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Kurt Franz & Claudia Maria Pecher
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Der Froschkönig", „Schneewittchen" oder „Rapunzel" sind Erwachsenen und Kindern auf der ganzen Welt bekannt. Wer aber weiß mehr über das Brüderpaar zu erzählen als dessen Märchen? Und wer weiß schon, dass die Grimms auch viele schaurige, schöne Sagen sammelten, eine umfangreiche deutsche Grammatik veröffentlichten oder an einem allumfassenden Deutschen Wörterbuch arbeiteten?


Die Bankiersfamilie Rothschild

Die Bankiersfamilie Rothschild

Ralph Zade

Die Rothschildallee, der Rothschildpark, das Rothschildpalais (heute Sitz des Jüdischen Museums), aber auch die Luisenstraße (benannt nach dem Luisenhof, der seinen Namen im Gedenken an Louise von Rothschild erhielt), die Mathildenstraße (benannt nach Hannah Mathilde von Rothschild) und der Clementineweg (benannt nach dem im Zweiten Weltkrieg zerstörten Clementine-Kinderkrankenhaus, das den Namen nach Clementine von Rothschild erhielt) sind Frankfurter Orte, die die berühmte Bankiersfamilie ins Gedächtnis rufen, die hier ihre Wurzeln hatte. Die Aufzählung ist noch nicht einmal vollständig. Orte, die nicht nur vom Namen her, sondern auch physisch an die Rothschilds erinnern, sind allerdings rar - es gibt das genannte Palais, das nur eines von mehreren Rothschild-Palais in Frankfurt war - die anderen existieren nicht mehr, auch der 1813 bezogene Stammsitz des Bankhauses an der Ecke Fahrgasse/Judengasse ist verschwunden - und es gibt einen Grabstein auf dem Alten Jüdischen Friedhof neben dem Museum Judengasse.

Dieser Grabstein, der der Zerstörung durch die Nazis entging und heute im Ehrenhain des Friedhofs steht, ist der von Mayer Amschel Rothschild (1744-1812). Mayer Amschel gilt als der Begründer des Bankhauses Rothschild, das mit dem zwischen ihm und seinen Söhnen geschlossenen Gesellschaftsvertrag vom 27.9.1810 seinen juristischen Anfang nahm. Eine wichtige Rolle beim Aufstieg des Bankhauses spielte aber auch das im Großherzogtum Frankfurt am 7.2.1811 erlassene Judenemanzipationsedikt, mit dem die Frankfurter Juden nach jahrhundertelanger Diskriminierung nichtjüdischen Frankfurtern gleichgestellt wurden, freilich nicht ohne Zahlung einer hohen Ablösesumme, an deren Aushandlung und Aufbringung Mayer Amschel beteiligt war. Dass Mayer Amschel Rothschild 1812, kurz vor seinem Tod, noch in die Ständeversammlung (das Parlament) des Großherzogtums Frankfurt berufen wurde, machte seinen Aufstieg komplett.

 

Nicht weit vom Grabstein, in der heute nicht mehr existierenden Frankfurter Judengasse (von der man sich im Museum Judengasse ein Bild machen kann), hatte nicht nur Mayer Amschel Rothschilds Leben, sondern auch die Familie Rothschild ihren Ursprung. Nachweisbar ist die Familie, die ursprünglich Hahn hieß, ab 1500. 1569 erbaute Isaak Elchanan, ein Vorfahr, in der Judengasse 69 das "Haus zum Roten Schild", dessen Namen die Familie dann übernahm. Hierbei blieb es auch, als man 1634 in das "Haus zur Hinterpfann" in der Judengasse 139 umzog. Ihren Lebensunterhalt verdiente die Familie mit Handels- und Wechselgeschäften, die bis ins 18. Jahrhundert hinein keinen allzu großen Umfang hatten. Noch Mayer Amschels Vater Moses Amschel Rothschild (gest. 1755 bei einer Pockenepidemie) war Geldwechsler in relativ bescheidenem Umfang (das Geldwechslergewerbe war am Handelsplatz Frankfurt, wo viele Kaufleute aus verschiedensten deutschen und ausländischen Territorien zu den Messen anreisten, ein wichtiges). Mayer Amschel, sein vierter Sohn, handelte zunächst mit Münzen und Antiquitäten, dann mit anderen Waren und schließlich mit Wechseln und Anleihen. Dass er es damit so viel weiter bringen konnte als seine Vorfahren, hatte seine Ursache u. a. darin, dass er die kaiserliche Armee belieferte, was ihm Kontakte zum Kaiserhaus und die Ernennung zum kaiserlichen Hoffaktor eintrug. Noch wichtiger wurden seine Kontakte zum Erbprinzen Wilhelm von Hessen. Dieser wurde 1803 Kurfürst. Während der napoleonischen Besetzung verwaltete Rothschild sein Vermögen, hierauf beruhte die Legende, er habe dieses gerettet.

