Frankfurt-Lese

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Goethe hat ihn bewundert von Horst Nalewski

Horst Nalewski
Goethe hat ihn bewundert.

Goethes Begegnungen mit Felix Mendelssohn Bartholdy.

Der Musikkenner und international geachtete Literaturwissenschaftler Horst Nalewski erzählt anhand fünf ausgewählter Beispiele von dem außergewöhnlichen Aufeinandertreffen und Zusammenwirken zweier Künstler. Eine CD mit den Musikstücken liegt diesem Büchlein bei.
Erschienen 2011 im Bertuch Verlag.

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Frankfurter Goethe-Haus - Freies Deutsches Hochstift

Frankfurter Goethe-Haus - Freies Deutsches Hochstift

Ralph Zade

„Am 28. August 1749, Mittags mit dem Glockenschlage zwölf, kam ich in Frankfurt am Main auf die Welt. Die Konstellation war glücklich; die Sonne stand im Zeichen der Jungfrau und kulminierte für den Tag; Jupiter und Venus blickten sie freundlich an, Merkur nicht widerwärtig; (...)“. Schauplatz dieser Geburt, deren Beschreibung den Auftakt der wohl bekanntesten deutschen Autobiographie, Goethes „Dichtung und Wahrheit“ bildet, war das Haus am Großen Hirschgraben, das heute als Frankfurter Goethe-Haus bekannt ist.

Das Freie Deutsche Hochstift, eines der ältesten Kulturinstitute Deutschlands, heute Trägerverein des Goethe-Hauses, war ursprünglich allerdings eher mit Schiller als mit Goethe verbunden und Otto Volger, der Initiator seiner Gründung, war kein Germanist, sondern Geologe. Der Geburtstag des Hochstifts, der Tag des Gründungsakts durch Volger und 50 Mitstreiter, einer Großtat Frankfurter Bürgersinns wie die Stiftung des Städel oder die Senckenbergische Stiftung, war nicht etwa ein Geburtstagsjubiläum Goethes, sondern der 100. Geburtstag Schillers, der 10. November 1859. Die enge Verbindung mit Goethe kam erst 1863 zustande, als Goethes Elternhaus zum Verkauf stand und aufgrund einer glücklichen Fügung durch das Hochstift erworben werden konnte.

Genauso bedeutsam wie der 100. Geburtstag Schillers, wenn auch in leidvollem Sinne, war für das Hochstift der 112. Todestag Goethes, der zum Todestag des Goethe-Hauses wurde. Bei einem Luftangriff an diesem Tag, dem 22. März 1944, wurde das Haus vollkommen zerstört. Zum Glück war das Inventar vorher in großen Teilen ausgelagert worden, das Gebäude selbst aber lag in Trümmern.

Die Wiedergeburt nach dem Krieg war eine schwere. Nicht nur war die Zerstörung schwer – die Dichterin Marie Luise Kaschnitz schrieb 1946:

„(...)
Und das Haus war ein Loch, ein Kellerschacht,
Ein Haufen Dreck zum Hohn,
Und Schilder waren dort angebracht,
Darauf stand: Besitz der Nation.
Ich las die Zeichen traumgenau
Über dem wehenden Gras,
Gestalten bückten sich ins Grau
Und sammelten irgend etwas.
(…)“

Auch die Nation, deren Besitz das Haus war, war fragwürdig geworden, und so sprachen gewichtige Stimmen sich gegen eine Rekonstruktion aus. Der katholische Dichter Reinhold Schneider meinte:

„(...) es hatte seine bittere Logik, daß das Goethehaus in Trümmer sank. Es war kein Versehen, das man zu berichtigen hätte, keine Panne, die der Geschichte unterlaufen wäre: es hat seine Richtigkeit mit diesem Untergang. Deshalb soll man ihn anerkennen. (...)“

Wiederaufbau im Mai 1949
Wiederaufbau im Mai 1949

Doch dann setzten sich die Befürworter des Wiederaufbaus durch, deren Beweggründe der Schriftsteller Ernst Wiechert so zusammenfasste:

„Wir haben soviel verloren, dass wir uns einer Nachbildung nicht zu schämen haben. Aus ihr, wenn sie mit reinem Herzen und reinen Händen erfolgt, kann der Keim der wahren Bildung aufgehen. Und wen hätten wir in den bitteren Jahren mehr verloren als Goethe, seine Dichtung, seine Weisheit, seine Menschlichkeit?“

Im Sommer 1947 wurde unter Anwesenheit von André Gide, der im selben Jahr den Literaturnobelpreis gewinnen sollte, der Grundstein zum Wiederaufbau gelegt. Das Goethe-Haus ist also wie vieles andere Historische in Frankfurt nicht echt, sondern rekonstruiert, allerdings so detailgenau, dass es die Atmosphäre, in der Goethe aufwuchs, und die er in „Dichtung und Wahrheit“ beschreibt, zumindest erahnen lässt:

„Ohne also hierüber eine genaue Untersuchung anzustellen, welche ohnehin zu nichts führen kann, bin ich mir bewußt, daß wir in einem alten Hause wohnten, welches eigentlich aus zwei durchgebrochenen Häusern bestand. Eine turmartige Treppe führte zu unzusammenhangenden Zimmern, und die Ungleichheit der Stockwerke war durch Stufen ausgeglichen. Für uns Kinder, eine jüngere Schwester und mich, war der untere weitläufige Hausflur der liebste Raum, welcher neben der Türe ein großes hölzernes Gitterwerk hatte,

wodurch man unmittelbar mit der Straße und der freien Luft in Verbindung kam.“

Goethe wohnte mit Unterbrechungen bis 1775 im Haus und seiner Familie gehörte es bis 1795.

