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Mitgelaufen

Christoph Werner

Das Buch „Mitgelaufen“ ist nicht wie andere Bücher über das Leben in der DDR. Hier liegt nicht der Fokus auf Mangelwirtschaft, einer allmächtigen Partei und der Staatssicherheit. Der Autor ist auch kein Opfer des Regimes, dem schreckliches widerfahren ist. Er gehört zu der großen Masse derjenigen, die sich als Rädchen im Mechanismus der DDR-Diktatur gedreht haben. Christoph Werner bricht mit seinem Buch das Schweigen der Mitläufer. Er stellt sich seiner eigenen Vergangenheit und dem Wissen, dass er selbst durch seine Zurückhaltung oder auch lautstarke Zustimmung das alte System lange am Leben erhalten hat. Jahrzehnte nach dem Mauerfall eröffnet er damit vor allem der heranwachsenden Generation, welche die DDR nur noch vom Hörensagen kennt, einen ganz neuen Blickwinkel auf ihre Geschichte.

Ohne Anklage und ohne den Versuch der Rechtfertigung wagt er eine kritische Betrachtung aus dem eigenen Erleben und gewährt Einblicke in eine vergangene Zeit.
Möge der Leser nicht mit dem Zeigefinger auf ihn zeigen, sondern sich fragen, wie oft er heute selbst dem Mainstream folgt oder mutig zu sich selbst und seiner Meinung steht.

Das Goldene Lämmchen

Das Goldene Lämmchen

Ralph Zade

Fünf Wohnungen gibt es nun wieder im Goldenen Lämmchen. Fünf Wohnungen, die selbst im für seine hohen Wohnungspreise berüchtigten Frankfurt zum absolut obersten Preissegment gehören dürften und damit Mitgliedern der Frankfurter Oberschicht vorbehalten sind. So war es auch früher schon: Wer während dessen Blütezeit in dem dem Wohnen vorbehaltenen Teil des Messe- und Handelshofs „Goldenes Lämmchen“ in der Frankfurter Innenstadt lebte, gehörte in der Regel der alteingesessenen Frankfurter Kaufmannschaft an und damit dem kleinen Teil der Bevölkerung, der sich um seine materiellen Verhältnisse keine allzu großen Sorgen machen musste. Insofern gibt es Kontinuität.

Die Zeitläufte, die das Goldene Lämmchen durchlitten hat, bis hin zu Zerstörung und Wiedererrichtung, sind vielfältig. Und es haben hier auch nicht immer Wohlhabende gewohnt – das späte 18. und besonders das 19. Jahrhundert brachten einen Verfall der Bausubstanz und dementsprechend lebten hier zeitweise auch ärmere Schichten. Die Baugestaltung war ebenso nicht immer dieselbe – es gibt Teile in gotischem Stil, in dem der Renaissance, des Barocks und auch solche im Jugendstil, die von kontinuierlichen Modernisierungen und Anbauten zeugen. Heute ist das alles eine Rekonstruktion, die modernen Bauvorschriften entspricht, innen Wohnungen bietet, die modernen Standard haben – was impliziert, dass das Innere nicht dem historischen (oder besser gesagt irgendeinem historischen) Zustand gleichkommt – und selbst die Pflasterung des Innenhofs, die fugenfrei erfolgte und somit Pumps-Trägerinnen das Laufen erleichtert, ist an heutige Bequemlichkeitsansprüche angepasst. Original ist an diesem Bauwerk nichts mehr, es handelt sich um einen „schöpferischen Nachbau“, bei dem ein Mittelweg zwischen historischem Erscheinungsbild und modernen Nutzungsansprüchen gesucht wurde. Und doch ist dieser moderne Bau geeignet, zumindest einen ungefähren Eindruck davon zu verschaffen, was das Goldene Lämmchen einmal gewesen ist, wenigstens in dem Teil des Außenbaus, den die Rekonstruktion umfasst.

