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Im Lerchenwald

"Je älter ich werde, umso mehr erscheint mir
mein Lebensgebäude hell erleuchtet,
aber es ist leer, nur in einem Raum steht
ein kleiner Karton mit Erkenntnis.
Er bleibt dort, bis die neuen Mieter einziehen."

Diese Zeilen sind der Aphorismensammlung vorangestellt und deuten bereits darauf hin, dass die einzelnen vielfältigen Verse und Gedanken die Gesamtheit eines ereignisreichen Lebens widerzuspiegeln suchen.
"Das Leben ist ein Abenteuer, denn niemand weiß, wie es ausgeht."

Georg Flegel

Georg Flegel

Sabine Gruber

Leuchtend rote Kirschen, kristallin schimmerndes Zuckerwerk in ungewöhnlichen Formen, funkelnder Wein in kostbaren Pokalen, Arrangements aus Früchten, Brot, Käse, Fleisch und Fisch, Alltägliches wie Spiegeleier, damals seltene kulinarische Köstlichkeiten wie Austern und Artischocken, aber auch Fliegen und andere Insekten, die sich auf all den Leckereien niedergelassen haben und bei denen man oft zweimal hinschauen muss, um zu erkennen, ob sie nun auf dem Bild krabbeln oder doch Teil des Bildes sind. Das ist der unverkennbare Stil von Georg Flegel, einem der bedeutendsten frühen Stillleben-Maler, der zwar aus Mähren stammte, aber den wichtigsten Teil seiner künstlerischen Laufbahn in Frankfurt verbrachte. Frankfurt mit seinem wohlhabenden und kunstaffinen Bürgertum bot in der Barockzeit ein für derartige, der bürgerlichen Repräsentation dienende wie den barocken Vanitas-, also Vergänglichkeitsgedanken, in Erinnerung rufende Stillleben inspirierendes Umfeld. Flegel war dann auch sehr erfolgreich als Frankfurter Maler.

1566 war Georg Flegel im damals zahlreiche Tagesreisen von Frankfurt entfernten Olmütz als Sohn eines Schuhmachers geboren worden. Wie er seine Kindheit und Jugend verbrachte, ist kaum bekannt. Überhaupt ist vieles in seiner Biographie rätselhaft geblieben. Sicher ist nur, dass Flegel seine Heimat bereits früh verließ und dabei vermutlich vor den Auswirkungen der Gegenreformation floh. Er lebte dann zunächst in Wien und Linz, wo er den flämischen Maler Lukas van Valkenborch (1535-1597) kennenlernte und dessen Schüler und Mitarbeiter wurde. Van Valkenborch war es auch, auf dessen Betreiben Georg Flegel nach Frankfurt am Main kam, wo sein Aufenthalt seit 1594 urkundlich nachweisbar ist, weil in diesem Jahr das erste Kind Flegels und seiner Frau Brigitta getauft wurde, der Sohn Martin. Schon wenige Jahre später, 1597, erhielt Flegel das eigentlich nicht leicht zu erwerbende Frankfurter Bürgerrecht. In den folgenden Jahren bekam Brigitta Flegel sechs weitere Kinder, die jedoch alle relativ jung starben und von ihren Eltern überlebt wurden.

