Der märchenhaft anmutende Name ‚Goldener Grund‘ für das in der Nähe von Frankfurt gelegene Emsbachtal zwischen Idstein und Limburg hat seinen Ursprung nicht wie zu vermuten wäre in Märchen und Sage, sondern in der eher profanen Tatsache, dass dieses um 250 m über dem Meeresspiegel gelegene Tal als besonders fruchtbar bekannt war und den dort tätigen Bauern jahrhundertelang eine reiche Ernte versprach. Gustav Neumann schrieb in seinem geographischen Werk über das Deutsche Reich von 1874 von einer „überwiegend ebene(n), tiefgründige(n) und fruchtbaren Lehmboden enthaltende(n) Fläche, von besonderer Ergiebigkeit“. Was im Goldenen Grund wuchs, wurde nach seiner Ernte auch auf Frankfurter Märkten angeboten und war bei den Käufern und Käuferinnen beliebt. Die Ursache der besonderen Fruchtbarkeit der Gegend um den Emsbach ist der dort dominierende Lössboden, aber auch ihre klimatisch begünstigte Lage. Das Klima ist hier mit einer durchschnittlichen Jahrestemperatur von 8,5 bis 9 Grad vergleichsweise warm. Der Goldene Grund umfasst ein Gebiet von ca. 32 Quadratkilometern. Wichtigster Ort im Tal ist Bad Camberg, das seit 1927 auch als Kurstadt bekannt ist. Am Ende des Tales liegen Ober- und Niederselters mit den bekannten Mineralquellen – lange Zeit war „Selters“ fast ein Synonym für Mineralwasser. Schon in vorgeschichtlicher Zeit hatte die von der Natur bevorzugte Lage des Goldenen Grundes Menschen angezogen, die sich hier dauerhaft niedergelassen hatten. Keramische Funde beweisen, dass bereits vor 7500 Jahren sesshafte Bauern im Tal lebten.
Jakob Wagner beschreibt in seinem 1863 erschienenen Buch über die Regentenfamilie von Nassau-Hadamar den damaligen weiten Rundblick vom südlichen Rand des Herzenbergs bei Hadamar bis zum Goldenen Grund: „Ganz im S[üden]. aber siehst du am fernen Horizonte die waldigen Höhen der Taunusgebirge, und in einer Entfernung von 9 Stunden die den Wald durchschneidende Landstraße auf der Platte. Läge dieser Berg dir nicht im Wege, du könntest Wiesbaden, und bei Mainz den Spiegel des herrlichsten unter Deutschlands Strömen erblicken. – In südöstlicher Richtung hebt der große Feldberg sein, oftmals noch im Mai, beschneites Haupt empor, und wehret dir den Blick nach dem 16 Stunden entfernten Frankfurt. An seinem nordwestlichen Abhange überschaust du den ganzen Camberger Grund, seiner großen Fruchtbarkeit wegen schon seit Jahrhunderten der ‚goldene Grund‘ genannt.“
Der den Goldenen Grund durchziehende Emsbach hat seine Quelle unterhalb des Kleinen Feldbergs im Taunus und fließt unter anderem über Walsdorf bei Idstein, mehrere Ortsteile von Bad Camberg sowie durch Ortsteile von Limburg und Runkel. In Niederbrechen mündet der ebenfalls durch den Goldenen Grund verlaufende Wörsbach in den Emsbach. Gegenüber von Dietkirchen mündet der Emsbach in die Lahn. Nicht nur der Emsbach und der Wörsbach, sondern auch wichtige Verbindungsstraßen wie die historische Handelsstraße zwischen Frankfurt und Köln und in neuerer Zeit auch eine Autobahn und eine Bahnstrecke verlaufen durch den noch heute agrarisch geprägten Goldenen Grund.
Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts wurde diskutiert, inwieweit es sich lohnen würde, den Goldenen Grund auch an das Eisenbahnnetz anzuschließen. Wichtige Argumente waren dabei die günstige geographische Lage in der Nähe mehrerer größerer Städte, die landwirtschaftliche Bedeutung der Gegend und die wirtschaftliche Bedeutung des Mineralwassers aus Selters, das damals in Krügen nicht nur in alle Gegenden Deutschlands, sondern auch in andere Länder versandt wurde. In den „Jahresberichten der Handelskammern und kaufmännischen Korporationen des Preußischen Staats“ wurden die Argumente für einen Bahnanschluss folgendermaßen zusammengefasst: „Das Emsthal zieht von der Lahn in südlicher Richtung nach dem Mainthale und würde in Verbindung mit dem Schwarzbachthale die kürzeste Schienenverbindung mit Frankfurt ermöglichen, und mittelst einer Abzweigung auch mit Wiesbaden und Mainz. Das Emsthal gehört wie das Aarthal zu den furchtbarsten Thälern Nassaus, weshalb es seit alten Zeiten den Namen der goldene Grund führte. Auch dieses Thal birgt Mineralschätze, welche aber bis jetzt nur wenig aufgeschlossen wurden, weil wegen zu hoher Frachtlöhne sich der Betrieb von Eisensteingruben nicht rentieren würde. Bekanntlich liegt in diesem Thale Niederselters, von dessen berühmtem Mineralwasser jährlich etwa 4 Millionen Krüge versendet werden. Dieser Brunnen liefert daher einer Eisenbahn, welcher ohnehin der große Verkehr zwischen den Stapelplätzen Köln und Frankfurt vorzugsweise zufallen würde, fast täglich eine nicht unbeträchtliche Befrachtung, da täglich über 11,000 gefüllte Krüge zu versenden sind.“
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Textquellen:
Annalen der Landwirthschaft in den Königlich-Preußischen Staaten. Hrsg. vom Präsidium des Königlichen Landes-Oekonomie-Kollegiums, 27. Jg., 54. Bd., Berlin, 1869.
Frankfurt-Lexikon. Mit einem Stadtplan herausgegeben von Waldemar Kramer. Sechste, neubearbeitete Ausgabe,. Frankfurt a. M., 1973.
Jahresberichte der Handelskammern und kaufmännischen Korporationen des Preußischen Staats für 1870, Berlin, 1871.
Neumann, Gustav: Das deutsche Reich in geographischer, statistischer und topographischer Beziehung, 1. Bd. Berlin, 1874.
Tubbesing, Ulrich: Taunus. Bergland zwischen Lahn, Rhein und Main. 50 Touren, München, 2013.
Wagner, Jakob: Die Regentenfamilie von Nassau-Hadamar. Geschichte des Fürstenthums Hadamar mit besonderer Rücksicht auf seine Kirchengeschichte, von den ältesten Zeiten bis auf unsere Tage, nach Urkunden bearbeitet, 1. Bd. 2. Aufl., Wien, 1863.
>https://de.wikipedia.org/wiki/Goldener_Grund< abgerufen am 30.10.2020.
>https://de.wikipedia.org/wiki/Emsbach< abgerufen am 30.10.2020.
>https://www.bfn.de/landschaften/steckbriefe/landschaft/show/30300.html< abgerufen am 30.10.2020.
Bildquellen:
Vorschaubild: Naturschutzgebiet Oberes Emsbachtal, 2015, Urheber: Wikimedia Commons CC0.
viaEmsbach, 2010, Urheber: Gemeinfrei.
Naturschutzgebiet Oberes Emsbachtal, 2015, Urheber: Karsten Ratzke via Wikimedia Commons CC0.