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Jürgen Krätzer

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Jürgen Krätzer eröffnet uns eine neue Sicht auf den Autor. Er war eine faszinierende Persönlichkeit, ein kluger Kopf mit spitzer Zunge und sensiblem Herzen – ein „Freigeist“.

Der Frankfurter Dialekt

Der Frankfurter Dialekt

Ralph Zade

"Mehr Licht" - das sollen angeblich die letzten Worte des größten Frankfurters, Johann Wolfgang von Goethe gewesen sein. Wobei verschiedentlich behauptet wird, er habe etwas ganz Anderes sagen wollen, nämlich "Mer lischt die Deck so schwer uf de Brust". Auch wenn das unwahrscheinlich erscheint, so dürfte doch eines richtig sein: Goethe war vom Frankfurterischen beeinflusst. So heißt es z. B. im Faust: „Wie Himmelskräfte auf und nieder steigen / Und sich die goldenen Eimer reichen ...“, was sich nur reimt, wenn man es frankfurterisch ausspricht. In einer Zeit, in der es kein Fernsehen und keine sonstigen vereinheitlichenden Faktoren gab, war es nicht ungewöhnlich, dass jemand auch dann, wenn er der Bildungsschicht angehörte, Dialekt sprach, oder zumindest unter dem Einfluss des Dialekts seiner Herkunftsregion stand. So schrieb auch Clemens Brentano, der einer Frankfurter Familie entstammte und stark Südhessisch gesprochen haben soll - wobei er freilich auch Hochdeutsch beherrschte - in "Gockel, Hinkel und Gackeleia" südhessische Reime: "Und wahrt das Feuer und das Licht, / Dass dieser Stadt kein Leid geschiecht / Und lobet Gott den Herren!"

Sind diese Textstellen kleine Ausrutscher in einem ansonsten hochdeutschen Werk, so ist Frankfurt doch auch mit einer ganzen Reihe von Autoren in die Literaturgeschichte eingegangen, bei denen der Dialekt zum Kern ihres Schaffens gehört. Der bekannteste von ihnen ist Friedrich Stoltze (1816-91), dessen Verbundenheit mit Frankfurt im berühmtesten Zitat von ihm deutlich wird: "Es is kää Stadt uff der weite Welt, / Die so merr wie mei Frankfort gefällt, / Un es will merr net in mein Kopp enei: / Wie kann nor e Mensch net von Frankfort sei." Die zahlreichen Gedichte und Humoresken Stoltzes sind auch heute noch lebendig. Auch sein Sohn Adolf Stoltze (1842-1933) zählt zu ersten Garde der Frankfurter Dialektdichter, vor allem mit seinen Dialektkomödien. Vom Theater her kam auch Carl Malß (1792-1848), der zeitweise Ko-Direktor des Frankfurter Stadttheaters war. Humoristische Mundartpossen schrieb überdies Johann Wilhelm Sauerwein (1803-1847).

Viele Auswärtige meinen, in Frankfurt spräche man Hessisch. Das ist richtig und doch wieder nicht. Denn einen einheitlichen hessischen Dialekt gibt es nicht. Das hängt unter anderem mit der Geschichte des Landes Hessen zusammen, das lange geteilt war, in Kurhessen und das Großherzogtum Hessen-Darmstadt, wobei Frankfurt weder dem einen noch dem anderen angehörte, sondern bis 1866 selbstständig war. Zudem gibt es mit Rheinhessen ein kulturell verwandtes Gebiet, das nicht zum Bundesland Hessen gehört. Die hessischen Dialekte (d. h. die Dialekte, die im heutigen Bundesland Hessen gesprochen werden) lassen sich in fünf Gruppen einteilen: 1. Im nördlichsten Zipfel Hessens, nördlich von Kassel, wird teilweise noch Niederdeutsch gesprochen. 2. In der Region nördlich von Marburg an der Lahn bis nach Kassel hin wird Nordhessisch gesprochen. 3. Zentrum des Osthessischen, das östlich des Vogelsbergs gesprochen wird, ist Fulda, das Osthessische wird aber sogar über die Grenzen des heutigen Hessen hinaus gesprochen, bis nach Thüringen hinein. 4. Zwischen Frankfurt im Süden und Marburg an der Lahn im Norden spricht man Zentralhessisch. 5. Südlich des Mains spricht man Rheinfränkisch - das Verbreitungsgebiet dieses Dialekts erstreckt sich nur zu einem kleineren Teil auf hessisches Territorium, gesprochen wird Rheinfränkisch auch in Rheinland-Pfalz und bis nach Baden-Württemberg hinunter.