Zum Stillleben-Maler wurde Flegel als Mitarbeiter von van Valkenborch, weil dieser wohl sein Talent für sehr detailreiche Darstellungen von Früchten und Blumen erkannt und ihn darum gebeten hatte, seine Bilder mit derartigen Bilddetails zu bereichern, eine Praxis der Arbeitsteilung zwischen Malern, die damals nicht selten war. Eigene Bilder mit dem von ihm am besten beherrschten Genre des Stilllebens – das damals noch neu war – malte Flegel etwa seit der Jahrhundertwende. Von diesen ersten Bildern sind jedoch keine mehr erhalten. Die überlieferten eigenständigen Stillleben Flegels sind erst auf die Zeit nach 1610 zu datieren. Er hatte damals zunehmend Erfolg und erhielt viele Aufträge, darunter auch solche von hochgestellten Persönlichkeiten wie Maximilian I. von Bayern, für den er ein persönliches Gebetbuch mit Miniaturen verzierte. Der berühmte Maler, Kupferstecher und Kunsthistoriker Joachim von Sandrart (1606-1688) schrieb im Rückblick über Flegel „Unter den lobwürdigsten Künstlern der Stadt Frankfurt war nicht der geringsten einer gewesen unser glücklicher Nachahmer des Lebens an Obst, Früchte, Fischen und allerley Metall, Georg Flegel, der alles so vernünftig, fleißig und besonders natürlich gemalt, daß alle Liebhaber sich bestrebet, etwas von ihm zu erhalten, absonderlich die allda wohnende niederländische Nation, die seine Werke stark gesucht, also daß, obwohlen er hurtig und geschwind in der Arbeit war, er dennoch nicht alle kontentieren und erfreuen können“. Der ungenannte Verfasser des „Raissonierenden Kunstgemälde-Katalogs“ der Kunstsammlung des Johann Georg Deuringer in Augsburg, der diese Äußerung Sandrarts über Flegel wiedergibt, schreibt außerdem über eines in der Sammlung enthaltenen Bilder Flegels: „ Ein vortrefliches Früchtegemälde. Im innern eines Salons liegen Gartengewächse und Baumfrüchte von auserlesener Gattung, theils in Körben, theils auf der Erde umher. Alles in Naturgröße, von kühner Art, großer Wahrheit und warmen Kolorit.“

Auffällig sind auf Flegels Bildern wiederkehrende Gegenstände wie beispielweise ein Römerglas mit Nuppen am Fuß. Um derart detailreich malen zu können wie er es tat, muss Flegel damals moderne technische Hilfsmittel wie Lupen und Mikroskope verwendet haben. Auch bei seinen Darstellungen von Blumen, Früchten und Insekten machte er sich wissenschaftliche Erkenntnisse seiner Zeit zu Nutze. Aus dem Jahr 1630 ist ein Selbstporträt Flegels erhalten, das den Maler in einem ovalen Bildrahmen vor einem Stundenglas zeigt – auch das wohl eine Anspielung an die Bedeutung der Vergänglichkeit in der Kultur des Barock. Flegel wirkt auf dem Bild wie ein arrivierter, im Stil der Zeit gekleideter Bürger und blickt, dem Sujet angemessen, ernst.

Im 20. Jahrhundert erwarb das Frankfurter Städelsche Kunstinstitut mehrere charakteristische Spätwerke Flegels wie das 1637 entstandene „Stillleben mit Brot und Zuckerwerk“. Das Frankfurter Historische Museum widmete Flegel 1993 seine viel beachtete Ausstellung „Georg Flegel (1566-1638), Stilleben“.

 

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Textquellen:

Frankfurt-Lexikon: Mit einem Stadtplan herausgegeben von Waldemar Kramer, Sechste, neubearbeitete Ausgabe, Frankfurt a. M., 1973.

Raissonierender Kunstgemälde-Katalog und Beschreibung der größtentheils niederländischen, auch aus mehreren italienischen, altdeutschen und modernen Kabinetstücken bestehenden Gemälde-Sammlung des G. Deuringer zu den drey Mohren in Augsburg, 1813.

Müller, Wolfgang J.: "Flegel, Georg" in: Neue Deutsche Biographie 5 (1961), S. 230 [Online-Version] abgerufen von >https://www.deutsche-biographie.de/pnd118683896.html#ndbcontent< am 03.03.2022.

>https://de.wikipedia.org/wiki/Georg_Flegel< abgerufen am 03.03.2022.

>https://de.wikipedia.org/wiki/Lucas_van_Valckenborch< abgerufen am 03.03.2022.

>https://sammlung.staedelmuseum.de/de/werk/stillleben-mit-brot-und-zuckerwerk< abgerufen am 03.03.2022.

>https://www.kulturstiftung.de/georg-flegel-sanduhr-und-suedfruechte/< abgerufen am 03.03.2022.

>https://www.smb.museum/ausstellungen/detail/georg-flegel-1566-1638-die-aquarelle/< abgerufen am 03.03.2022.

 

Bildquellen:

Vorschaubild: Georg Flegel Selbstportrait, 1630 via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

Imbiss mit Spiegeleiern, ca. 1600, Urheber: Georg Flegel via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

Schloss Neugebäude Wien Valckenborch, 1593, Urheber: Lucas van Valckenborch via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

Stilleben mit Prunkgeschirr und Magd, 1600, Urheber: Lucas van Valckenborch und Georg Flegel via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

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