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Horst Nalewski

Goethe hat ihn bewundert

Goethes Begegnungen mit Felix Mendelssohn Bartholdy

Der Musikkenner und international geachtete Literaturwissenschaftler Horst Nalewski erzählt anhand fünf ausgewählter Beispiele von dem außergewöhnlichen Aufeinandertreffen und Zusammenwirken zweier Künstler. Hörbeispiele sind über QR-Codes abrufbar.

Friedrich Dessauer

Friedrich Dessauer

Sabine Gruber

„Wir wußten, daß mit jedem Apparat im Laufe der Zeit hunderte, ja tausende Male in Durchleuchtung und Radiogramm die Diagnose und dadurch die rechte Behandlung der Kranken ermöglicht und erleichtert wurde.“ Diese optimistischen Worte schrieb der in Frankfurt tätige Physiker und Ingenieur Friedrich Dessauer in seinem Werk "Streit um die Technik" über die noch relativ neue Röntgentechnik, der er einen Großteil seiner Forschungsarbeit gewidmet hatte. Allerdings schränkte er seine Äußerungen gleich wieder durch Hinweise auf die großen Gefahren dieser Technik ein. Nicht nur seine Mitarbeiter, sondern auch er selbst hatten bei ihrer Arbeit schwere Strahlenschäden erlitten.

Friedrich Dessauer war am 19. Juli 1881 im nahe gelegenen Aschaffenburg als jüngstes Kind in eine kinderreiche Fabrikantenfamilie hineingeboren worden, die sich in der Stadtgesellschaft und der katholischen Kirche engagierte. Friedrich Dessauers Mutter war mit der Familie Christian Brentanos (1784-1851), des jüngeren Bruders von Clemens Brentano (1778-1842), befreundet, der sich im Alter mit seiner Familie in der Bischofsstadt niedergelassen hatte. Sein Urgroßvater, der Kaufmann und ehemalige Kurmainzische Hofbankier Aron Baruch Dessauer, war 1798 nach Aschaffenburg gekommen und dort 1805 mit seiner Familie zum katholischen Glauben konvertiert. 1810 hatte er die Aschaffenburger Buntpapierfabrik gegründet. Sein Großvater Franz Johann Dessauer (1805-1872) war zunächst in die Fabrik des Vaters eingetreten und hatte 1851 eine eigene Fabrik, die „Franz Dessauer’sche Buntpapierfabrik“ gegründet, die sein Vater Philipp Dessauer (1837-1900) übernommen hatte. Die technikaffine und innovationsfreudige Atmosphäre in seiner Familie beeinflusste den jungen Friedrich Dessauer, der schon früh begann, sich für Naturwissenschaften und Technik zu begeistern.

Das Friedrich-Dessauer Haus - ein Studentenwohnheim in Frankfurt-Hausen
Das Friedrich-Dessauer Haus - ein Studentenwohnheim in Frankfurt-Hausen

Er begann ein Studium der Physik und Elektrotechnik in München und Darmstadt, musste aber zunächst, mit nur 19 Jahren, nach dem Tod seines Vaters dessen Fabrik übernehmen und konnte sein Studium erst ab 1914 in Frankfurt fortsetzen, wo er nach dessen Abschluss 1917 seine wissenschaftliche Karriere begann. Beim erneuten Beginn seines Studiums war er bereits – seit 1909 – mit Elisabeth Elshorst verheiratet. Dessauer konzentrierte sich jetzt auf die Erforschung röntgendiagnostischer und -therapeutischer Verfahren und begründete mit seinen Forschungen zu Beginn der 20er Jahre die Quantenbiologie mit. 1922 wurde er ordentlicher Professor an der Universität Frankfurt und Gründungsdirektor des Instituts für physikalische Grundlagen der Medizin.

Neben seiner wissenschaftlichen Arbeit engagierte Dessauer sich politisch und wurde zunächst, von 1919 bis 1924, Frankfurter Stadtverordneter der Zentrumspartei, die er von 1924 bis 1933 im Berliner Reichstag vertrat. Daneben trat er auch als katholischer Publizist hervor und gründete 1923 die "Rhein-Mainische Volkszeitung". In einem kurzen Beitrag für "Das katholische Frankfurt" befasste er sich mit der besonderen Situation der Katholiken in modernen Großstädten, in denen kirchliches Engagement nichts Selbstverständliches mehr war, und schrieb: „[...] es gehört besondere Kraft dazu, in der Großstadt wirklich katholisch zu sein“, stellte jedoch auch fest: „Man kann mitten im Lärm, im Tagesdienst Gott nahe sein, religiös sein, Katholik sein“. Auch sein Verständnis von Technik war durch seinen Glauben beeinflusst, wenn er in seinem Buch "Streit um die Technik" diese als Dienst am Nächsten auffasste und den „technischen Prozeß als [...] Entbergen von vorgeformten Möglichkeiten nach Art platonischer oder göttlicher Ideen“ – so Wolfgang Holeschak – auffasste.

