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Silvia Frank
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Heute gilt Büchner unbestritten als Begründer der modernen deutschen Literatur. Lassen Sie sich auf eine Begegnung mit dem rebellischen und jung verstorbenen Dichter und seinem ungewöhnlichen Werk ein.

Joachim Fest

Joachim Fest

Ralph Zade

Eine enge Verbindung zu Frankfurt hatte der 1926 in Berlin-Karlshorst geborene und 2006 in Berlin-Tempelhof begrabene Joachim Fest lange Zeit nicht, obwohl er 1949-51 zwei Studienjahre in der Stadt verbracht hatte. Das änderte sich mit zwei Ereignissen im Jahre 1973. Auf der Frankfurter Buchmesse im Oktober dieses Jahres erregte sein opus magnum „Hitler. Eine Biographie“ großes Aufsehen und wurde gefeiert. Und am 1.12. desselben Jahres wurde er Mitherausgeber einer Frankfurter Presseinstitution, der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Frankfurt, in dem er dann über seine Amtszeit bei der FAZ hinaus, die 1993 endete, blieb – er wohnte wie viele begüterte Frankfurter in Kronberg am Taunus und spielte in der Stadtprominenz eine wichtige Rolle – war ihm dennoch eher Arbeitsort als Heimat. Das mag man auch an seinem Begräbnisort ablesen. Trotzdem ist er aus dem intellektuellen und gesellschaftlichen Leben der Stadt der Jahre nach 1973 nicht wegzudenken.

Fests Tätigkeit beim Feuilleton der FAZ, für das er als Herausgeber der Zeitung verantwortlich wurde, begann eher holprig. Die Feuilletonredaktion hatte die Wände in kritischer Absicht mit Aussagen Fests beklebt, Aussagen, die seine konservative Gesinnung belegen sollten, die der innerhalb der konservativen FAZ liberalen Redaktion zuwider war. Es gelang Fest dann aber schnell, das Feuilleton für sich zu gewinnen, vor allem dadurch, dass er alles drucken ließ, was einem hohen Qualitätsanspruch gerecht wurde, unabhängig von der politischen Auffassung, die darin zum Ausdruck kam, sofern diese als demokratisch gelten konnte. Dass Fest politischen Gegnern gegenüber, wenn sie denn intelligent zu argumentieren wussten, offen war, zeigt sich auch daran, dass er nach eigenen Aussagen gern mit der späteren RAF-Terroristin Ulrike Meinhof diskutierte, wenn er ihr bei Einladungen begegnete. Als Literaturchef setzte Fest Marcel Reich-Ranicki durch, der dem ihm anvertrauten Teil des Feuilletons mit seiner publikumsaffinen Art der Literaturkritik eine große Wirkungsmacht verlieh, und förderte junge Talente, von denen heute viele als bekannte Feuilletonjournalisten innerhalb und außerhalb der FAZ wirken.