Seine Ursprünge hat das Goldene Lämmchen, wie die gotischen Bauteile nahelegen, im Mittelalter. Zurückverfolgen lässt sich die Existenz des Baus bis ins 14. Jahrhundert. Der Name „Lämmchen“ soll ursprünglich nicht, wie man vermuten könnte, von einem Hauszeichen herrühren, wie sie in einer Zeit, in der es noch keine Hausnummern gab, zur Identifizierung von Häusern üblich waren, sondern von dem Tuchhändler Johannes Lämmchen, der das Haus ab 1354 bewohnte. Dennoch wurde später – im 18. Jahrhundert – ein goldenes Lamm als Hauszeichen angebracht, das dazu führte, dass der Bau dann allgemein als „Goldenes Lämmchen“ bezeichnet wurde.

Das ursprüngliche Haus zum Lämmchen wurde in den 30er oder 40er Jahren des 15. Jahrhunderts – genau weiß man das nicht – mit dem danebenliegenden Haus Gisenheimer vereinigt. In welcher Weise das geschah, mittels verbindender Bauteile oder durch Abriss und Wiederaufbau, lässt sich heute ebenfalls nicht mehr rekonstruieren, ebenso wenig die Baugestalt – später sollte der Bau zwei quadratische Innenhöfe haben, ob das schon zu dieser Zeit der Fall war, lässt sich nicht mehr feststellen. Was man dagegen noch weiß, ist, dass zwischen 1450 und 1480 auf einer Konsole an der Südwestecke des ersten Stocks eine Madonnenstatue stand, die 1911 (nach anderen Angaben 1909) durch eine Kopie ersetzt wurde und heute im Historischen Museum Frankfurt aufbewahrt wird, was es erlaubte, beim Neuaufbau des Komplexes eine aus Nussbaumholz gefertigte, mit einer der originalen nahekommenden Farbfassung versehene Replik herzustellen, die den Bau nun ziert.

Hausmadonna des Goldenen Lämmchens, 1896

Hausmadonna des Goldenen Lämmchens 2018

Der Bau wurde in der Folgezeit neben Wohnzwecken der jeweiligen Eigentümerfamilie in erster Linie als Messe- und Handelshof genutzt. Ein Teil der Eigentümer lässt sich aus erhaltenen Dokumenten und Urkunden noch rekonstruieren, das ist aber nicht durchgehend möglich. 1693 wurden weite Teile des südlichen Hofs im Barockstil neu errichtet. 1755 wurden weitere Teile des Baukomplexes im Rokokostil umgebaut – bei der Datierung hilft ein heute nicht mehr existierender Brunnen, der neben einem Lämmchen in einer Kartusche dieses Datum zeigte. Bei der Generalüberholung im 18. Jahrhundert erhielt das Gebäude auch ein Mansarddach.

Die Bauaktivitäten zeigen, dass der Messehof florierte und immer wieder erneuert und den Gegebenheiten angepasst wurde. Das änderte sich im 19. Jahrhundert. Durch das Ende des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation im Jahre 1806 verlor Frankfurt seinen Status als Krönungsstadt. Auch die Bedeutung der Messe schwand. Das hatte Auswirkungen auf die Dynamik der Stadt. Die Bedeutung der Altstadt als städtisches Zentrum nahm ab. Man begann, die historischen Bauten zwischen den engen Straßen, deren Bausubstanz vielfach marode zu werden begann, als nicht mehr zeitgemäß zu betrachten. Das führte dazu, dass die Gegend an Status einbüßte und schließlich auch im Goldenen Lämmchen Menschen unterkamen, deren gesellschaftliche Stellung weit unter der lag, die die Bewohner früherer Zeiten gehabt hatten. Das in die Jahre gekommene Goldene Lämmchen war immerhin noch eine historische Sehenswürdigkeit. 1904-1906 erfolgte dann mit dem Bau der Braubachstraße, die durch historische Bausubstanz gebrochen wurde, ohne auf die historische Bedeutung der dadurch verlorengehenden Bauten Rücksicht zu nehmen, ein schwerer Eingriff in das architektonische Gefüge der Frankfurter Altstadt, dem auch der nördliche Hof des Goldenen Lämmchens zum Opfer fiel. 1944 schließlich ging im Feuersturm des Bombenkriegs mit nahezu allen Bauten der historischen Altstadt auch der verbliebene Rest des Goldenen Lämmchens vollständig unter.

