Frankfurt ist eine Literaturstadt. Das liegt unter anderem an der Buchmesse, an der Ansiedlung einer Reihe von Verlagen und an den Frankfurt-Bezügen zahlreicher bekannter Autoren von Goethe über die Brentanos bis hin zu Martin Mosebach und Olga Martynova. Diese Affinität zur Literatur spiegelt sich auch darin wider, dass es gleich mehrere Orte für Lesungen gibt – nicht nur das Literaturhaus, das jedem sofort in den Sinn kommen wird, sondern auch das im Mousonturm angesiedelte Hessische Literaturforum und die Romanfabrik in der Hanauer Landstraße im Ostend.
Letztere ist die älteste literarische Institution dieser Art in Frankfurt, manche sagen sogar in Deutschland, gegründet bereits 1985, knapp vor dem im selben Jahr ins Leben gerufenen Hessischen Literaturforum. An der Gründung waren dezidiert unbürgerliche Personen beteiligt, denen man nicht auf den ersten Blick eine Nähe zur Literatur zuschreiben würde. Nämlich zum einen der Berufseinbrecher Peter Zingler, der im Gefängnis mit dem Schreiben erotischer Geschichten begonnen hatte, später aber in erster Linie als Autor von Krimidrehbüchern für das Fernsehen bekannt werden sollte, wofür er auf eigene Lebenserfahrungen zurückgreifen konnte. Zum anderen die mit Zingler liierte Cartoonistin Doris Lerche. Mit finanzieller Unterstützung zur Seite stand den beiden der Bordellbesitzer Dieter Engel. Die Keimzelle war eine Kneipe in der Uhlandstraße 21, in der Lesungen stattfanden. Dazu stiftete Dieter Engel einen Literaturpreis, der bis 1990 vergeben wurde, und als Vorsitzender der Jury für dessen Vergabe wurde der Präsident der Akademie für Sprache und Dichtung, der Frankfurter Schriftsteller Herbert Heckmann, gewonnen. Zu dem Preis, den als erster Laureat der mit seinem Werk Frankfurt sehr verbundene Peter Kurzeck erhielt, gehörte auch die Möglichkeit, im Hinterhof der Kneipe zu wohnen. Die Finanzierung von Preis und Kneipe machte jedoch schon bald Probleme. Gerettet werden konnte das Projekt schließlich durch die Förderung des Landes Hessen und der Stadt Frankfurt, die 1986 einsetzte. 1992 übernahm der Romanist Michael Hohmann Geschäftsführung und künstlerische Leitung. 1993 engagierte sich die Romanfabrik beim Wiederaufbau der National- und Universitätsbibliothek in Sarajevo, die im Bosnien-Krieg zerstört worden war. 1997 bis 1999 gab sie zur Finanzierung Literaturaktien heraus, die von Mitgliedern der Neuen Frankfurter Schule, nämlich Chlodwig Poth, F. K. Waechter und Robert Gernhardt gestaltet waren und als Dividende u. a. einen reduzierten Eintrittspreis versprachen. 1998 bis 2002 fand ein Wettbewerb „Neues Deutsches Chanson“ statt – die Romanfabrik wollte entgegen dem Namen auch über die Literatur im engeren Sinne hinauswirken und tut das bis heute.
1998 gab es dann eine Zäsur, da der Mietvertrag in der Uhlandstraße auslief. Der Investor Ardi Goldman bot dem Trägerverein an, in die Hanauer Landstraße umzuziehen, wo er ein Immobilienprojekt auf dem Grundstück der ehemaligen Union-Brauerei realisierte und, um das Umfeld attraktiv zu gestalten, ein Kulturprojekt integrieren wollte. Da die neuen Räumlichkeiten, die wesentlich größer waren als die bisherigen, noch nicht bezugsfähig waren, fanden zunächst Veranstaltungen in zwei Ausweichquartieren statt. 1999 gab es dann ein legendäres Fundraising-Dinner im Rohbau des neuen Gebäudes, bei dem der dem Verein verbundene Herbert Heckmann die Festrede hielt und Gastgeberinnen und Gastgeber in Rokokokostümen mit musikalischer Untermalung zum Mehrgangmenü an einer langen Tafel willkommen hießen. Ab 2007 gab die Romanfabrik einen Kulturbrief heraus, ab 2014 auch Bücher, die meistens an Veranstaltungen anknüpfen, das erste 2014 an einen Abend mit Ror Wolf. Ebenfalls 2014 begründete man ein „Philosophisches Café“, zu dem nicht nur Philosophen, sondern Denker aus verschiedensten Gebieten eingeladen werden. Alle zwei Jahre gibt es überdies das Literaturfest „Metropolitan – Die erzählte Stadt“.
Text – Ton – Thema lautet das Motto des Programms der Romanfabrik. „Text“ steht dabei für das, mit dem alles begonnen hat – die Lesungen. „Ton“ steht für Musik – hier reicht das Spektrum von klassischen Konzerten über Jazz bis hin zu Chansons. „Thema“ schließlich bezieht sich auf Abende, bei denen wie im Philosophischen Café oder der 2019 begründeten Reihe „Café Europa“ über verschiedene Themen diskutiert wird. Dabei geht das Programm nicht nur in dieser Reihe über die Landesgrenzen hinaus – im Rahmen der „Romanfabrik international“ lesen auch Autoren, die nicht aus Deutschland, ja nicht einmal aus Europa kommen. Wer sich einen Eindruck vom weit gefächerten Programm der Romanfabrik verschaffen will, kann damit beginnen, in den Veranstaltungsvideos zu stöbern, die auf der Homepage im Internet zu sehen sind – sie sind geeignet, um Appetit auf einen Live-Besuch zu machen.
Man kann in der als Verein organisierten Romanfabrik auch Mitglied werden, um so zur Finanzierung ihrer Veranstaltungen beizutragen, oder eine steuerlich absetzbare Spende leisten. Weitere Finanzquelle ist neben der nach wie vor fließenden öffentlichen Förderung die Vermietung der Räumlichkeiten für eine breite Palette von Veranstaltungen, die von Hochzeiten bis hin zu Firmenfesten reicht. So gelingt es, die pekuniäre Grundlage der Arbeit zu sichern. Es ist erfreulich, dass die Romanfabrik es geschafft hat, in einem Umfeld, das durch Konkurrenz mit vielen anderen Kulturveranstaltungen geprägt ist, nicht nur jahrzehntelang durchzuhalten, sondern auch ein Profil zu entwickeln, das ihr neben den anderen Anbietern einen festen Platz im Frankfurter Kulturleben sichert. Das spricht für die Kompetenz der Macher, ist aber auch ein Zeichen für die Vitalität des Kulturstandorts Frankfurt, wo es nicht nur eine lebendige Kulturszene gibt, sondern auch ein interessiertes Publikum, das freilich nicht nur aus Frankfurt selbst kommt, sondern aus dem ganzen Rhein-Main-Gebiet.
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Textquellen:
Homepage der Romanfabrik abgerufen von >https://www.romanfabrik.de/< am 06.03.2023.
Seite zur Geschichte der Romanfabrik abgerufen von >https://www.romanfabrik.de/romanfabrik/geschichte< am 06.03.2023.
Die Romanfabrik bei ostport.de abgerufen von >https://www.ostport.de/portfolio/romanfabrik/< am 06.03.2023.
Die Romanfabrik auf frankfurt.de abgerufen von >https://frankfurt.de/themen/kultur/literatur/literarische-einrichtungen/romanfabrik< am 06.03.2023.
Bildquellen:
Fotos: mit freundlicher Genehmigung der Romanfabrik; www.romanfabrik.de.