Inhaltlich machte Fest ein politisches Feuilleton, was seinem Hintergrund entsprach. Zwar sind Fests Buchpublikationen weit gefächert, von dem Werk „Im Gegenlicht – Eine italienische Reise“ (1988) bis zu einem Buch über den bildenden Künstler Horst Janssen, mit dem er persönlich befreundet war (2001). Der Kern seines Werks als Autor bezieht sich jedoch auf historisch-politische Themen und hier insbesondere auf den Nationalsozialismus. Das geht weit über die bereits genannte Hitler-Biographie hinaus, die heute noch ein Meilenstein ist, auch wenn sie schon bei Erscheinen mit gewichtigen Argumenten kritisiert wurde und heute überholt erscheint. Schon 1963 hatte Fest unter dem Titel „Das Gesicht des Dritten Reiches“ eine Sammlung von Porträts bekannter Nationalsozialisten veröffentlicht, die aus Beiträgen für den NDR, für den er damals arbeitete, hervorgegangen waren. Dem Thema „Drittes Reich“ blieb er in der Folge publizistisch treu und veröffentlichte u. a. Bücher über das Hitler-Attentat vom 20.7.1944 (1994) und – unter dem Titel „Der Untergang“ – über die Endphase des Nazi-Regimes (2002). Sehr umstritten ist in diesem Zusammenhang seine Biographie Albert Speers (1999), für die er umfangreiche Gespräche mit Speer führte, der wegen seines Wirkens in hochrangigen Positionen des „Dritten Reiches“ eine 20-jährige Haftstrafe verbüßt hatte. Zwar gelangte er auf diese Weise an Informationen aus erster Hand, folgte aber in einem Maß der Selbstdarstellung Speers, das die Biographie als Quelle unparteiischer Information entwertet und zu einem Instrument von Speers Selbstdarstellung macht. Die Nähe Fests zu Albert Speer führte letztlich auch zum Bruch mit Marcel Reich-Ranicki. Dass Fest Reich-Ranicki als Verfolgten des Nazi-Regimes nicht vorab über die Präsenz Speers bei einer Abendveranstaltung informierte, nahm ihm dieser übel. Auch dass Fest in der FAZ den Thesen des Historikers Ernst Nolte zur Einordnung des Nationalsozialismus ein Forum bot (was letztlich eine wichtige Rolle für das Aufkommen des sogenannten Historikerstreits spielte) mag dabei von Bedeutung gewesen sein. Letzteres ging jedoch auf das Bestreben Fests zurück, stets dem ganzen Meinungsspektrum Platz einzuräumen und nicht unbedingt auf eine inhaltliche Übereinstimmung. Die Nähe zu Speer dagegen war eine Folge der auf dessen persönlichem Geschick beruhenden Verkennung von dessen Absichten, die keine Rückschlüsse auf Fests politische Haltung zulässt – dieser war zwar konservativ, trat aber jederzeit für demokratische Werte ein und trat auch antisemitischen Haltungen entschieden entgegen, wie sich an seinem dezidierten Agieren in der Kontroverse um das Theaterstück „Die Stadt, der Müll und der Tod“ des Filmregisseurs Rainer Werner Fassbinder zeigt, das weithin als antisemitisch wahrgenommen wurde und im Frankfurt der 70er Jahre zu erbitterten Auseinandersetzungen führte.

Eines der von Fest geförderten journalistischen Talente war der junge Frank Schirrmacher. Schirrmacher wurde schließlich Anfang 1994 Nachfolger Fests als FAZ-Herausgeber mit Feuilletonverantwortung. Zunächst war Fest mit dieser Personalie einverstanden, änderte seine Meinung dann aber, nachdem er gemerkt hatte, dass Schirrmacher in erster Linie der Karriere halber seine persönliche Nähe gesucht hatte. Dessen Berufung konnte er jedoch nicht mehr verhindern. Schirrmacher hat dann als FAZ-Herausgeber eine ähnliche Wirksamkeit gehabt wie Fest, wenn auch aus anderen Gründen. Fests stilistische Brillanz im Schreiben erreichte er nicht; seine Wirkung beruhte in erster Linie auf einem Gespür für in der Luft liegende Themen. Dass er damit eine solche Resonanz fand, verdankte er in erheblichem Maße der Arbeit von Joachim Fest, der das FAZ-Feuilleton zum zeitweise meistbeachteten des deutschen Sprachraums und damit zum idealen Instrument für die Präsentation intellektueller Denkanstöße gemacht hatte.

Ausgewählte Bücher von Joachim Fest:

Das Gesicht des Dritten Reiches. Profile einer totalitären Herrschaft. München 1963

Hitler. Eine Biographie, Frankfurt 1973

Im Gegenlicht. Eine italienische Reise. Berlin 1988;

Staatsstreich. Der lange Weg zum 20. Juli, Berlin 1994

Horst Janssen. Selbstbildnis von fremder Hand, Berlin 2001

Der Untergang. Hitler und das Ende des Dritten Reiches, Berlin 2002

Ich nicht. Erinnerungen an eine Kindheit und Jugend, Reinbek 2006

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Textquellen:

Joachim Fest im Frankfurter Personenlexikon: abgerufen von >https://frankfurter-personenlexikon.de/node/3399< am 24.09.2021.

Nachruf auf Fest in der Süddeutschen Zeitung: abgerufen von >https://www.sueddeutsche.de/kultur/joachim-fest-gestorben-der-intellektuelle-unter-den-konservativen-1.894754< am 24.09.2021.

Nachruf auf Fest im Spiegel: abgerufen von >https://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/hitler-biograf-joachim-fest-gestorben-a-436517.html< am 24.09.2021.

Interview mit Wolfgang Wippermann über Fest auf der Website von Deutschlandfunk Kultur: abgerufen von >https://www.deutschlandfunkkultur.de/der-glaenzendste-stilist-des-vergangenen-jahrhunderts.1013.de.html?dram:article_id=166331< am 24.09.2021.


Vorschaubild:

Joachim Fest, 2004, Copyright:Das blaue Sofa / Club Bertelsmann via Wikimedia Commons CC BY 2.0.

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