In der Ausgabe vom 17. Juni 1868 brachten die „Didaskalia. Blätter für Geist, Gemüth und Publicität“ unter der Rubrik „Correspondenzen“ eine Meldung aus der damaligen, vor den Toren von Frankfurt gelegenen Kleinstadt Bockenheim, die auf den 12. Juni datiert war. Das Dorf war erst vor ein paar Jahrzehnten, im Jahr 1819, zur Stadt erhoben worden und man berichtete stolz von den neuen Errungenschaften, die die Stadterhebung mit sich gebracht hatte: „Sie [die Stadt] hat sich jüngst einen Marktplatz geschaffen, durch welchen sie sowohl in dessen Ausdehnung, als in der geschmackvollen Anlage (Seitens der weltbekannten Kunst- und Handelsgärtner Gebr. Siesmaier auf eigne Kosten) mit jeder großen Stadt zu rivalisieren vermag. Bereits ist auch ein neues Rathhaus auf der nördlichen Seite des Platzes in Angriff genommen, und gegenüber wird derselbe eine weitere, stattliche Zierde durch den Kirchenbau erhalten, welchen die katholische Gemeinde aufführt. Den Plan dazu hat noch der leider zu frühe verstorbene Architekt G. Ungewitter entworfen. Wie es schon der Name desselben, anerkannt einer unserer bedeutendsten Gothiker, verbürgt, wird die Kirche ein dreischiffiger Bau, im reinen Styl der Gothik (der S. Elisabethkirche zu Marburg), mit einer Vorhalle unter dem Thurm, von schön aufstrebender Gliederung, ein sehenswerthes Kunstwerk werden.“
Eine katholische Kirche in Bockenheim – das war damals noch etwas Besonderes, denn noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts war die Zahl der Katholiken in der Frankfurter Umgebung sehr klein gewesen. Man war hier traditionell evangelisch. In Bockenheim wurden nur 25 Katholiken gezählt. Durch die beginnende Industrialisierung, die auch Arbeitskräfte aus anderen Regionen anzog, nahm die Anzahl der Katholiken dann aber sprunghaft zu. 1855 gab es schon 758 Katholiken in Bockenheim, und um die Wende zum 20. Jahrhundert war bereits jeder dritte Bockenheimer und jede dritte Bockenheimerin katholisch. Da reichte es nicht mehr aus, dass der Pfarrer aus dem benachbarten Rödelheim jeden Sonntag auch zu den Bockenheimer Katholiken kam, die zunächst im Schlösschen der Familie von Bernus in der Schlossstraße und später an der Schönen Aussicht Nr. 26 einen provisorischen Gottesdienstraum zur Verfügung hatten. Deshalb wurde mitten in der aufstrebenden Kleinstadt Bockenheim ein Bauplatz erworben, und das Fuldaer Domkapitel genehmigte den Bau. Der Grundstein wurde im August 1868 gelegt und schon am 12. Dezember 1870 konnte die Kirche geweiht werden. Namenspatronin wurde, vielleicht auch, weil die gotische Marburger Elisabethkirche dem Architekten Georg Ungewitter als Vorbild für seinen Entwurf gedient hatte, die Heilige Elisabeth von Thüringen. Wie viele neugotische Kirchen und im Gegensatz zu mittelalterlichen Kirchen, an denen viele Epochen ihre Spuren hinterließen, war das Innere der Sankt Elisabeth-Kirche von großer Stilreinheit geprägt. Alte Fotografien zeigen ein Hauptschiff mit hohem gotischen Gewölbe und einer Fensterrosette über dem Altar und zwei Seitenschiffe, die durch Säulenreihen vom Hauptschiff abgetrennt waren.
1886 erhielt die Innenausstattung einen wertvollen Zuwachs aus der Sammlung des Stadtpfarrers Ernst Franz August Münzberger: einen um 1420 entstandenen Flügelaltar und einen geschnitzten Maria-Schlaf-Altar aus der Zeit um 1385, den Münzberger um zwei neugotische Altarflügel ergänzt hatte. Die Figurengruppe des Maria-Schlaf-Altars zeigt die sterbende Gottesmutter mit den zwölf Aposteln. Die Ausstattung des Kircheninneren war erst um 1888 mit der Ausmalung abgeschlossen. 1902 wurde sie noch durch einen neugotischen geschnitzten Altar für die Kirchenpatronin ergänzt, der im linken Seitenschiff aufgestellt wurde. Der erste Pfarrer von Sankt Elisabeth war Heinrich Fidelis Müller (1837-1905). Er verließ die Kirche, nachdem er maßgeblich zu deren Bau beigetragen hatte, schon 1873 wieder, um Pfarrer in Kassel, und später in Amöneburg bei Marburg zu werden. 1894 wurde er Domkapitular in Fulda. Müller war nicht nur Geistlicher, sondern auch ein in seiner Zeit bekannter Komponist von geistlichen Liedern und Oratorien. Auch den Katholiken in Bockenheim konnte das nicht entgangen sein, denn zur Zeit der Erbauung von Sankt Elisabeth gab er seine ersten Kirchengesangbücher heraus. Seit 1895 war Sankt Elisabeth nicht mehr – wie 1868 stolz angekündigt – Mittelpunkt einer Kleinstadt, denn Bockenheim wurde in diesem Jahr ein Stadtteil der Großstadt Frankfurt.
