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Ingrid Annel

Esel Erasmus unterwegs im sagenhaften Erfurt
Geschichten und Sagen über das mittelalterliche Erfurt

Die Erfurter Autorin Ingrid Annel lädt ein in eine sagenhafte Erfurter Welt der Vergangenheit, in der Esel Erasmus Martin Luther trifft und die Zaubereien des Magiers Faust miterlebt.

Jeanette Wohl

Jeanette Wohl

Sabine Gruber

Am 7. Mai 1886 hatte sich, wie der Schwäbische Merkur in seiner Ausgabe vom 9. Mai des Jahres berichtete, eine große Festgemeinde versammelt, um im Saalbau in der Junghofstraße den 100. Geburtstag Ludwig Börnes zu feiern, der in seiner Heimatstadt mit zahlreichen Veranstaltungen und Veröffentlichungen begangen wurde. Während der erste Redner Börne selbst würdigte, sprach der zweite Redner, Gottlieb Schnapper-Arndt (1846-1904), „über die Frau, welche auf Börnes schriftstellerische Wirksamkeit den größten Einfluß ausgeübt, welche seine Pariser Briefe angeregt, und seinen Nachlaß veröffentlicht hat, Jeanette Wohl, später verehelichte Strauß.“ Wer war die Frau, die einen so bedeutenden Einfluss auf die schriftstellerische Laufbahn Börnes und die Rezeption seiner Werke hatte, dass ihr ein ebenso langer Vortrag gewidmet wurde wie demjenigen, dessen Geburtstag gefeiert wurde?

Jeanette Wohl wurde am 16. Oktober 1783 in Frankfurter Ghetto am heutigen Börneplatz als Tochter des Bankiers Wolf David Wohl und seiner Frau Merle geboren. Ihre Familie war bereits seit 1620 im Frankfurter Ghetto ansässig und sehr angesehen. Jeanette Wohls Vater starb bereits 1793 und ihre Mutter musste ihre vier Töchter allein großziehen. Über die Kindheit Wohls und ihre Erziehung ist nicht viel bekannt. 1805 drängte die Mutter Jeanette Wohl, eine Konvenienzehe mit dem wohlhabenden Leopold Heinrich Oppenheimer einzugehen, die nach neun Jahren auf Wohls Wunsch wieder geschieden wurde. Bei der Zerrüttung der Ehe spielten vor allem differierende Interessen und ein unterschiedliches Bildungsniveau eine Rolle. Trotz der Differenzen mit ihrer Mutter wegen der Scheidung zog Jeanette Wohl wieder in deren Haushalt. Im Winter 1816/17 soll sie Ludwig Börne über eine befreundete Familie kennengelernt haben. Allerdings war dies vermutlich ein Wiedertreffen und eine erste intensivere Begegnung, denn es ist unwahrscheinlich, dass sich die beiden zuvor nie begegnet waren, lag doch das Elternhaus Börnes ihrem Elternhaus, dem Haus Zum Pflug Nr. 65, gegenüber.