Der Innenhof des Gebäudes 1850

Der Innenhof des Gebäudes 2018

 

Im Rahmen des Dom-Römer-Projekts, das zu einer Teilrekonstruktion des zwischen Dom und Römer liegenden Altstadtteils führte, wurde das Goldene Lämmchen als eines von 15 Gebäuden ausgewählt, die man als so bedeutend ansah, dass man sich für einen „schöpferischen Nachbau“ entschied. Diesem Nachbau legte man den Vorkriegszustand zugrunde. Der 2014-2017 errichtete Bau umfasst damit natürlich nur den Teil, der nach dem Teilabriss zu Anfang des 20. Jahrhunderts noch stand. Auch wenn man kein Fachmann für historische Bauten ist, merkt man schon am hervorragenden Zustand des Gebäudes, dass hier kein Originalbau vorliegt – in so guter Verfassung dürfte das Goldene Lämmchen in seiner Geschichte kaum je gewesen sein. Dennoch ist ein Besuch ein Gewinn – ein Gefühl dafür, was hier einst gewesen ist, kann man dabei durchaus gewinnen.

 

*****

Textquellen:

Seite zum Goldenen Lämmchen auf der Website des Dom-Römer-Projekts: abgerufen von >https://www.domroemer.de/hinter-dem-laemmchen-6< am12.10.2022.

Webseite der Architekten und Denkmalpfleger Macholz und Kummer zum Goldenen Lämmchen: abgerufen von >https://www.mk-ad.de/html/projekt/domroemer__hdl6_goldenes_laemmchen/project.html< am 12.10.2022.

Beitrag im Journal Frankfurt zur an der Fassade angebrachten Madonna: abgerufen von >https://www.journal-frankfurt.de/journal_news/Panorama-2/Zierde-fuer-das-Goldene-Laemmchen-Madonna-kommt-in-die-Altstadt-25689.html< am 12.10.2022.

Beitrag in der Frankfurter Rundschau mit Informationen über Wohnungen und Baugestaltung: abgerufen von >https://www.fr.de/frankfurt/wohnhaus-innenhof-goldene-laemmchen-10960781.html< am 12.10.2022.

Johann Georg Battonn, Oertliche Beschreibung der Stadt Frankfurt, Drittes Heft, Frankfurt 1864 (hier: S. 129 ff.): abgerufen von >https://books.google.de/books?id=Q2YAAAAAcAAJ&pg=PA129&hl=de&source=gbs_toc_r&cad=3#v=onepage&q&f=false<

 

 Bildquellen: 

Vorschaubild: Nachbau des Goldenen Lämmchens im Mai 2018, Dmicha via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0 de.

Lämmchenbrunnen von 1755, um 1896 (Fotografie von Carl Friedrich Fay) via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

Hausmadonna auf Konsole mit Wappenschilden, um 1896 (Fotografie von Carl Friedrich Fay) via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

Hausmadonna am rekonstruierten Gebäude, 2018, Urheber: Johannes Robalotoff via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0 de.

Blick von der Torfahrt in den südlichen Innenhof nach Westen, 1856, Aquarell von Carl Theodor Reiffenstein via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

Innenhof des Goldenen Lämmchens, 2018, Urheber: Flibbertigibbetvvia Wikimedia Commons CC BY-SA 4.0.

 

 

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