 heiratete, und zog in die Heimatstadt seiner Frau. Da sie Miterbin der "Franckfurter Frag- und Anzeigungsnachrichten" war, eines 1722 gegründeten zweimal wöchentlich erscheinenden Anzeigenblatts, wurde Nebbien zum Zeitungsverleger. Nach dem Tod Anna Marias, die schon 1787 starb, übernahm er 1793 die Leitung von Verlag und Zeitung und führte parallel dazu seinen Kolonialwarenhandel am Liebfrauenberg weiter. 1806, mit dem Ende des Heiligen Römischen Reichs deutscher Nation, endete auch das kaiserliche Privileg für die Zeitung, die deshalb nicht weiter erscheinen konnte. Nebbien gelang es aber, die Zeitung unter neuem Namen fortzuführen, als Frankfurter Intelligenz-Blatt. Dieses nahm bald die Stellung eines inoffiziellen Amtsblattes ein. Dass es aufgrund seiner Fokussierung auf Anzeigen und Verlautbarungen unpolitisch war, ermöglichte ein weiteres Erscheinen auch dann, als 1810 im neu geschaffenen Großherzogtum Frankfurt alle anderen Zeitungen aus politischen Gründen verboten wurden. Während dieser Zustand andauerte, war das Intelligenz-Blatt in Frankfurt konkurrenzlos, was zu einer beträchtlichen Auflagensteigerung und zu einem entsprechenden Vermögenszuwachs seines Verlegers führte.

1810 war auch das Jahr, in dem Nebbien sein Gartenhaus erbauen ließ - neben einem Wohnhaus, das 1944 zerstört und nicht wieder aufgebaut wurde. Schon seit 1807 hatte Nebbien Grundstücke in den nun entstehenden Wallanlagen gekauft, in erster Linie um damit zu spekulieren - später verkaufte er sie wieder. Nur das Grundstück, auf dem bis heute das Gartenhaus steht, behielt er.

Architekt des Nebbienschen Gartenhauses ist der Frankfurter Überlieferung nach - die Urheberschaft wird von Fachleuten für möglich gehalten, ist aber letztlich nicht konkret nachzuweisen - der Franzose Nicolas Alexandre Salins de Montfort (1753-1838). Salins de Montfort war 1791/92 vor der Französischen Revolution nach Frankfurt geflohen und hatte dort zunächst an den Kirchen der französischen und der deutschen reformierten Gemeinde mitgewirkt (in Frankfurt gab es zahlreiche reformierte Franzosen), bevor er auch an anderen Bauprojekten des Frankfurter Bürgertums beteiligt war und die Frankfurter Baukunst der Zeit nachhaltig zunächst im Sinne des französischen Klassizismus der Zeit des Ancien Régime, dann im Sinne des Empire-Stils beeinflusste. Von den zahlreichen Bauten, die er in Frankfurt verantwortete - darunter der Englische Hof und das Haus de Neufville am Roßmarkt, das Haus Rothschild auf der Zeil und das Gartenhaus Gontard an der Bockenheimer Landstraße - ist heute kaum noch etwas erhalten: neben dem Nebbienschen Gartenhaus nur der Portikus der Villa Leonhardi, der Teil einer 1989 eröffneten Gesamtrekonstruktion dieser Villa im Palmengarten ist. (Ehemals stand die Villa an der Bockenheimer Anlage.) 1806 wurde Salins de Montfort Major in Dalbergschen Diensten, ging dann aber 1807 nach Würzburg, wobei er immer wieder für Bauprojekte nach Frankfurt kam. 1818-23 lebte er dann noch einmal in Frankfurt, bevor er - genau weiß man es nicht - noch einmal nach Würzburg und danach nach Frankreich umsiedelte, wo sich seine Spur weitgehend verliert.

Als Markus Johannes Nebbien 1836 starb, kam sein Gartenhaus in den Besitz des Bankiers Philipp Bernhard Andreae. Dieser ließ 1840 die zwei Seitenflügel anbauen und verkaufte es 1867 (also ein Jahr nach der Annexion Frankfurts durch Preußen infolge des Deutsch-Deutschen Kriegs von 1866) an das preußische Militär, das hier zeitweise Musterungen abhielt. Später kam es in den Besitz der Stadt Frankfurt und wurde in die öffentliche Wallpromenade einbezogen. Zwischen den Kriegen diente es als Maleratelier. 1952 wurde es dann renoviert - dabei wurden in der Nähe auch zwei Brunnen aufgestellt - und dient heute dem Frankfurter Künstlerclub e. V. als Domizil. Häufig finden Ausstellungen der im Club organisierten Künstler, aber auch Lesungen und Konzerte statt.

Das Nebbiensche Gartenhaus ist heute das einzige erhaltene von früher 250 Gartenhäusern seiner Art in Frankfurt.

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Textquellen:

Webseite des Frankfurter Künstlerclubs: abgerufen von >https://www.frankfurter-kuenstlerclub.de/< am 16.05.2021.

Beitrag auf Feuilleton Frankfurt zum Künstlerclub im Nebbienschen Gartenhaus: abgerufen von >https://www.feuilletonfrankfurt.de/2008/03/27/der-frankfurter-kuenstlerclub-im-nebbienschen-gartenhaus/< am 16.05.2021.

Das Nebbiensche Gartenhaus auf stadtnischen.de: abgerufen von >https://stadtnischen.de/stadtnische/das-nebbiensche-gartenhaus/< am 16.05.2021.

Beitrag in der FAZ zur 200-Jahrfeier der Frankfurter Wallservitut 2010 (die formale, bis heute fortgeschriebene Regelung trat erst 1827 in Kraft, Vorläufer gab es aber schon früher): abgerufen von >https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/frankfurt/200-jahre-frankfurter-wallservitut-ein-gruener-ring-rund-um-die-stadt-1625354.html< am 16.05.2021.

Frost, Reinhard: Nebbien, Markus Johannes, Artikel aus der Frankfurter Biographie (1994/96) in: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe) abgerufen von >http://frankfurter-personenlexikon.de/node/606< am 16.05.2021.

Hock, Sabine: Salins de Montfort, Nicolas Alexandre. Artikel aus der Frankfurter Biographie (1994/96) in: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe) abgerufen von >http://frankfurter-personenlexikon.de/node/984< am 16.05.2021.


Bildquellen:

Vorschaubild: Klassizistischer Pavillion in der Bockenheimer Anlage in Frankfurt am Main, 2014, Urheber: Hingeblickt via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0 de.

Ein grünes Band zwischen Opernplatz und Pfingstweidstraße am Zoo, 2007, Urheber: Dontworry via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0.

Nebbiensches Gartenhaus, klassizistischer Pavillon in der Bockenheimer Anlage, erbaut 1810, Seite, 2006, Urheber: A. Köhler via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0.

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