Bereits in den 20er Jahren war Dessauer Intrigen seines in Konkurrenz zu ihm stehenden, antisemitisch eingestellten und im völkischen Milieu verwurzelten Frankfurter Kollegen Hans Holfelder (1891-1944) ausgesetzt, der mit ihm 1923 zudem eine öffentliche Kontroverse über Forschungsdaten ausfocht. In der von ihm gegründeten "Rhein-Mainischen Volkszeitung" warnte Dessauer die Leserinnen und Leser vor dem Nationalsozialismus. 1933 enthoben ihn die Nationalsozialisten seiner Ämter und verhafteten ihn wenig später. Der Prozess endete zwar mit einem Freispruch, 1934 wurde Dessauer jedoch aufgrund seiner jüdischen Abstammung zwangsweise in den Ruhestand versetzt. Nachdem sich ihm die Möglichkeit bot, seine Forschungen in der Türkei fortzusetzen, emigrierte er mit seiner Frau und seinen jüngeren Kindern dorthin. An der Universität Istanbul wurde er Professor für Radiologie und Biophysik und begann darüber hinaus, dort neue Universitätsinstitute aufzubauen. 1937 ging er in die Schweiz und wurde Direktor des Physikalischen Instituts der Universität Fribourg. Erst zu Beginn der 50er Jahre nahm er wieder seine Lehrtätigkeit in Frankfurt auf und zog erneut dorthin. Erst 1949 hatte er wieder die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten, die ihm 1941 aberkannt worden war. 1963 starb Friedrich Dessauer in Frankfurt an den Spätfolgen der hohen Strahlenbelastung, der er während seiner wissenschaftlichen Arbeit ausgesetzt war.

Neben der Friedrich-Dessauer-Straße, die im Frankfurter Stadtteil Riedberg zwischen der Altenhöfer Allee und der Robert-Koch-Allee verläuft, erinnert heute das nach Friedrich Dessauer benannte Gymnasium im Stadtteil Höchst an den berühmten Physiker, Ingenieur und Publizisten.

 

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Textquellen

Friedrich Dessauer: Der Katholik in der Großstadt in: Das katholische Frankfurt, Jahrbuch der Frankfurter Katholiken, Frankfurt am Main, 1928, S. 29-31.

Hock, Sabine: Dessauer, Friedrich: Artikel aus der Frankfurter Biographie (1994/96) in: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe) abgerufen von >https://frankfurter-personenlexikon.de/node/2002< am 25.01.2023.

Holeschak, Wolfgang: Vertrauen durch Partizipation: Strategien zum Umgang mit riskanten Technologien, Wiesbaden, 2000, (daraus das Zitat aus Dessauers Werk "Streit um die Technik").

Ropohl, Günter: Friedrich Dessauer's Verteidigung der Technik in: Zeitschrift für philosophische Forschung, 1988, Bd. 42, Heft 2, S. 301-310.

Schmidt, Mathias; Winzen, Tina; Groß, Dominik: Professor Hans Holfelder, Gauleiter Jakob Sprenger und die Röntgenologie in Frankfurt am Main in: Die Ärzte der Nazi-Führer. Karrieren und Netzwerke: Schmidt, Mathias; Groß, Dominik; Westemeier, Jens (Hrsg.), Berlin/ Münster, 2018, S. 257-284.

>https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Dessauer< abgerufen am 25.01.2023.

>https://de.wikipedia.org/wiki/Alois_Dessauer< abgerufen am 25.01.2023.

>https://www.fdg-frankfurt.de/< abgerufen am 25.01.2023.

 

Bildquellen:

Vorschaubild: Friedrich-Dessauer-Gymnasium in Frankfurt-Höchst, 2006, Urheber: A. Köhler via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0.

Friedrich-Dessauer-Haus, Frankfurt-Hausen (Studentenwohnheim), 2007, Urheber: T. Hedderich via Wikimedia Commons CC BY-SA 2.5.

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