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Berndt Seite

Als der Wind zu Besuch kam

Facettenreich und vielschichtig, so sind die Gedichte Berndt Seites zu beschreiben. Neben Liebesgedichten gibt es Naturlyrik, die immer wieder auch die Seenlandschaft der Müritz ins Auge fasst. Ebenso finden sich politische  Gedichte oder reine Gedankenlyrik, die sich mit den Sinnfragen des Lebens, mit dem Glauben und mit Anfang und Ende beschäftigen.

Kuhhirtenturm

Kuhhirtenturm

Sabine Gruber

Hindemith Kabinett

Auch auf der Sachsenhäuser Seite verfügte Frankfurt im Spätmittelalter über eine beachtliche Stadtbefestigung. Nicht nur die Stadtmauer hielt drohende Feinde ab, sondern zusätzlich dienten Türme als Ausguck für Wächter. Heute ist hier nicht nur die Stadtmauer verschwunden, die bis in das 17. Jahrhundert noch das Mainufer bewachte, sondern bis auf einen auch alle Wehrtürme. Nur der im Jahr 1390 errichtete spätgotische Kuhhirtenturm ist noch vorhanden und lässt die Beschaffenheit der früheren Sachsenhäuser Stadtbefestigung zumindest erahnen. Weil er der größte der Sachsenhäuser Befestigungstürme war, bezeichnete man ihn im Mittelalter auch als „Elephant“, obwohl er im Gegensatz zu dem namensgebenden Tier in seinem Äußeren so gar nichts Exotisches hatte. Später wurde er als Kuhhirtenturm bezeichnet, weil im 19. Jahrhundert hier die Sachsenhäuser Kuhhirten wohnten.

Das Äußere des Kuhhirtenturms gleicht noch (oder: wieder) seinem Erscheinungsbild zur Zeit seiner Erbauung. Der Turm hat vier Geschosse. Drei sind aus Stein, und das oberste ist aus Fachwerk. Das auf der einen Seite an den Turm angebaute, aus dem Jahr 1490 stammende Tor wird auch als Paradiespförtchen bezeichnet, weil es sich zum nördlichen Ende der Paradiesgasse hin öffnet. Durch das Tor gelangt man ebenso in die Große Rittergasse, die seit 1877 ihren Ausgang von der in diesem Jahr entstandenen Dreieichstraße nimmt.

Eine ausführliche Beschreibung der Sachsenhäuser Stadtbefestigung hat de Blainville in seiner Reisebeschreibung „Voyage en Hollande, en Allemagne, en Suisse, et spécialement en Italie“ (hier in einer Übersetzung aus dem Jahr 1764) überliefert: „Nachdem wir die Festungswerke der Stadt besehen hatten, giengen wir über den Mayn nach Sachsenhausen. Ich glaube, daß ich bereits angezeigt habe, dieser Fluß sey groß und ziemlich reißend. Die Brücke, welche Sachsenhausen mit Frankfurt zusammenhängt, hat funfzehn Bogen, und ist beynahe hundert Schritte lang. In Sachsenhausen ist wenig Merkwürdiges, als seine Befestigung, welche ziemlich gut ist. Sie hat ein großes Hornwerk mit einem Graben voll Wasser und einen sehr geschickt angelegten bedeckten Weg, der bis an den Anfang des Grabens reichet, über welchen man kommen muß, wenn man von der Landseite nach Sachsenhausen will. Es sind in allen sechs Bastionen, aber nicht regelmäßig gebauet, und bestreichen einander sehr schlecht. Sie sind wider alle Regeln und außer allem Verhältniß. Dem ungeachtet hat eine von ihnen noch eine hohe Schanze auf sich, um einer großen Anhöhe zur rechten Seite am Eingang, welche herüber streichen kan, zu begegnen, welches eine ziemlich gute Vertheidigung wäre, wenn nicht der Grund darunter wiche, und so, wie er weichet, sich gegen den Fluß zu dergestalt sünke, daß er durch seine Ungleichheiten diese hohe Schanze so wol, als die Werke zur Linken, dergestalt verdecket, daß darunter eine Linie zum Angrif bis an den Graben gezogen werden kan. Einige hervorspringende und hineingehende Winkel vollenden die Befestigung auf dieser Seite, und vertheidigen den Uebergang über den Fluß. Die linke Seite ist also sehr schwach, die Bastionen sind alle klein und übel flankiert.“ Während die Sachsenhäuser Stadtbefestigung Herrn de Blainville so nachhaltig fasziniert hatte, dass er ihr eine detaillierte, freilich auch nicht kritiklose Beschreibung widmete, langweilte ihn der Ort Sachsenhausen: „Weil in Sachsenhausen nichts mehr zu sehen war, so unternahmen wir einen Spaziergang am Ufer des Mayns.“ heißt es danach lapidar.

