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Florian Russi

Schaubühne

Insgesmt 8 Theaterstücke von Florian Russi mit unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden für Kinder- und Jugendgruppen warten darauf, von kleinen Künstlern belebt zu werden.

Lilly von Schnitzler

Lilly von Schnitzler

Ralph Zade

Frankfurt, Westendstraße 41. Eine Villa in einer der besten Wohngegenden der Stadt. Das Innere des klassizistischen Baus aus den 70er Jahren des 19. Jahrhunderts ist von einem der profiliertesten Architekten der Moderne umgestaltet worden, von Martin Elsaesser nämlich. Umgebaut wurden Treppenhaus, Speise-, Schlaf und Badezimmer, im Sinne einer Kombination von Elementen der Moderne mit Traditionselementen, wie man es bei Elsaesser, der in Bezug auf die stilreine Umsetzung von Elementen der Moderne weniger puristisch ist als der in dieser Zeit als Stadtbaurat wirkende Ernst May, öfter findet. Soweit das Interieur von sachlicher Strenge geprägt ist, bietet das eine Möglichkeit zur Präsentation von Kunstwerken. Denn die Hausherrin, die die 1926/27 umgestaltete Villa gemeinsam mit ihrem Mann bewohnt, hat eine große Affinität zur Kunst, was sich nicht nur in Bilderbesitz ausdrückt, sondern auch darin, dass der von ihr geprägte Salon – sie ist die vielleicht bedeutendste Salonnière im Frankfurt jener Zeit – nicht zuletzt von Künstlern frequentiert wird.

Eine besonders enge Beziehung verbindet sie mit Max Beckmann, von dem sie bis zu ihrem Lebensende 21 Werke erwirbt und mit dem sie trotz widriger Zeitläufte Kontakt hält, auch als er ins Exil geht. Sein wohl bekanntestes Porträt von ihr – er hat mehrere geschaffen –, entstanden 1937 in Amsterdam, zeigt sie in einem schwarzen Kleid mit weißer Bordüre, das Haar in einem der Mode der Zeit entsprechenden Kurzhaarschnitt, geschminkt und mit lackierten Fingernägeln, vor Blumen und einer hellgrünen Tapete, an der linken Seite vor einem blauen Vorhang. Eine selbstbewusste und stilbewusste Frau.

Das Selbstbewusstsein wird ihr in die Wiege gelegt worden sein, denn sie stammt aus sehr wohlhabenden Verhältnissen. Lilly von Schnitzler wird am 25.6.1889 als Lilly von Mallinckrodt geboren, ihr Vater ist der Industrielle Wilhelm Arnold von Mallinckrodt (1864–1930). Auch ihr Mann, Georg von Schnitzler (1884-1962), den sie 1910 in Antwerpen heiratet, ist begütert – er macht später bei den Farbwerken Höchst Karriere. Seit 1919 ist das Ehepaar dadurch dauerhaft in Frankfurt ansässig. 1926 wird Georg von Schnitzler ordentliches Vorstandsmitglied der I. G. Farben und bleibt es bis 1945. Möglich ist das nur, indem er Kompromisse mit den Nazis macht. Nicht nur das – er macht sich teilweise auch schuldig und wird 1948 wegen „Raub und Plünderung“ zu fünf Jahren Haft verurteilt, dann aber bereits 1949 entlassen.

Die Protagonisten des Frankfurter Kulturlebens, die sich vor der Nazizeit im Salon Lillys von Schnitzler treffen, sind Vertreter eines eher konservativ geprägten Kulturverständnisses – darunter u.a. der Hochstiftsdirektor Ernst Beutler, der Schriftsteller Rudolf G. Binding, der Ethnologe Leo Frobenius, der Schauspieler Heinrich George, der Philosoph Hermann Graf Keyserling und der Städel-Direktor Georg Swarzenski. Viele von ihnen werden sich später mehr oder weniger mit den Nazis arrangieren, einzelne, wie Swarzenski und auch der Lilly von Schnitzler enger als alle anderen verbundene Max Beckmann, dagegen ins Exil gehen. Auch zu Vertretern der liberalen Frankfurter Zeitung wie Benno Reifenberg und Friedrich Sieburg pflegt Lilly von Schnitzler Kontakte.

Die Kunst, die Lilly von Schnitzler sammelt, beschränkt sich nicht auf die Werke von Max Beckmann. Auch Bilder anderer Künstler erwirbt sie. Außerdem betätigt sie sich als Mäzenin und unterstützt Künstler, die finanzieller Hilfe bedürfen. Sie nimmt überdies zahlreiche Ehrenämter wahr und engagiert sich u. a. im Vorstand des Patronatsvereins der Städtischen Bühnen und im Vorstand der Frobenius-Gesellschaft sowie in der Heussenstamm’schen Stiftung, deren Zweck in der Unterstützung von bedürftigen Frankfurter Bürgern und in der Förderung von Künstlern und geistigen Arbeitern besteht.

