Der Bau der Allerheiligen-Kirche im Frankfurter Stadtteil Ostend, eines der großen Frankfurter Kirchenbauprojekte nach dem Zweiten Weltkrieg, hatte eine lange Vorgeschichte. Die Katholiken, die sich seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in diesem neu entstandenen Stadtteil angesiedelt hatten, konnten für ihre Gottesdienste zunächst eine 1881/82 erbaute und zum Bruderhaus der Barmherzigen Brüder am Unteren Atzemer 8 gehörige Kapelle nutzen. Das Krankenhaus der Barmherzigen Brüder existierte an diesem Ort noch bis weit in das 20. Jahrhundert hinein. Die Kapelle wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. 1914 wurde ein eigener Seelsorgebezirk für das Ostend gegründet und die Gemeinde erhielt 1919 den Namen Allerheiligen-Gemeinde. Dieser Name knüpfte an eine damals nicht mehr vorhandene Allerheiligen-Kapelle auf dem Gebiet des Frankfurter Ostends an. Seit 1922 war Wilhelm Schwarz Pfarrer der neuen Gemeinde. Die provisorische Lösung, die Kapelle der Barmherzigen Brüder von den Katholiken des Stadtteils mitnutzen zu lassen, stieß in den 20er Jahren an ihre Grenzen, denn die Zahl der Katholiken im Stadtteil, der auch zahlreiche Neubürger angezogen hatte, war auf rund 10.000 angewachsen. In der Kapelle fanden selbst die regelmäßigen Kirchgänger unter ihnen kaum noch einen Platz. Deshalb wurde in der Nähe der Kapelle ein Bauplatz für eine neue Kirche erworben und eine Ausschreibung für das Bauprojekt veranstaltet.
Die Ausschreibung von 1927 gewann der 1890 in Frankfurt geborene Kirchenbaumeister Martin Weber, der auch die im Jahr zuvor geweihte St. Bonifatiuskirche in Sachsenhausen entworfen hatte. Der Plan, der sicher zu einem ambitionierten Neubau geführt hätte, konnte jedoch nicht realisiert werden. Nachdem 1943 sowohl die Kapelle als auch das daneben entstandene Pfarr- und Gemeindehaus durch einen Bombenangriff zerstört worden waren, gab es zunächst gar keine Kirche für die Katholiken aus dem Ostend mehr. Allerdings hatte, weil viele Häuser im Stadtteil zerstört worden waren und Anwohner weggezogen oder ganz aus Frankfurt geflohen waren, auch die Größe der Gemeinde stark abgenommen. Zunächst behalf sich die Gemeinde mit einer Notkirche. Erst 1953 konnte der so lange geplante Kirchenneubau realisiert werden. Den Auftrag erhielt das von Alois Giefer und Hermann Mäckler geführte Architekturbüro. Die Architekten hatten sich damals bereits durch mehrere andere Kirchenbauten, sei es durch den Entwurf neuer Kirchen, sei es durch den Wiederaufbau zerstörter Kirchen, einen Namen gemacht. Wie in den Entwürfen Martin Webers war auch in dem neuen Entwurf von Giefer und Mäckler der Einfluss der liturgischen Bewegung spürbar: Der Altar sollte im Zentrum der Kirche stehen.
Die Grundsteinlegung der neuen Kirche fand am 15. März 1953 statt, und schon wenige Monate später, am 13. Dezember desselben Jahres, konnte die Kirche durch den Limburger Weihbischof Kampe geweiht werden. Ihr Inneres wirkt schlicht und verzichtet auf eine aufwändige Innenausstattung wie man sie aus älteren katholischen Kirchen kennt. Dadurch können die Betrachter die architektonische Gestaltung wesentlich besser wahrnehmen. Hugo Schnell drückte den neuen Zeitgeschmack nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs 1962 im Schnell und Steiner-Führer über die Allerheiligen-Kirche so aus: „Unsere Zeit stattet weder Wohnung noch Kirche mit viel Inventar aus“.
Die Kirche hat einen Grundriss in Form einer Parabel. Die Bankreihen im Kirchenschiff sind auf den um vier Stufen erhöht stehenden Altar aus Lahnmarmor hin geordnet. Rechts vom Altarraum befindet sich die Sakristei, links die Taufkapelle, deren Taufstein ebenfalls von den Architekten entworfen wurde. Das Kreuz über dem Altar wurde von Leo Peter entworfen, die Schutzmantelmadonna neben dem Altar von Gertrud Scherer. Die Kuppel ruht auf vier Stahlbetonstützen. Die Wände sind durch Wandpfeiler gegliedert. Als letztes Stück der Innenausstattung erhielt die Kirche 1955 eine Orgel der Firma Euler mit 26 Registern. Besonders interessant ist die Kirchenfassade gestaltet. Die Streifen von gelben und weißen Kalksandsteinen erinnern an die Fassaden älterer italienischer Kirchen. Über den Eingangsportalen wurden Tiefreliefs von Heiligen in die Fassade geschlagen, Heilige, die größtenteils einen regionalem Bezug haben: Kaiser Heinrich II., Hildegard von Bingen, Bonifatius, Maria mit dem Jesuskind, Lubentius, Elisabeth von Thüringen und der Heilige Georg. Die Reliefs stammen von dem Bildhauer Hans Mettel. Der Kirchturm aus Stahlbeton steht, wie man es von manchen mittelalterlichen Kirchen kennt, separat, ein Stück nach links gerückt, vor der Kirche. Der Kirchplatz ist um einige Stufen erhöht, sodass die Kirche sich aus ihrer Umgebung hervorhebt. Seit 2014 ist die Allerheiligen-Kirche als Kirchort der Dompfarrei St. Bartholomäus angegliedert. Ihr Schwerpunkt ist die Neue Musik und die zeitgenössische Kunst. Als Kunstkulturkirche will die Allerheiligen-Kirche, so die Selbstbeschreibung „in großer Offenheit zur Begegnung zwischen Kunst und Kirche beitragen“.
Adresse
Allerheiligenkirche
Thüringer Straße 35
60316 Frankfurt am Main.
Öffnungszeiten: täglich 10.00-18.00 Uhr (Stand: Oktober 2018)
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Textquellen:
Schnell, Hugo: Allerheiligenkirche Frankfurt / Main-Ost, München / Zürich, 1962 in Schnell & Steiner Kunstführer, Nr. 758.
Seib, Adrian: Der Kirchenbaumeister Martin Weber (1890-1941): Leben und Werk eines Architekten für die liturgische Erneuerung, Mainz, 1999.
Adress-Buch von Frankfurt a. M. mit
Bockenheim, Bornheim, Oberrad und Niederrad. 1877. Hrsg. von Georg Friedrich
Krug. Frankfurt a. M. 1877.
> http://www.dom-frankfurt.de/dompfarrei/kirchorte/allerheiligen/kirche < abgerufen am 26.10.2018.
> http://www.dom-frankfurt.de/dompfarrei/kirchorte/allerheiligen/kirche/rundgang < abgerufen am 26.10.2018.
> https://de.wikipedia.org/wiki/Allerheiligenkirche_(Frankfurt_am_Main) < abgerufen am 26.10.2018.
Bildquellen:
Vorschaubild: Die Allerheiligenkirche, 2014, Urheber: Karsten Ratzke via Wikimedia Commons CC0.
Frankfurt, Allerheiligenkirchem Front, 2014, Urheber: Karsten Ratzke via Wikimedia Commons CC0.
Westseite des Turms der Allerheiligenkirche in Frankfurt am Main-Ostend, 2009, Urheber: Urmelbeauftragter via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0.