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Jürgen Krätzer

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Jürgen Krätzer eröffnet uns eine neue Sicht auf den Autor. Er war eine faszinierende Persönlichkeit, ein kluger Kopf mit spitzer Zunge und sensiblem Herzen – ein „Freigeist“.

Die Mainlust

Die Mainlust

Sabine Gruber

Wenn Frankfurter Bürger und Bürgerinnen in den dreißiger, vierziger und fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts Zerstreuung suchten, fuhren oder liefen sie entweder zu einem der zahlreichen rund um Frankfurt gelegenen Ausflugsorte wie dem Oberforsthaus im Stadtwald oder gingen in eine der auf einer kleinen Insel im Main gelegenen Badeanstalten und besuchten im Anschluss die berühmte „Mainlust“. Die Mainlust war ein Lokal vis-à-vis einer kleinen Insel in dem Mainabschnitt, der heute durch die Untermainbrücke und die Friedensbrücke begrenzt wird, und die bis 1858 durch einen dann zugeschütteten Mainarm, den kleinen Main, vom Ufer abgeschnitten war. Die Insel bot vor allem Gelegenheiten zum Schwimmen, das Lokal bot dagegen Gelegenheit zu allerlei Freizeitbeschäftigungen – vorwiegend für die höhere Frankfurter Gesellschaft. Rund um das Lokal konnte man angenehme Spaziergänge mit Blick auf die Altstadt machen, man konnte aber auch, und das war für viele noch wichtiger, das Gasthaus selbst mit Terrasse und Pavillons besuchen, das der Wirt Johann Georg Ried 1832 im ehemaligen Garten der Familie von Guaita eröffnet hatte.

Schon vor seiner Eröffnung zum Osterfest des Jahres 1832 bedachte sein Gründer das neue Gasthaus, das er zum bevorzugten Ausflugsziel der vornehmen Frankfurter Gesellschaft und wohlhabender Touristen machen wollte, mit allerlei Vorschusslorbeeren. Er lobte, wie Wilhelm Stricker in seinem Buch über Frankfurt am Main in den Jahren 1806 bis 1866 wiedergibt, zunächst die sehr schöne Aussicht von dort, verwies anschließend auf die zahlreichen Räumlichkeiten, die den Gästen zur Verfügung stehen würden, wie das Billardzimmer, den Saal, die Zimmer im ersten Stock, deren eines eine kleine Kunstgalerie vorweisen konnte, die Pavillons und den Arkadengang, der auch Spaziergänge bei Regen oder Wind ermöglichte, um dann auf die „vortreffliche Bewirthung und wohlbesetzte Harmonie-Musik“ zu verweisen, die die Gäste erwarteten. Die Anlagen der Mainlust waren, so Stricker im Jahr 1881, „nach heutigen Ansprüchen sehr einfach: mehrere Baumreihen, von Gascandelabern unterbrochen; unter den Bäumen standen enge gereiht die Tische und Stühle, besonders nach der Wasserseite hin. In der Mitte erhob sich ein Musikpavillon; nächst dem Eingang an der östlichen Seite waren Rasenplätze mit einfachen Blumenbeeten.“

Auch wenn die Anlagen der Mainlust nach späteren Ansprüchen einfach gewesen sein mögen, die Investition Rieds in die bauliche Umgestaltung des einstigen Guaitaschen Privatgartens in zentraler Lage hatte sich auf jeden Fall gelohnt. Schon kurz nach der Eröffnung des neuen Ausflugsziels trafen viele Neugierige ein und der Besucherstrom sollte auch in den folgenden Jahrzehnten nicht abreißen. Bereits drei Jahre nach der Eröffnung des Gasthauses berichtete der Chronist Eduard Beurmann in seinen „Frankfurter Bildern“ von den „unzähligen Lichtern“, von denen der Garten abends flimmere und den vielen verschiedenen Weisen, die dann über das Wasser tönten. Der Frankfurter Liederkranz und die Mozartstiftung wählten das neue Gasthaus für ihre Konzerte und die Dampfschifffahrtsgesellschaften richteten es so ein, dass ihre Fahrgäste von den Schiffen aus die Konzerte auf der Mainlust anhören konnten, während diese hin und her fuhren.

Der stetig zunehmende Besucherstrom bewirkte, dass die anfangs geplanten Räume der Mainlust nicht mehr ausreichten und erweitert werden mussten. Auch der Arkadengang erhielt nach einigen Jahren einen ersten Stock. Bald fand die Örtlichkeit Eingang in deutschsprachige, aber auch in fremdsprachige Reiseführer. Der Führer „Frankfurt am Main und seine Umgebung“ von 1853 bezeichnet die Mainlust gar als weltberühmt und führt aus: „Vor dem Untermainthor, links am äußersten Ende der Promenade liegt die weltberühmte Mainlust, […] und auf der Insel die Schwimmanstalten von Gerlach und Kleeblatt.“ Im nahe gelegenen Mannheim wurde nach dem Vorbild der Mainlust bald eine ähnlich gestaltete „Rheinlust“ eröffnet, die wohl hoffte, von der Prominenz der Mainlust profitieren zu können. Trotz ihres großen Erfolgs bei Einheimischen und Fremden waren die Tage der Mainlust gezählt, denn 1858 hatte sich die Stadt entschlossen, den Kleinen Main zwischen Mainlust und Insel zuzuschütten, um die Trasse der Hafenbahn dort entlang führen zu können, und einen neuen Kai zwischen der Leonhardskirche und der Windmühlstraße zu errichten. Die romantische kleine Insel verschwand und die Mainlust wurde geschlossen und 1873 abgerissen. 1860 wurde das Gebiet der ehemaligen Insel in einen Park umgewandelt, der gleichzeitig einen Endpunkt der Wallanlagen bilden sollte. 1875 wurde dann der Park umgestaltet und mit Mittelmeerflora bepflanzt; deshalb erhielt er den Namen „Nizza“. Die nach dem Abriss der alten Mainlust in der Nähe errichtete „Neue Mainlust“ musste schon bald wieder schließen. Heute erinnern noch die Mainluststraße im Bahnhofsviertel in der Nähe der früheren Insel und die Gaststätte „Mainlust“ im Frankfurter Stadtteil Schwanheim an das einst berühmte Lokal.

*****

Textquellen:

Frankfurt am Main und seine Umgebung: Ein Führer für Fremde, Frankfurt a. M., 1853.

Frankfurt-Lexikon: Mit einem Stadtplan herausgegeben von Waldemar Kramer, Sechste, neubearbeitete Ausgabe, Frankfurt a. M., 1973.

Stricker, Wilhelm: Frankfurt am Main: 1806-1866, Frankfurt a. M., 1881.

>https://de.wikipedia.org/wiki/Nizza_(Frankfurt_am_Main)< abgerufen am 29.6.2021.

>https://de.wikipedia.org/wiki/Untermainkai< abgerufen am 29.6.2021.


Bildquellen:

Vorschaubild: Ansicht der Stadt, vom Untermain gesehen, mit der Maininsel und, links im Vordergrund, dem Gebäude der Mainlust, 1847, Urheber: Carl Theodor Reiffenstein via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

Insel Mainlust um 1840, Urheber: unbekannt via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

Mainlust Frankfurt vor 1858, Urheber: unbekannt via Wikimedia Commons gemeinfrei.

Das Nizza um 1900, Urheber: unbekannt via Wikimedia Commons Gemeinfrei.


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