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Bertuch´s Weltliteratur für junge Leser:

In dieser von Prof. Wolfgang Brekle herausgegebenen Reihe stellen namhafte Literaturexperten bedeutende Autoren vor und erleichtern den Zugang zu ihren Werken. Die Reihe findet großen Anklang und wurde schon zweimal von der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendliteratur zum Buch des Montas gewählt.

 

Bettina von Arnim

Bettina von Arnim

Ulrike Unger

„Ich weiß, was ich bedarf! Ich bedarf, daß ich meine Freiheit behalte!“

Diese entschlossenen Zeilen entstammen der Feder der jungen Bettina von Arnim. Sie sind eine Reaktion auf den Wunsch des Bruders, dass sie sich doch endlich verheiraten solle. Die Worte bewegen, weil sie Lebensbekundungen aus einer Epoche sind, in der sämtliche Vorstellungen vom weiblichen Geschlecht in ein männliches Weltbild eingebunden waren, nach dem eine Frau zu funktionieren hatte. Wandeln wir doch ein wenig auf den Spuren einer faszinierenden Frauengestalt der deutschen Geschichte.

Bettina wird 1785 in die vermögende, in Frankfurt am Main ansässige Kaufmannsfamilie der Brentanos hineingeboren. Als siebentes von zwölf Kindern erzieht man sie nach dem Tod der Mutter zunächst in der Ursulinenschule in Fritzlar. Mit 13 Jahren nimmt sie ihre Großmutter, die seinerzeit berühmte Schriftstellerin Sophie La Roche, in ihre Obhut. Bettina Brentano hat einen wachen Geist, kühne Vorstellungen, sie ist unangepasst und frech. Ihre Geschwister bezeichnen sie gar als „Hauskobold". Einst soll sie sich gegen den begrüßenden Handkuss Johann Gottfried Herders, der auf Besuch ins Haus der Großmutter kam, mit einer schallenden Ohrfeige zur Wehr gesetzt haben. Herder allerdings muss die Tat gelassen aufgenommen haben. Denn er bescheinigt ihr im Nachhinein einen starken Willen, den sie zu ihrem eigenen Glück gebrauchen solle. Die selbstbewusste, schreibende Großmutter, die als angesehene Salonnière vielfältige Kontakte zur Literatur- und Kulturszene der Zeit pflegt, lehrt Bettina Latein und lässt ihr den Freiraum viele Bücher zu lesen. Es sind die folgenden Jahre, die die Heranwachsende sehr prägen.

Da ist zu allererst ihre Bekanntschaft mit Karoline von Günderrode, die in einem Frankfurter Damenstift lebt. Von der sensiblen, tiefgründigen jungen Künstlerin ist Bettina sofort angetan. Sie besucht sie täglich, vertraut ihr all die Dinge an, über die sie innerhalb der Familie nicht reden kann. Die Freundinnen diskutieren eigene Lebensentwürfe, philosophieren über Sinnlichkeit, Genuss und Humanität, entwerfen eine Religion der Lebensfreude. Es gibt beiden Kraft, dass jede mit ihren Ideen nicht allein ist. In engem Kontakt steht Bettina auch mit ihrem Bruder Clemens Brentano, dem angehenden Dichter, mit dem sie gemeinsam die Gedanken der Jenaer Frühromantik bespricht.
Sie fürchtet sich vorm Philisterleben und Nichtstun, allerdings stoßen ihre Ansprüche auf Eigenständigkeit und eine erfüllende Tätigkeit auf Unverständnis. Ist Resignation der Grund, warum sich Bettina Brentano, die das übliche Heiratsalter bereits überschritten hat, schließlich doch in die Ehe mit einem Mann begibt? 1811 wird sie mit Achim von Arnim getraut, dem Freund ihres Bruders Clemens Brentano und Mitherausgeber der Liedersammlung „Des Knaben Wunderhorn". Zwanzig Jahre währt der eheliche Bund, den Bettina, die jetzt adlig ist, und Achim aber überwiegend getrennt voneinander verbringen. Während Achim sein Gut in Wiepersdorf versorgt, ist Bettina in Berlin heimisch geworden. Der Alltag von Mutterschaft - sie gebar sieben Kinder - und Hausarbeit holt sie schnell ein. Der „Mottenfraß der Häuslichkeit", gegen den sie sich als wilde Heranwachsende immer zur Wehr gesetzt hat, lässt sie kaum atmen. Die langen, gleichförmigen Ehejahre scheinen einer Selbstverleugnung gleichzukommen. Was Bettina damals zusammen mit Karoline erträumt hatte, die „Schwebereligion", die gesellschaftlichen Umwälzungen, sind all diese Gedankenexperimente nur Schall und Rauch geblieben?

