Vor allem zwei Objekte erinnern heute in Frankfurt an Karl Konstanz Viktor Fellners Tod. Das eine – eine Gedenkplakette, die sich in der Friedberger Anlage befindet – markiert den Ort, wo sich einst das Fellnersche Gartengrundstück in der Seilerstraße befand; in seinem Garten nahm er sich am 24.7.1866 das Leben. Das zweite ist die Totenmaske Fellners im Historischen Museum der Stadt Frankfurt.
Dass gerade der Tod Fellners seinen Platz im kulturellen Gedächtnis der Stadt hat – oder zumindest lange Zeit hatte, denn heute ist er vielen Frankfurtern nicht mehr präsent – ist kein Zufall. Sein Suizid hat mit der Annexion Frankfurts durch Preußen zu tun, dem Untergang der Freien Stadt Frankfurt also, und manche Zeitgenossen meinten, er habe sich aus Gram über diesen Verlust der Unabhängigkeit das Leben genommen – er, der in diesem Moment Älterer Bürgermeister und damit oberster Repräsentant dieser Freien Stadt war. Ganz so einfach ist es nicht – und doch ist sein Tod mit dem Verlust der Frankfurter Unabhängigkeit eng verbunden.
Geboren wurde Karl Konstanz Viktor Fellner, dessen erster und zweiter Vorname teils auch mit „C“ geschrieben werden, am 24.7.1807, also an dem Tag im Jahr, der auch sein Todestag sein würde. Sein Vater Johann Christian Fellner war Bankier. Auch Fellners Frau Jeanette, mit der er seit 1845 verheiratet war, war Bankierstochter. Zu Fellners acht Geschwistern gehörten die Brüder Ferdinand Michael August Fellner (1799-1859), bekannt geworden als Zeichner und Buchillustrator, und Christian Alexander Fellner (1800-1883), der sich unter anderem als Waffensammler betätigte – seine Sammlung befindet sich heute im Frankfurter Historischen Museum. Karl Konstanz Viktor machte eine kaufmännische Lehre und arbeitete dann in der Wollfirma von Carl Welcker, einem Bruder seiner Mutter Dorothea. In den folgenden Jahrzehnten betätigte er sich auch in anderen kaufmännischen Sparten, u. a. in der Leitung von zwei Chemieunternehmen. 1848 wurde er Mitglied der Handelskammer und begann dann, sich auch politisch zu engagieren, was für Mitglieder des Frankfurter Kaufmannsstands nicht ungewöhnlich war.
1852 wurde Fellner Mitglied des Senats, des höchsten Exekutivgremiums der Stadt, das man nicht mit einem demokratisch gewählten Senat im heutigen Sinn verwechseln darf – neue Mitglieder, die dann auf Lebenszeit amtierten, wurden durch ein kompliziertes Verfahren ergänzt und es gab restriktive Voraussetzungen, um Mitglied werden zu können. Im Senat befasste sich Fellner, der der liberalen Gothaischen Partei zuzurechnen war, vor allem mit Fragen der Finanzverwaltung der Stadt. In der ersten Hälfte der 50er Jahre gehörte er überdies zeitweise dem Gesetzgebenden Körper an, in dem bis 1856 20 Mitglieder durch den Senat und 20 durch die Ständige Bürgerrepräsentation gestellt wurden – weitere 45 wurden über ein Wahlkollegium von den Bürgern bestimmt. Fellners Vorstellungen für die Stadtpolitik waren im damaligen Sinn liberal und wirtschaftsfreundlich. D. h. er trat für Gewerbefreiheit ein, für die Aufhebung noch aus dem Mittelalter stammender Zunftbeschränkungen, für den Hafenausbau und den Ausbau des Mains, um den Fluss als Handelsweg besser zu erschließen.
Oberhäupter der Stadtregierung waren nach der Verfassung der Freien Stadt Frankfurt, der Konstitutionsergänzungsakte, der Ältere und der Jüngere Bürgermeister, wobei der Ältere den Vorsitz im Senat führte und für die Vertretung der Stadt nach außen und Militärangelegenheiten zuständig war, während der Jüngere sich u. a. mit Inneren Angelegenheiten und der Polizei zu befassen hatte. Beide Ämter wurden jeweils für ein Jahr besetzt; eine unmittelbare Wiederwahl war nicht möglich. Jüngerer Bürgermeister war Fellner in den Jahren 1857, 1862 und 1864, bevor er im Dezember 1865 zum Älteren Bürgermeister für das Jahr 1866 bestimmt wurde.
