Wenn man heute von der Frankfurter Innenstadt her über das Westend nach Bockenheim hineinläuft, ist keine klare bauliche Trennlinie zu erkennen, alles geht ineinander über und niemand würde auf die Idee kommen, dass Bockenheim kein Frankfurter Stadtteil sei. Zwar liegt es etwa drei Kilometer westlich der Stadtmitte von Frankfurt, geographisch gesehen ist der Mittelpunkt Frankfurts aber sogar auf Bockenheimer Territorium gelegen und auch die hohe Bevölkerungsdichte – Bockenheim ist einer der am dichtesten besiedelten Stadtteile Frankfurts – lassen nichts anderes vermuten, als dass es schon immer ein Großstadtteil gewesen ist.
Die Wahrheit ist: Ein Teil Frankfurts ist Bockenheim erst seit dem 1.4.1895. Lange Zeit gehörte es als selbstständiger Ort, der von 1819 an Stadtrechte hatte, zum Hanauischen Territorium. Erstmals erwähnt wurde es in einer Schenkungsurkunde aus dem 8. Jahrhundert. Über die Zeitläufte hatte Bockenheim größtenteils einen dörflichen Charakter – wenn man das weiß und genau hinschaut, kann man es an einigen Stellen noch erahnen. Stadt wurde es dann, weil man Industrie ansiedeln wollte und die Stadt Frankfurt sich damals diesem Ansinnen gegenüber kritisch zeigte.
38.279 Einwohner hatte Bockenheim im Jahre 2015. Es grenzt im Osten an das Westend, im Süden an das Gallusviertel, im Südwesten an Griesheim, im Westen an Rödelheim, im Norden an Ginnheim und Hausen und im Nordosten an Dornbusch. Das sind Stadtteile, die sehr unterschiedlich sind – vom Westend, das eines der teuersten Frankfurter Wohnquartiere ist, bis Griesheim mit ärmeren Bevölkerungsschichten, das einen sehr hohen Ausländeranteil hat. Was prägt Bockenheim?
Wer an Bockenheim dachte, der dachte lange Zeit erst einmal an die Frankfurter Universität, die auf dem Campus Bockenheim – der allerdings zum größeren Teil im Westend liegt – ihren Ursprung hatte und 80 Jahre lang für das Viertel prägend war. Das ist nicht mehr ganz so, seit wesentliche Universitätseinrichtungen auf den Campus Westend verlegt wurden. Allerdings ist Bockenheim noch immer ein studentisches Wohnquartier und die Studierenden, die hier lange Zeit bevorzugt wohnten, sind immer noch eine prägende Gruppe. Trotzdem ist die Gentrifizierungswelle, die Frankfurt in den letzten Jahren ergriffen hat und die mit überall drastisch steigenden Mieten einhergeht, auch an Bockenheim nicht spurlos vorübergegangen. Dafür ist es zu zentrumsnah und auch zu attraktiv. Diese Attraktivität beruht allerdings zu einem wesentlichen Teil auf den kleinen Läden und zahlreichen Restaurants, oft von Ausländern, die das Viertel sehr kosmopolitisch machen, abwechslungsreich, mit einer großen kulturellen Vielfalt. Man muss hoffen, dass diese trotz der Immobilienpreisentwicklung fortbestehen kann.
Historischer Mittelpunkt von Bockenheim ist der Kirchplatz (die gleichnamige Station der U-Bahn-Linien 6 und 7 bietet einen bequemen Zugang) mit der Jakobskirche, deren älteste Bauteile aus dem 18. Jahrhundert stammen, die aber schon auf das 14. Jahrhundert zurückgeht, und die sehenswerte, von Charles Crodel (1894–1973) geschaffene Fenster hat. Von hier ist es nicht weit zur Leipziger Straße, der Zentralachse von Bockenheim, die eine wichtige Einkaufsstraße ist – es gibt viele kleine Läden, nicht nur direkt an der Straße, sondern auch in den Hinterhöfen drum herum. Sie ist trotz des oft recht starken Verkehrs als Flaniermeile sehr beliebt und hieß ursprünglich Frankfurter Straße – da sie in Richtung Frankfurt führte – was nach der Eingemeindung Bockenheims nicht mehr ging, sodass man einen neuen Namen finden musste.