1831, nach dem plötzlichen Tod Achim von Arnims, kommt für Bettina der Umbruch. Sie besinnt sich neu. Sie will ihr Leben nicht wirkungslos beenden, möchte mitten in ihm stehen, nicht an dessen Rande. Als sie endlich zu schreiben beginnt, ist sie schon eine Frau um die fünfzig. Doch nun hält es sie wie ein Fieber gepackt. Es ist der radikale Geist der romantischen Utopien, der sie vor Jahrzehnten mit der Freundin beflügelte, den sie jetzt literarisch wieder aufnimmt. Sie nutzt den realen Briefwechsel mit Karoline für ihren Briefroman „Die Günderode" (1840), verleiht auf diese Weise der alten Freundschaft künstlerisch Gestalt. Sie schreibt Gedichte, müht sich um die Gunst Johann Wolfgang von Goethes, den sie verehrt. Eine wirklich freundschaftliche Verbindung entsteht aber nur mit dessen Mutter. Die schriftliche Konversation mit Goethe, zu der es schließlich doch kommt, ist ihr als Vorlage für ihren Roman „Goethes Briefwechsel mit einem Kinde" (1835) dienlich. Bettina von Arnim nimmt außerdem die Veröffentlichung der Werke ihres Mannes vor und unterhält Kontakte zu namhaften Persönlichkeiten, wie Friedrich Schleiermacher, Robert Schumann oder den Brüdern Jakob und Wilhelm Grimm. Als die Märzrevolution ihre Vorboten sendet, verfasst sie das sozialkritische Werk „Dies Buch gehört dem König" (1843). Sie unterstützt die Brüder Grimm, als sie von der Zensur bedroht werden. Sie engagiert sich unermüdlich in den Berliner Elendsvierteln, hilft den Choleragepeinigten und wird nicht müde, dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV. ihre Vorstellungen von staatlichen Reformen zur Linderung der Armut anzutragen. Sie kämpft mit dem Wort gegen Judenhass und die Todesstrafe. Mut gehört dazu, viel Mut, sich in diesen gefährlichen Zeiten politisch zu äußern, zudem als Frau. Immer wieder sieht sie sich der Zensur gegenüber. Aber Bettina von Arnim ist unerschrocken, voller Energie bis ins hohe Alter. Ihre kindlich-rebellische Freiheit hat sie sich zurück geholt.

Eine Leidenschaft war ihr eigen, die man heute unter den Menschen merkwürdig vermisst.

 

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Textquellen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Bettina_von_Arnim
http://www.zeit.de/2009/47/Vorbilder-Arnim
Norgard Kohlhagen: „Sie schreiben wie ein Mann, Madame!". Schriftstellerinnen aus zwei Jahrhunderten. München: Allitera 2001.
Christa Wolf: Nun ja! Das nächste Leben geht aber heute an. Ein Brief über die Bettine. In: Die Dimension des Autors. Aufsätze. Essays. Gespräche. Reden. Bd. II. 2. Auflage. Berlin: Aufbau 1989.

Bildquellen:
Ludwig Emil Grimm "Bettina von Arnim" ca. 1800-1810; gemeinfrei, wikpedia

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