1866 – das war das Jahr des Deutschen Krieges, in dem sich Preußen und seine Verbündeten auf der einen Seite und die süddeutschen Staaten mit Österreich an der Spitze auf der anderen gegenüberstanden. Der Krieg zementierte die Dominanz Preußens und war letztlich die Vorstufe zur deutschen Einigung – freilich ohne Österreich. Frankfurt stand in ihm auf der Seite der süddeutschen Staaten, also der Verliererseite. Das blieb nicht ohne Auswirkungen. Die Stadt wurde von preußischen Truppen besetzt (und schließlich annektiert), am 18.7. übernahm Preußen offiziell die Macht.
Wie verhielt sich Fellner als Stadtoberhaupt in dieser Situation? Anders als man meinen könnte, war er den Preußen gegenüber durchaus kooperativ. Er ließ sich von der Besatzungsmacht als Regierungsbevollmächtigter einsetzen. Problematisch wurde allerdings die Frage der von den Preußen geforderten Kontributionen. Eine erste Kontributionsforderung vom 17.7. in Höhe von 5,5 Millionen Gulden hatte die Stadt erfüllt. Als am 20.7. eine zweite Forderung in Höhe von 25 Millionen Gulden gestellt wurde – eine selbst für das reiche Frankfurt enorme Summe – plädierte Fellner für eine Erfüllung mittels Ratenzahlung. Er garantierte persönlich für eine Anleihe bei der Frankfurter Bank, weil er fälschlich davon ausging, dass Gesetzgebender Körper und Ständige Bürgerrepräsentation angesichts der im Raum stehenden Drohung mit einem preußischen Bombardement der Stadt auch der zweiten Kontribution zustimmen würden. Das taten sie dann aber nicht – vielmehr lehnten sie am 23.7. die Zahlung ab. Fellner stand nun vor dem Problem seiner persönlichen Haftung, dazu kam, dass die Besatzer Auskunft über die Mitglieder der Frankfurter Stadtgremien und ihre Vermögensverhältnisse von ihm forderten. Im Loyalitätskonflikt zwischen seinen Verpflichtungen als preußischer Beauftragter und als Vertreter der Stadt Frankfurt, zudem vom persönlichen Bankrott bedroht, wählte er den Freitod durch Erhängen in seinem Garten.
Fellners Beerdigung fand am 26.7.1866 um 4 Uhr 30 morgens auf dem Frankfurter Hauptfriedhof statt. Der Termin war auf Bestreben der preußischen Besatzer nicht öffentlich gemacht worden. Dennoch folgten 6.000 Frankfurter Bürger dem Sarg. Fellner wurde weithin als Märtyrer angesehen. Ein unbekannter, unter dem Pseudonym „Alberti“ auftretender Autor machte sein Schicksal ein Jahr später zum Gegenstand des Dramas „Der letzte Bürgermeister der freien Stadt Frankfurt a. M.“ (Das im Antiquariatshandel nahezu unauffindbare Stück lässt sich als digitalisierte Version in der Bayerischen Staatsbibliothek im Internet lesen, siehe Link unten.) Auch in dem 1868 erschienenen Roman „La terreur prussienne“ von Alexandre Dumas dem Älteren tritt Fellner auf – hier empfiehlt es sich, das französische Original zu lesen, denn die deutsche Version „Der Schleier im Main“ ist keine Übersetzung, sondern eine freie Inhaltswiedergabe.
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Textquellen:
Webseite zur Totenmaske Fellners im Historischen Museum abgerufen von >https://historisches-museum-frankfurt.de/de/node/33708< am 31.05.2023.
Seite zur Gedenkplakette in der Friedberger Anlage abgerufen von >https://www.kunst-im-oeffentlichen-raum-frankfurt.de/de/page32.html?id=41&standort=28< am 31.05.2023.
Frost, Reinhard: Fellner, Carl in: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe) abgerufen von >https://frankfurter-personenlexikon.de/node/2165< am 31.05.2023.
Fellner in der Deutschen Biographie abgerifen von >https://www.deutsche-biographie.de/ppn116460342.html< am 31.05.2023.
Seite zu Fellners Selbstmord abgerufen von >https://weltexpresso.de/index.php/heimspiel/7635-der-selbstmord-des-buergermeisters-fellner< am 31.05.2023.
Link zur digitalisierten Version des Dramas „Der letzte Bürgermeister der freien Stadt Frankfurt a. M.“ abgerufen von >https://www.digitale-sammlungen.de/de/view/bsb10104300?page=3< am 31.05.2023.
Bildquellen:
Vorschaubild: Carl Constanz Viktor Fellner, Urheber: unbekannt via Wikiemedia Commons Gemeinfrei; neu bearbeitet von Carolin Eberhardt.
Fellner-gedenktafel, 2008, Urheber: Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0 de.
viaTrauerzug Begraebnis Viktor Fellner 1866, Urheber. Heinrich Hasselhorst via Wikimedia Commons Gemeinfrei.