Noch heute stehen in Parks oder an Wanderwegen häufig Bänke aus Holz oder anderen Materialien, die zur Rast einladen. In der Alpenregion oder in südlichen Ländern sind solche Rastmöglichkeiten gelegentlich auch mit Angeboten zur religiösen Einkehr in Form von Bildstöcken, also Pfeilern aus Holz oder Stein mit einer Heiligenskulptur oder einem Andachtsbild, oder kleinen Kapellen verbunden. Früher waren solche Rastplätze, die gleichzeitig zur Ruhe und zum Gebet einluden, in ganz Deutschland weit verbreitet. Erstaunlicherweise sind in der so modern wirkenden Großstadt Frankfurt mehrere solcher alten Ruheplätze – häufig inmitten neuer Bebauung – erhalten geblieben. Historische Ruhebänke gibt es unter anderem an der Friedberger Landstraße, an der Kennedyallee, am Berger Hang, an der Gerbermühle und sogar im Frankfurter Palmengarten. Von dem Heiligenstock neben dem Gasthaus „Altes Zollhaus“ an der Friedberger Landstraße erhielt die nahegelegene Streuobstlandschaft und Siedlung ihren Namen. Goethe erwähnte den Heiligenstock an der Gerbermühle mit einer Darstellung der Pietà in einem Brief an Sulpiz Boisserée, den er auf das Denkmal aufmerksam machen wollte, „um es zu verehren, weil es, obwohl einfach, so meisterhaft gemacht und von Basalt wäre.“ Standorte heute nicht mehr vorhandener Bildstöcke lassen sich gelegentlich aus historischen Stadtansichten erschließen.
Ein früher mit einer großen Ruhebank verbundener spätgotischer Heiligenstock, so die in Hessen übliche Bezeichnung für Bildstöcke, findet sich vor moderner Bebauung aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg auch an der Homburger Landstraße 87 in Frankfurt-Eckenheim. Der Bildstock an dieser Stelle erinnert daran, dass die Homburger Landstraße früher eine der Verkehrsadern war, die das Frankfurter Umland mit der Stadt verbanden und auf denen unter anderem Bauern und Bäuerinnen in die Stadt zogen, um auf dem Markt ihre Waren anzubieten. Auf der Ruhebank in Eckenheim konnten sie, ebenso wie andere, zu deren Berufen das Tragen von Lasten gehörte, aber auch Reisende, ausruhen und, wenn sie wollten, ein Gebet sprechen. Dass der Heiligenstock nicht alleinstand, sondern von einer Bank begleitet war, konnte man noch bis weit in das Zwanzigste Jahrhundert an zwei danebenstehenden Blöcken aus Basalt erkennen, den Resten der Ruhebank, die in den späten fünfziger Jahren entfernt wurden. Der Bildstock selbst ist heute durch das Hessische Denkmalschutzgesetz als Kulturdenkmal geschützt. An den Basaltblöcken war erkennbar, dass die Ruhebank, als sie noch intakt war, mit Eisenringen zum Festbinden von Tieren versehen war. An der Stelle des Bildstocks und der Ruhebank stand bereits im 14. Jahrhundert ein in Quellen bezeugtes Kreuz, das wohl durch den jetzt dort stehenden Bildstock ersetzt worden ist.
Der aus dem im Rhein-Main-Gebiet häufigen rötlichem Sandstein gehauene Bildstock entspricht dem Typus des Nischenpfeilers, also eines Pfeilers, dessen Heiligendarstellung zum Schutz in eine Nische zurückgesetzt wurde. Bei dem Bildstock an der Homburger Landstraße versagte jedoch der Versuch, die Skulptur zu schützen, denn es ist kaum noch erkennbar, welche(n) Heilige(n) man auf der Ruhebank in früheren Zeiten um Hilfe bitten konnte oder ob dort eine biblische Gestalt dargestellt ist. Die zahlreichen Umwelteinflüsse, denen der Bildstock im Laufe der Jahrhunderte ausgesetzt war, führten dazu, dass das bestenfalls noch zu erahnen ist. In der von der Form her an eine Kapelle erinnernden Nische ist lediglich eine Figur mit einem langen Gewand erkennbar. Weil der Bildstock ein Kreuz ersetzte, könnte die Skulptur eventuell auf das Passionsgeschehen verweisen. Immerhin ist eine Datierung des Bildstocks möglich, denn die Jahreszahl 1516 und die Initialen E. H., die, wie bei vielen Bildstöcken üblich, vermutlich auf einen Stifter oder eine Stifterin hinweisen, sind gerade noch erkennbar. An die früher hier vorhandenen drei Steine, den Bildstock und die beiden Basaltblöcke, erinnert auch der Name „An den 3 Steinen“ für eine nahegelegene, ein Stück parallel zur Homburger Landstraße verlaufende Straße.
Adresse
Homburger Landstraße 87
60435 Frankfurt am Main
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Textquellen:
Die Baudenkmäler im Regierungsbezirk Wiesbaden: Im Auftrage des Königlichen Ministeriums für geistliche, Unterrichts- und Medizinal-Angelegenheiten bearbeitet von Professor Dr. W. Lotz, Herausgegeben von Friedrich Schneider, Berlin, 1880.
Verborgene Kostbarkeiten in Frankfurter Stadtteilen und Vororten, Frankfurt a. M., 1991.
Wolff, Carl: Die Baudenkmäler in Frankfurt am Main, Zweiter Band: Weltliche Bauten, Frankfurt a. M., 1898 (darin das Zitat aus dem Goethe-Brief).
>https://www.kunst-im-oeffentlichen-raum-frankfurt.de/de/page151.html?id=251< abgerufen am 02.06.2023.
>https://denkxweb.denkmalpflege-hessen.de/154747/< abgerufen am 02.06.2023.
>https://de.wikipedia.org/wiki/Bildstock< abgerufen am 02.06.2023.
>https://frankfurt.de/themen/umwelt-und-gruen/orte/gruenguertel/landschaften/heiligenstock< abgerufen am 02.06.2023.
Bildquellen:
Vorschaubild:
Heiligenstock 1516 Homburger Landstraße Frankfurt-Eckenheim, 2014, Urheber: Gaki64 via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0.
FFM Gerbermuehle-Bildstock 1519, 2010, Urheber: Frank Behnsen via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0.