Weitere Kirchen in Bockenheim sind u. a. die neugotische St. Elisabeth-Kirche, die Ende der 20er Jahre errichtete, wegen ihrer architektonischen Qualität sehenswerte Frauenfriedenskirche, die 1912 erbaute frühere Markuskirche (heute Zentrum Verkündigung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau), die evangelische Dreifaltigkeitskirche – aus den 60er Jahren, weitgehend aus Naturstein – und die Pfarrkirche St. Pius in der Kuhwaldsiedlung (aus den 50er Jahren). Im ehemaligen Käthe-Kollwitz-Haus, das in der Nähe der U-Bahn-Station Industriehof früher einen Bürgertreff beherbergte, befindet sich heute die St. Markus-Kirche der größten koptischen Gemeinde Deutschlands.
Als Wahrzeichen Bockenheims gilt vielfach die Bockenheimer Warte – auch hier gibt es eine U-Bahn-Station –, ein Turm aus dem 15. Jahrhundert, der allerdings jenseits der Grenze zum Westend liegt. Gegenüber liegt das Bockenheimer Depot, eine unter Denkmalschutz stehende Straßenbahnwerkstatt aus dem Jahre 1900, die heute als Theaterspielstätte genutzt wird. Bockenheim nennt außerdem das höchste Gebäude Frankfurts sein eigen, den Europaturm, einen 337 m hohen Fernsehturm, der im Volksmund auch Ginnemer Schbaschl (Ginnheimer Spargel) genannt wird, aber – jeder Bockenheimer wird es bestätigen – in Bockenheim liegt und nicht in Ginnheim.
Der Stadtteil hat auch viele Kultureinrichtungen: Die dramatische Bühne spielt in der Exzess-Halle in der Leipziger Straße. Im Gebäude des Titania-Theaters in der Basaltstraße 23, wo sich damals die Gaststätte „Zur Liederhalle“ befand, hielt am 26. September 1913 Rosa Luxemburg eine pazifistische Rede und wurde daraufhin verhaftet. Auch Museen gibt es in Bockenheim: das Frankfurter Feldbahnmuseum (eine Feldbahn ist eine Schmalspurbahn zum Transport von Lasten), das Geldmuseum der Deutschen Bundesbank – denn auch diese hat in Bockenheim ihren Sitz – und das Experiminta-Museum, ein Wissenschaftsmuseum mit interaktivem Konzept.
Zu guter Letzt kann man sich nach Besichtigungen und Bummeln in einem der Bockenheimer Parks ausruhen, zur Auswahl stehen der Von-Bernus-Park, in dem einst ein im Zweiten Weltkrieg zerstörtes Schloss stand, und in dem es viele exotische Bäume gibt, der Rebstockpark, in dessen unmittelbarer Nähe sich das Rebstockbad befindet, der teils schon in Rödelheim gelegene Biegwald oder der Volkspark Niddatal, der größte Frankfurter Park, der neben anderen Stadtteilen auch an Bockenheim angrenzt.
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Literatur:
Helmut Nordmeyer: Rundgang durch das alte Frankfurt-Bockenheim, Wartberg-Verlag, Gudensberg 2002
Bockenheim: Bunt und eigenwillig, Merkurist 01.11.2017;
Seite zu Bockenheim im Landesgeschichtlichen Informationssystem Hessen;
Website desFeldbahn-Museums;
Website des Geldmuseums;
Website des Experiminta-Museums
(Webseiten zuletzt abgerufen am 31.1.2018)
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Bildquelle:
Blick vom AfE-Turm (März 2007) By Johannes Löw (wp.de: Mo4jolo) - Own work (Original text: selbst erstellt), CC BY-SA 2.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=67...