Der Frankfurter Dialekt war in seiner klassischen Ausprägung, die bis in die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg gesprochen wurde, eine Varietät des Rheinfränkischen, wies aber Einflüsse des Zentralhessischen auf. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es selbst innerhalb Frankfurts noch Unterschiede - während in der Kernstadt Frankfurt selbst Rheinfränkisch dominierte, war in einigen später eingemeindeten Stadtteilen, wie etwa Bornheim, Bockenheim und Eschersheim, das Zentralhessische vorherrschend. Fazit: Frankfurterisch ist ein hessischer Dialekt, aber nicht der hessische Dialekt schlechthin (und wer in Nordhessen Frankfurterisch spricht, wird dort gelegentlich schief angesehen). Sprachwissenschaftlich herrscht übrigens die Auffassung vor, dass es Frankfurterisch im klassischen Sinn (nämlich als von anderen südhessischen Sprachformen klar abgrenzbare Varietät) seit 1945 nicht mehr gebe, da die bis dahin existierenden Abgrenzungen heute verschwunden seien. Mit "Ei, Gude wie" begrüßt man sich in Frankfurt, aber auch im Umland wie etwa im nahegelegenen Wiesbaden ist dieser Gruß nicht ungewöhnlich. Der heute im Rhein-Main-Gebiet gesprochene Dialekt wird vielfach als "Neuhessisch" bezeichnet. Wer von außen kommt, nimmt aufgrund der dominierenden Stellung Frankfurts in der Region diesen Dialekt oft dennoch als Frankfurterisch wahr.

Wie alle Dialekte steht überdies auch die in Frankfurt gesprochene Mundart unter dem Druck des Hochdeutschen, nicht nur durch deutschlandweite Medien, sondern auch weil Frankfurt inzwischen eine ausgesprochen große zugewanderte Bevölkerung hat, mit Migrationshintergrund aus dem Inland wie aus dem Ausland. Wobei es auch zahlreiche Frankfurter mit ausländischem Migrationshintergrund gibt, die - sofern sie in der Stadt aufgewachsen sind - Frankfurterisch sprechen (können). Ausländische Einflüsse hat es in Frankfurt übrigens auch früher schon gegeben - so erkennt man an bestimmten Dialektwörtern einen französischen Einfluss (z. B. an der Bezeichnung "Jardengelsche", von frz. Jardin für Garten, an der gleichzeitig eine Tendenz zur Verwendung von Verkleinerungsformen deutlich wird). Auch die seit Jahrhunderten in der Stadt ansässigen Frankfurter Juden prägten die Stadt mit, und das nicht zuletzt in der Sprache - im klassischen Frankfurterisch gibt es auch Einflüsse aus dem Jiddischen, seltener aus dem Hebräischen.

Schon im 19. Jahrhundert gab es erste Ansätze zur Erschließung des Frankfurter Dialekts. Der Lehrer Johann Joseph Oppel (1815-1894) verfasste umfangreiche Notizen zum Frankfurterischen und entwickelte hierfür eine Lautschrift-Notation; seine Materialien liegen heute im Institut für Stadtgeschichte. Wesentlich waren auch die Forschungen von Hans Ludwig Rauh (1892-1945). Wer sich für den Frankfurter Dialekt in seinen Feinheiten interessiert, kommt an dem 1988 erschienenen sechsbändigen Frankfurter Wörterbuch nicht vorbei, in das die Vorarbeiten der genannten beiden Forscher eingeflossen sind.

 

 

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Textquellen:

Schanze, Rosemarie: Sprache und Gesellschaft in Frankfurt am Main, Waldemar Kramer Verlag, Frankfurt am Main, 1986.

Website von Dr. Carsten Keil zum Frankfurterischen: abgerufen von >https://frankfurterisch.org/< am 19.07.2022.

Webseite zu Dialekten in Hessen: >http://www.syhd.info/ueber-das-projekt/ueber-einblicke/kurzbeschreibung-der-dialekte-hessens/index.html< am 10.07.2022.

Seite der Deutschen Welle zum Hessischen: abgerufen von >https://www.dw.com/downloads/25825548/alltagsdeutsch-hessisch.pdf< am 19.07.2022.

Wolfgang Brückner (Hrsg.): Frankfurter Wörterbuch, 6 Bände plus Registerband, Waldemar Kramer Verlag, Frankfurt, 1988.

 

Bildquellen:

Vorschaubild: 

Hessische Dialekte in der Karte der deutschen Mundarten (1908), entommen aus: F. A. Brockhaus - Brockhaus’ Konversations-Lexikon, 14. Auflage, 4. Band via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

Brentano Gockel Hinkel Gackeleia, 1838, Urheber des Fotos: Foto H.- P. Haack via Wikimedia Commons.

 

 

 

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