In den Jahren 1939 bis 1944 wurde das Kircheninnere umfassend renoviert und der Chorraum neu gestaltet. Die Kirche erhielt auch eine neue Kanzel und einen neuen Taufstein. Die Neugestaltung war jedoch noch nicht abgeschlossen als im Frühjahr und im Herbst 1944 zwei Bombenangriffe das Pfarrhaus zerstörten und die Kirche so schwer beschädigten, dass das Kircheninnere ausbrannte. 1949 begannen die ersten Arbeiten für den Wiederaufbau der Kirche, die schon am 30. April 1950 zum zweiten Mal geweiht werden konnte. Der Innenraum konnte erst seit Beginn der 60er Jahre neu ausgeschmückt und den nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil veränderten Anforderungen angepasst werden. Vom ursprünglichen gotischen Innenraum ist heute nicht mehr allzu viel zu erkennen. Ein besonders wertvolles Stück der alten Innenausstattung, der Maria-Schlaf-Altar, konnte während des Zweiten Weltkriegs jedoch noch rechtzeitig ausgelagert werden, und steht noch heute im rechten Mittelschiff der Kirche.
Von 1978 bis 1983 fand die letzte Außenrenovierung statt, die letzte Renovierung des Kirchenschiffs dagegen erst 2014/15. Eine noch relativ neue Errungenschaft der Gemeinde ist die 2002 auf einem Teil des Kirchendachs installierte Solaranlage. Wie viel sie speichert und andere technische Daten, kann man in Echtzeit an einer Info-Tafel links vom Kircheneingang verfolgen. Seit 2000 ist die Kirche eine Station auf dem von Marburg nach Frankfurt führenden Elisabethpfad worauf eine kleine rote Tafel auf der linken Seite der Kirche hinweist. Seit 2017 ist Sankt Elisabeth ein Kirchort der Pfarrei Sankt Marien.
Adresse
Katholische Gemeinde
St. Elisabeth
Kurfürstenplatz 29
60486 Frankfurt a. M.
Öffnungszeiten: Di-Fr 8-12/15-17 Uhr, Sa 8-12 Uhr (Stand: September 2018).
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Textquellen:
Müller, M.; Ludwig, H.: Alt-Bockenheim in Wort und Bild: Müller, M.; Ludwig, H. (Hrsg.): Frankfurt a. M., 1979 (Reprint der Ausgabe von 1910).
Latsch, Marie-Luise: Bockenheimer Straßen erzählen von gestern, heute und morgen: Die Freunde Bockenheims e.V.-Verein für Ortsgeschichte (Hrsg.): Mammendorf, 2006.
Didaskalia: Blätter für Geist, Gemüth und Publicität: Nr. 167, Mittwoch, 17.Juni, 1868.
http://www.st-elisabeth-frankfurt.de/html/st_elisabeth.html aufgerufen am 28.09.2018.
http://www.st-elisabeth-frankfurt.de/html/solarprojekt.html aufgerufen am 28.09.2018.
http://marien-frankfurt.de/wp-content/uploads/2017/03/Geschichte-der-Kirchen-in-Sankt-Marien.pdf#page=72&zoom=auto,-246,21 aufgerufen am 28.09.2018.
https://de.wikipedia.org/wiki/St._Elisabeth_(Bockenheim) aufgerufen am 28.09.2018.
https://de.wikipedia.org/wiki/Heinrich_Fidelis_M%C3%BCller aufgerufen am 28.09.2018.
Bildquellen:
Vorschaubild: St.-Elisabeth-Kirche, Ansicht von Nordwesten, 2010, Urheber: Gemeinfrei.
Innenraum Sankt Elisabeth nach der Umgestaltung 2014/15, 2017, Urheber: Fischgezwitscher via Wikimedia Commons CC0.
Maria-Schlaf-Altar in St. Elisabeth Bockenheim, 2008, Urheber: CC BY-SA 3.0.