Mit Quellen wurden immer wieder religiöse Vorstellungen, Sagen, aber auch unheimliche Erzählungen und Gespenstergeschichten verbunden. In der Frankfurter Sage, die mit dem noch heute in der Nähe der Oberschweinstiege, südlich des Sachsenhäuser Lerchesbergs zu besichtigenden Königsbrünnchen verknüpft ist, verbinden sich Geheimnisvolles, Unheimliches und jahreszeitliches Brauchtum zu einer moralischen Erzählung. Carl Bertling erwähnt in seinem Frankfurter Sagenbuch unter dem Titel "Der Königsbrunnen" zunächst zwei Quellen an der Oberschweinstiege. Die eine, "ein schwacher Säuerling", sei "jetzt", also zu Beginn des 20. Jahrhunderts, "längst geschlossen". Die andere aber, eine eisenhaltige Quelle, sei "gefaßt und mit Anlagen versehen". Ähnlich wie am Wäldchestag, dem Dienstag nach Pfingsten, seien zu früheren Zeiten die Frankfurter auch am Himmelfahrtstag in den Frankfurter Stadtwald geströmt und hätten am Königsbrunnen Kaffee gekocht, der aufgrund der Beschaffenheit des Wassers besonders aromatisch gewesen sei. Am Mittwoch nach Pfingsten hätten hingegen die Metzger an dieser Quelle einen "Kuhtanz" veranstaltet, der möglicherweise, so Anton Horne in seiner "Geschichte von Frankfurt in gedrängter Darstellung", ein Vorläufer des Wäldchestags gewesen sei.
Die Sage, die mit dem Königsbrunnen verknüpft wird, handelt von dem in Frankfurt verstorbenen Ludwig dem Dritten (um 835–882), einem Sohn des Karolingers Ludwigs des Deutschen (um 806–876), der ein leidenschaftlicher Jäger gewesen sei. - Manchmal wird auch Ludwig der Deutsche selbst als Protagonist der Sage genannt. - In der Nacht vor dem 24. Juni, also dem mit vielen Bräuchen und religiösen wie abergläubischen Vorstellungen verbundenen Johannistag, hätte er sich, von seiner Jagdleidenschaft hingerissen, im Frankfurter Wald verirrt und sei gezwungen gewesen, dort bis zur Morgendämmerung auszuharren, um sich wieder orientieren zu können. In der Nähe des von ihm ausgewählten Schlafplatzes habe er eine Quelle entdeckt und dort zunächst seinen Durst gestillt. Dann habe er vergeblich versucht einzuschlafen. Stattdessen habe er unbekannte Gesänge gehört und sei dem "Geisterheer der Johannisnacht" begegnet, das ernst "und schweigsam, wie aus Nebelflor und Mondenglanz gewoben" an ihm vorüber geschritten sei. Ja, es habe den Eindruck gemacht, als hätten seine bösen "Taten ihr stilles Grab verlassen, um ihn zu laden vor den Sternenrichter der Nacht." Dann aber sei ihm eine verschleierte Frau begegnet, die ihn stumm angeklagt habe. Es zeigte sich, dass es seine eigene Frau Luitgart war, die er in einem Kloster untergebracht hatte, um sich in der Zwischenzeit mit einer Geliebten vergnügen zu können. Die Erscheinung habe einen so großen Eindruck auf ihn gemacht, dass er sie um Vergebung gebeten habe. Später habe sich herausgestellt, dass seine Frau ohne sein Wissen todkrank gewesen und in derselben Nacht plötzlich gesundet sei, nachdem sie ihrem Mann vergeben habe. Das Ehepaar habe sich daraufhin versöhnt und Ludwig sei immer wieder zu der Quelle zurückgekehrt, die nach ihm den Namen "Königsborn" und "Königsbrunnen" erhalten habe. Der Frankfurter Dialekt machte daraus später das "Königsbrünnsche". Inwieweit das Königsbrünnchen mit dem Königsbrunnen identisch ist, ist allerdings umstritten, denn auch ein nicht weit entfernter weiterer Brunnen aus dem frühen 17. Jahrhundert wird als Königsbrunnen bezeichnet.
Das Gebiet rund um das Königsbrünnchen und die Oberschweinstiege war wohl bei historischen Persönlichkeiten sehr begehrt, denn in seiner Nähe soll sich nach Friedrich Wilhelm Pfähler auch ein Jagdschloss befunden haben, wo im Hochmittelalter Friedrich II. von Hohenstaufen (1194-1250) und sein Sohn Heinrich VII. (1211-1242) fröhliche Feste gefeiert hätten. Nicht nur Ludwig III. stillte, als er sich verirrt hatte, am Königsbrünnchen seinen Durst und erfrischte sich, sondern bis weit in das 20. Jahrhundert hinein taten dies auch Sachsenhäuser Bürgerinnen und Bürger. Durch die Fassung der Quelle (eigentlich vier verschiedener Quellen) mit Natursteinen im Jahr 1881 war das erleichtert worden. Nach wie vor ist das Wasser trinkbar und sogar gesundheitsfördernd. Es wird zweimal jährlich auf seine Eignung dafür geprüft. Der durch Schwefelwasserstoff bewirkte, ein wenig faulige Geruch der Quelle ist allerdings etwas gewöhnungsbedürftig. Durch den Eisengehalt haben das Wasser und zum Teil auch die Steine der Fassung außerdem eine kräftige Rostfarbe angenommen.
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Textquellen
Bertling, Carl: Frankfurter Sagen- und Geschichtenbuch, Frankfurt a. M., 1907.
Frankfurt-Lexikon: Mit einem Stadtplan herausgegeben von Waldemar Kramer, Sechste, neubearbeitete Ausgabe, Frankfurt a. M., 1973.
Horne, Anton: Geschichte von Frankfurt in gedrängter Darstellung, 3. Aufl. Frankfurt a. M., 1893.
Pfähler, Friedrich Wilhelm: Der Frankfurter Stadtwald und Das Oberforsthaus, Frankfurt a. M., 1898.
>https://frankfurt.de/themen/umwelt-und-gruen/orte/stadtgewaesser/quellen-und-brunnen/koenigsbruennchen< abgerufen am 02.04.2023.
>https://www.kunst-im-oeffentlichen-raum-frankfurt.de/de/page154.html?id=330< abgerufen am 02.04.2023.
>https://de.wikipedia.org/wiki/Johannistag< abgerufen am 02.04.2023.
Ott, Wilhelm abgerufen von >https://steine-in-der-dreieich.de/steinbrunnen.html#stadtwald< am 02.04.2023.
Bildquelle:
Königsbrünnchen, 2005, Urheber: Peng via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0.