Schon in den 80er Jahren des 18. Jahrhunderts war Mayer Amschel mit seiner Frau Gudula ("Gutle") Rothschild (1753-1849), die ihn um 37 Jahre überleben sollte, in das "Haus zum Grünen Schild" im Osten der Judengasse umgezogen, das fortan als Familiensitz der Rothschilds diente und den Abriss der anderen Häuser in der Judengasse überlebte, 1944 aber bei einem Bombenangriff zerstört wurde.

Teil des Erfolgs der Rothschilds war die große Mobilität der weitverzweigten Familie (Mayer Amschel hatte fünf überlebende Söhne und zahlreiche Enkel). Es wurden Filialen in London, Paris, Wien und Neapel gegründet. Dass Europas Staatenwelt infolge der napoleonischen Kriege im Umbruch war, und es durch die jahrelangen Kriegshandlungen einen erheblichen Finanzierungsbedarf gab, ermöglichte es den Rothschilds, zum Finanzier verschiedener europäischer Staaten zu werden. Die internationale Verzweigung des Bankhauses und eine Veränderung der Anforderungen des Finanzmarkts bedingte in der Zeit der Industrialisierung einen gewissen Bedeutungsverlust des Frankfurter Hauptsitzes, der sich auf Staatsanleihen konzentrierte, anders als die heute noch existierenden Filialen in London und Paris, die sich auch der Ausgabe von Industrieaktien widmeten. Die Rothschilds blieben aber im geschäftlichen wie im gesellschaftlichen Leben in Frankfurt präsent.

Die Erinnerung an die Familie in Frankfurt gründet sich nicht nur auf die herausragende Bedeutung des Bankhauses Rothschild in der Frankfurter Wirtschaftsgeschichte, sondern auch auf die Tatsache, dass verschiedene Mitglieder der Familie, vor allem Frauen, ihren Reichtum für wohltätige Zwecke einsetzten und Stiftungen gründeten. Beispiele dafür sind Louise von Rothschild (1820-1894), die Tochter von Nathan Mayer von Rothschild (1777-1836), dem dritten Sohn von Mayer Amschel Rothschild, die u. a. zum Gedenken ihrer früh verstorbenen Tochter Clementine das Clementine-Kinderkrankenhaus gründete, sowie Hannah Mathilde von Rothschild (1832–1924), die 1901 ein Altenheim stiftete.

 

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Textqellen:

Ferguson, Niall: The House of Rothschild: Money's Prophets 1798-1848, revidierte Ausgabe, Penguin, London, 1999.

Ferguson, Niall: The House of Rothschild: The World's Banker 1849-1998, Penguin, London, 2000.

Schembs, Hans-Otto: Rothschild, Bankiersfamilie (von). In: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe) abgerufen von >http://frankfurter-personenlexikon.de/node/940< am 18.07.2021.

Schembs, Hans-Otto: Rothschild, Mayer Amschel. Artikel aus der Frankfurter Biographie (1994/96) in: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe) abgerufen von >http://frankfurter-personenlexikon.de/node/947< am 18.07.2021.

Schembs, Hans-Otto: Rothschild, Wilhelm Carl von. Artikel aus der Frankfurter Biographie (1994/96) in: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe) abgerufen von >http://frankfurter-personenlexikon.de/node/951< am 18.07.2021.

Schembs, Hans-Otto: Rothschild, Gudula. Artikel aus der Frankfurter Biographie (1994/96) in: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe) abgerufen von >http://frankfurter-personenlexikon.de/node/942< am 18.07.2021.

Schembs, Hans-Otto: Rothschild, Hannah Mathilde von. Artikel aus der Frankfurter Biographie (1994/96) in: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe) abgerufen von >http://frankfurter-personenlexikon.de/node/944< am 18.07.2021.

Webseite des Jüdischen Museums zum Rothschildpalais: abgerufen von >https://www.juedischesmuseum.de/de/erkunden/rothschildpalais/< am 18.07.2021.

Webseite des Jüdischen Museums zur Geschichte der Familie Rothschild: abgerufen von >https://sammlung.juedischesmuseum.de/geschichten/familie-rothschild-ein-gro%C3%9Fer-name-aus-frankfurt/< am 18.07.2021.

Bildquellen:

Vorschaubild: Foto der ehemaligen Judengasse/des Museums Judengasse in Frankfurt, 2021 © Bertuch Verlag.

Grabstein für Mayer Amschel Rothschild auf dem Alten Jüdischen Friedhof Frankfurt am Main, 2011, Urheber: Genealogist via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0.

Mayer Amschel Rothschild, Urheber: Elbert Hubbard via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

Stammsitz der Rothschildfamilie in der Frankfurter Judengasse, Urheber: unbekannt via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

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