Neben dem eigentlichen Goethe-Haus gibt es hier heute das Goethe-Museum zu sehen, mit der einzigen deutschen Gemäldegalerie, die ausschließlich der Goethezeit gewidmet ist. Dazu soll 2018 außerdem das Deutsche Romantik-Museum kommen, ein Projekt, das sich vor allem aus den exquisiten Handschriftenbeständen des Hochstifts speist und mithilfe privater Spender realisiert wird, die einen Fehlbetrag ausglichen, der durch den Rückzug der Stadt Frankfurt aus der Finanzierung entstanden war. Hieran sieht man, dass der Frankfurter Mäzenatengeist, der der Stadt schon viele Attraktionen geschenkt hat, nach wie vor lebendig ist. Auch wenn die Romantik-Verbindung Frankfurts weit hinter der Jenas, Heidelbergs und Berlins zurücksteht – nur ein bedeutender Romantiker, Clemens Brentano, hat einen engen Frankfurt-Bezug; seine ebenfalls zeitweise hier lebende Schwester Bettine ist nur mit viel Wohlwollen als Romantikerin einzuordnen – wird das Museum, das sein Thema in allen Aspekten – also nicht nur in Bezug auf die Literatur – präsentieren soll, schon wegen der herausragenden Qualität der Exponate ein großer Gewinn für Frankfurt sein.

In den Neubauteilen des Baukomplexes sind außerdem die Wissenschaftler untergebracht, denen das Hochstift seine Bedeutung wesentlich mit verdankt. Vielbändige historisch-kritische Ausgaben der Werke Clemens Brentanos und Hugo von Hofmannsthals kommen nach jahrzehntelanger Arbeit dem Abschluss näher. Eine im Moment (Dezember 2016) erst als Beta-Version zugängliche digitale Faust-Edition soll die Möglichkeiten des Online-Mediums für die Erschließung weiterer Verständnisschichten nutzen.

Für kulturell interessierte Frankfurter ist das Goethehaus nicht zuletzt ein Zentrum für Kulturveranstaltungen, Vorträge und Lesungen, nicht nur, aber auch zu Goethe. Zum 28. August jeden Jahres, dem Geburtstag Goethes, werden die Mitglieder des Freien Deutschen Hochstifts traditionell zu einem festlichen Abend eingeladen, einer Veranstaltung, die so viel Zuspruch findet, dass seit einiger Zeit die Hälfte der Besucher auf den Folgetag vertröstet werden muss. Denn das Hochstift hat nicht nur viele Mitglieder in Frankfurt, seine Ausstrahlung geht weit über die Stadt hinaus.


Literatur (Webseiten zuletzt abgerufen am 21.12.2016):

Website Frankfurter Goethe-Haus – Freies Deutsches Hochstift:

http://www.goethehaus-frankfurt.de/

Zitate aus „Dichtung und Wahrheit“ nach:

Goethes Werke in sechs Bänden, Insel-Verlag 1949, Bd. 1, S. 7

Zitate von Kaschnitz, Schneider, Wiechert, aus: Ulrike Eisenberger, Wo Goethe wohnt – Zerstörung und Wiederaufbau (Textsammlung zu einem Projekt des Freien Deutschen Hochstifts 2009)

http://www.goethehaus-frankfurt.de/bildung-und-vermittlung/museum-und-schule/wechselausstellungen/1textsammlung-wo-g.-wohnt.pdf

(dort: S. 25 [Kaschnitz], S. 29 f. [Schneider], S. 32 [Wiechert])

Petra Maisak/Hans-Georg Dewitz: Das Goethe-Haus in Frankfurt am Main, Insel, Frankfurt am Main 1999

Fritz Adler: Freies Deutsches Hochstift. Seine Geschichte. Erster Teil: 1859-1885. Freies Deutsches Hochstift, Frankfurt am Main 1959

Joachim Seng: Goethe, Enthusiasmus und Bürgersinn. Das Freie Deutsche Hochstift – Frankfurter Goethe-Museum 1881-1960. Wallstein, Göttingen 2009

Beta-Version der Online-Faust-Edition des Hochstifts:

http://beta.faustedition.net/

*****


Bildquellen:

Fotos des Goethehauses von Carolin Eberhardt, 2021.

Wiederaufbau im Mai 1949 Urheber: Bild 183-2005-0717-527 via WIkimedia Commons CC BY-SA 3.0 de


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