Während der Nazizeit verschiebt sich der Gästekreis in der Villa. Zunehmend werden Wirtschaftsführer und Politiker des Nazi-Regimes eingeladen. Lilly von Schnitzler bemüht sich, zwischen Kulturkreisen und Nazi-Politikern wie dem Frankfurter Oberbürgermeister Friedrich Krebs zu vermitteln. Dazu richtet sie in ihrem Haus eine sogenannte Tafelrunde ein. Gleichzeitig hält sie Kontakt zu Regimegegnern aus ihrem Freundeskreis, wie Max Beckmann, den sie zweimal in Amsterdam besucht und durch den Ankauf von Bildern unterstützt, ungeachtet dessen, dass diese von den Nazis als „entartet“ betrachtet werden.

Das Kriegsende bringt durch den Stellungsverlust und die Haftstrafe ihres Mannes einen sozialen Absturz. Die Villa in der Westendstraße ist 1944 bei einem Bombenangriff zerstört worden und wurde nicht wieder aufgebaut. Lilly von Schnitzler wohnt nun in einer Hochhauswohnung in Sachsenhausen, unterhält aber gleichzeitig einen Sommersitz in dem als Künstlerort bekannten oberbayerischen Murnau. Ihr Engagement für die Kultur in Frankfurt lässt dennoch nicht nach. Sie setzt sich u. a. für den Wiederaufbau des Städel ein und ist weiter in der Heussenstamm’schen Stiftung tätig. Außerdem begründet sie 1952 die Max-Beckmann-Gesellschaft mit. Ihre Beckmann-Bilder befinden sich nun in Murnau. 1957 stellt sie zahlreiche dieser Bilder dem Kölner Wallraf-Richartz-Museum als Dauerleihgabe zur Verfügung, die sich heute im Museum Ludwig befinden. 1962 stirbt ihr Mann. Zu vielen ihrer Freunde aus der Zwischenkriegszeit hält sie weiter Briefkontakt. Lilly von Schnitzler, von vielen ihrer Freunde „Schnilly“ genannt, stirbt am 26.6.1981 in Murnau. Sie ist auf dem Kölner Melaten-Friedhof im Familiengrab ihrer Herkunftsfamilie von Mallinckrodt begraben, in dem fast 20 Jahre vorher auch ihr Mann beigesetzt wurde.

 

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Textquellen:

Hock, Sabine: Schnitzler, Lilly von, Artikel aus der Frankfurter Biographie (1994/96) in: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe) abgerufen von > https://frankfurter-personenlexikon.de/node/1115< am 17.03.2025.

Blömeke, Felix: Schnitzler, Georg (von). Artikel aus der Frankfurter Biographie (1994/96) in: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe) abgerufen von >https://frankfurter-personenlexikon.de/node/1114< am 17.03.2025.

Lilly von Schnitzler in der Hessischen Biographie abgerufen von >https://www.lagis-hessen.de/pnd/116848715< am 17.03.2025.

Lilly von Schnitzler auf „Frankfurter Frauenzimmer“ abgerufen von >http://www.frankfurterfrauenzimmer.de/bp10-detail.html?bio=ag< am 17.03.2025.

Lilly von Schnitzler auf „Künste im Exil“ abgerufen von >https://kuenste-im-exil.de/KIE/Content/DE/Sonderausstellungen/MaxBeckmann/Personen/01ZeitVorExil/von-schnitzler-lilly.html< am 17.03.2025.

Webseite zur Umgestaltung der Schnitzler-Villa durch Martin Elsaesser abgerufen von >https://www.martin-elsaesser.de/projekte/umbau-haus-von-schnitzler-frankfurt-am-main/< am 17.03.2025.

Webseite des Schlossmuseums Murnau zu Lilly von Schnitzler abgerufen von >https://schlossmuseum-murnau.de/de/ausstellungskataloge/58/-bereitschaft-zum-risiko-?< am 17.03.2025.

 

Bildquellen: 

Vorschaubild: Gustav von Mallinckrodt Georg+Lilly von Schnitzler -grave 01, 2018, Urheber: Egidius~dewiki via Wikimedia Commons CC0.

SELBSTBILDNIS MIT GLASKUGEL (SELF-PORTRAIT WITH CRYSTAL BALL), 1935, Urheber: Max Beckmann via Wikimedia Commons Gemeinfrei; neu bearbeitet von Carolin Eberhardt.

Ernst Beutler um 1930, Urheber: unbekannt via Wikimedia Commons Gemeinfrei; neu bearbeitet von Carolin Eberhardt.

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