Börne und Wohl waren voneinander fasziniert und insbesondere Wohl fand in Börne den intellektuellen Austausch, den sie bei ihrem geschiedenen Mann vermisst hatte. Zunächst war, vor allem von Seiten Börnes, mehr als nur intellektueller Austausch und Freundschaft im Spiel und insbesondere Börne dachte bis 1828 immer wieder an eine Heirat. Dass eine solche trotz der lebenslangen engen Beziehung nicht zu Stande kam, wird häufig auf eine Ablehnung seitens der Mutter Jeanette Wohls angesichts der Taufe Börnes im Jahr 1818 zurückgeführt. Es hatte aber vielfältige Gründe, die zu einer ablehnenden Haltung Wohls selbst geführt hatten. Seit dem Kennenlernen Börnes und Wohls begann ein intensiver persönlicher, brieflicher und literarischer Austausch, zu dem sich in der deutschen Literaturgeschichte kaum etwas Vergleichbares findet. Börne beriet mit Wohl seine Publikationen, sie bewertete und redigierte seine Manuskripte, stellte Kontakte für deren Veröffentlichung her und wachte darüber, dass Börne seine aktuellen schriftstellerischen Arbeiten nicht zu lange liegen ließ. Nicht zuletzt ist der Briefwechsel Börnes mit Wohl, der im Jahr 1818 begann, ein wichtiger Bestandteil seines Werks. Häufig berichtete sie dem gegenüber seiner Heimatstadt skeptischen Börne von ihren Frankfurter Erlebnissen. Im Fokus der Beschäftigung mit der Freundschaft Börnes zu Wohl standen lange Zeit die von ihr angeregten „Briefe aus Paris“ über die Pariser Julirevolution. Erst seit der Wende vom 20. zum 21. Jahrhundert werden auch andere literarische Aspekte dieses langjährigen Austausches stärker in den Blick genommen.

Dass Jeanette Wohl am 7. Oktober 1832 in einem für damalige Verhältnisse hohen Heiratsalter von fast 50 Jahren den über ein Jahrzehnt jüngeren Frankfurter Kaufmann Salomon Strauß heiratete, tat ihrer engen Beziehung zu Börne, der sich wohl schon seit längerer Zeit damit abgefunden hatte, dass die Hoffnung auf eine Ehe mit ihr aussichtslos war, keinen Abbruch. Vielmehr lebte Börne gemeinsam mit dem Ehepaar in deren Wohnung in der Rue Laffitte 44 in Paris und auf deren Landsitz in Auteuil. Das Zusammenleben in dieser ungewöhnlichen Konstellation wurde dadurch erleichtert, dass auch Salomon Strauß ein großer Verehrer Börnes war. Nach dem Tod Börnes am 12. Februar 1837 erbte Jeanette Wohl dessen gesamten literarischen Nachlass und konnte frei darüber verfügen. Das gab ihr die Möglichkeit unter dem Titel „Nachgelassene Schriften“ in den Jahren 1844 bis 1850 eine sechsbändige Ausgabe seiner Werke im Mannheimer Bassermann-Verlag herauszugeben. Ihr Mann unterstützte sie bei ihrer Arbeit. Jeannette Wohl starb am 27. November 1861 in Paris. Sie wurde zwar nicht im selben Grab wie Börne beigesetzt, aber doch auf demselben Friedhof, dem berühmten Père Lachaise.

 

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Textquellen: 

Börne, Ludwig;  Wohl, Jeanette: Briefwechsel (1818-1824), Edition und Kommentar,  Heuer, Renate; Schulz, Andreas, Berlin/Boston, 2012.

Frankfurt a. M. 7. Mai in: Schwäbischer Merkur, Mit Schwäbischer Kronik und Handelszeitung, Nr. 108, Sonntag, 9. Mai 1886, S. 3.

Schnapper-Arndt, Gottlieb: Wohl, Jeanette in: Allgemeine Deutsche Biographie 43 (1898), S. 707-709 [Online-Version] abgerufen von >https://www.deutsche-biographie.de/pnd117456829.html#adbcontent< am 06.08.2023.

Schulz, Andreas: Wohl, Jeanette, verh. Strauss in: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe) abgerufen von >https://frankfurter-personenlexikon.de/node/1364< am 06.08.2023.

Walz, Christa: Jeanette Wohl und Ludwig Börne, Dokumentation und Analyse des Briefwechsels, Frankfurt/New York, 2001.

>https://de.wikipedia.org/wiki/Jeanette_Wohl< abgerufen am 06.08.2023.

>https://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_B%C3%B6rne< abgerufen am 06.08.2023.

>https://de.wikipedia.org/wiki/Gottlieb_Schnapper-Arndt< abgerufen am 06.08.2023.

 

Bildquellen:

Vorschaubild: Wohl Jeanette, Urheber: unbekannt via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

 

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