Als im 18. und 19. Jahrhundert nach und nach die Frankfurter Befestigungsanlagen geschleift und durch Straßen, neue Bebauung oder Gärten ersetzt wurden, standen auch die Wehrtürme zur Disposition, insbesondere, wenn sie baufällig waren und nicht mehr genutzt wurden. Beinahe wäre auch der Kuhhirtenturm abgerissen worden, hätte das nicht im Jahr 1884 ein früher Frankfurter Bürgerprotest verhindert. Genutzt wurde der Turm jedoch nicht mehr und verfiel immer stärker.

In den Jahren 1923 bis 1927 hatte der alte Turm einen prominenten Bewohner. Der im nahen Hanau geborene und in Frankfurt verstorbene Komponist Paul Hindemith (1895-1963) zog hier mit seiner Familie ein, und gestaltete das Innere des Turms seinen Bedürfnissen entsprechend um. Die nötigen Mittel hierzu hatte er durch einen großzügig bezahlten Kompositionsauftrag des Wiener Pianisten Paul Wittgenstein. Gegen das enge Treppenhaus konnte Hindemith freilich nichts tun und so mussten Möbel und Instrumente über einen Kran ins Turminnere verfrachtet werden. Auf Hindemith wirkte die mittelalterliche Umgebung inspirierend. Er komponierte hier seine an E.T.A. Hoffmanns „Fräulein von Scuderi“ angelehnte Oper „Cardillac“ und das „Marienleben“ und suchte den Turm auch noch auf, nachdem er 1927 seinen Hauptwohnsitz nach Berlin verlegt hatte. 1938 ging Hindemith ins Exil, zunächst in die Schweiz, später in die USA.

Im Zweiten Weltkrieg wurde der Kuhhirtenturm stark beschädigt und das vierte Stockwerk ganz zerstört. Er wurde zunächst nur soweit wiederhergestellt, dass er als Unterkunft für Flüchtlinge dienen konnte, und später restauriert und in die rund um den Turm errichtete Jugendherberge integriert. 2010 richtete die Fondation Hindemith im Turm eine Kabinett-Ausstellung ein, die an den berühmtesten Bewohner des Gebäudes erinnert und anhand zahlreicher Originaldokumente über sein Leben und Werk informiert. Dabei wurde versucht, den Zustand des Turmes zur Zeit als Hindemith hier wohnte und arbeitete, möglichst originalgetreu zu restaurieren. In der Türmerstube im Obergeschoss finden von Zeit zu Zeit Kammerkonzerte statt. 2012 wurde die Stadt Frankfurt am Main für die Sanierung des Kuhhirtenturms mit dem Hessischen Denkmalschutzpreis ausgezeichnet.


Adresse

Hindemith Kabinett im Kuhhirtenturm

Große Rittergasse 118

60594 Frankfurt am Main


Öffnungszeiten: sonntags 11 bis 18 Uhr;

für Gruppen nach Vereinbarung auch an anderen Tagen


*****

Textquellen

Baedekers Allianz-Taschenbücher. Frankfurt am Main. Stuttgart/Freiburg 1983

Des Herrn von Blainville Reisebeschreibung durch Holland, Oberdeutschland und die Schweiz besonders aber durch Italien aus des Verfassers eigener Handschrift in englischer Sprache zum erstenmal zum Druck befördert von Georg Turnbull und Wilhelm Guthrie nunmehr ins Deutsche übersetzet, erläutert und hin und wieder mit Anmerkungen versehen von Johann Tobias Köhler. Ersten Bandes erste Abtheilung. Lemgo 1764

Frankfurt-Lexikon. Von Waldemar Kramer. Sonderausgabe für das Stadtschulamt Frankfurt. Frankfurt a. M. 1960

Rita Henß: Marco Polo. Frankfurt. Ostfildern 2014

Wolfgang Klötzer: Frankfurts alte Gassen. Nach Aquarellen von Jupp Berten. 2. Aufl. Frankfurt a. M. 1982

Oertliche Beschreibung der Stadt Frankfurtt am Main von Johann Georg Battonn. Aus dessen Nachlasse herausgegeben von dem Vereine für Geschichte und Alterthumskunde zu Frankfurt a. M. Frankfurt a. M. 1875

Annette Sievers: Frankfurt am Main: Sehen & Erleben, Ausgehen & Vergnügen. Mit 10 Stadtrundgängen. 3. Aufl. Frankfurt a. M. 2014

http://www.hindemith.info/de/kabinett/ (zuletzt geöffnet am: 27.04.2018)

https://de.wikipedia.org/wiki/Kuhhirtenturm (zuletzt geöffnet am: 27.04.2018)

https://de.wikipedia.org/wiki/Paul_Hindemith (zuletzt geöffnet am: 27.04.2018)


Bildquellen:

Vorschaubild: Der Kuhhirtenturm in der mainseitigen Sachsenhäuser Stadtmauer, 1628. Ausschnitt aus Matthäus Merians Vogelschauplan via Wikimedia Commons gemeinfrei.

FFM Kuhhirtenturm, 2012, Urheber: Frank Behnsen via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0.

Steinerne Gedenktafel an der südlichen Fassade des Turms, neben dessen Haupteingang, 2012, Urheber: Frank Behnsen via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0.

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