Ein Ortskern mit dörflichen Ursprüngen, eine immer noch präsente Industrie, eine Uferpromenade mit mediterranem Flair und ein Yachthafen am Mainufer, Straßenzüge, die früher als "Frankfurter Bronx" bezeichnet wurden - kaum ein anderer Frankfurter Stadtteil vereint so deutliche Gegensätze wie Griesheim. Wer wissen will, wie Griesheim (nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Ort nahe Darmstadt) wirklich ist, hat es vom Hauptbahnhof nicht weit - die Fahrt mit S 1 oder S 2 von dort aus dauert gerade einmal vier Minuten. Und gefährlich ist es in Griesheim, das heute etwa 23500 Einwohner hat und im zentralen Südwesten Frankfurts gelegen ist, auch nicht - die Bezeichnung "Frankfurter Bronx" bezog sich auf Probleme, die der Stadtteil in den 80er und 90er Jahren hatte, die aber heute so nicht mehr existieren.
Die Verkehrsanbindung ist für Griesheim prägend. Nicht nur die Bahnlinie, sondern auch die Mainzer Landstraße erschließt den Ortsteil und diese Verkehrsachsen haben Auswirkungen auf die Siedlungsstruktur, sie teilen Griesheim nämlich in einen von Wohnbauten aus den 50er Jahren geprägten Nordteil, einen mittleren Teil mit Bauten aus den 60er und 70er Jahren und einen Südteil, in dem sich der historische Ortskern befindet. Dass die Verkehrsverbindung so gut ist, hat die Entwicklung des Industriestandorts Griesheim begünstigt. Industrie in Griesheim - das war über viele Jahre die Chemieindustrie. Ihren Ursprung nahm diese Industrie im Jahre 1856 mit der Gründung der "Frankfurter Actiengesellschaft für landwirtschaftlich chemische Fabrikate" durch den Chemiker Ludwig Baist (1825-99). Griesheim wurde dabei als Standort gewählt, weil die Freie Stadt Frankfurt eine Chemieindustrie auf ihrem Gebiet nicht zuließ. (Griesheim wurde erst 1928 nach Frankfurt eingemeindet.) Das war der Auftakt zu einer schnellen Entwicklung, die wirtschaftliche Prosperität, aber auch Umweltbelastungen brachte. Am sichtbarsten wird dies an den "Griesheimer Alpen", riesigen Abraumhalden südlich der Main-Lahn-Bahn, die lange Jahre offen dalagen, bevor sie mit Eisenoxid abgedeckt wurden, um die Abgabe von Schadstoffen an die Umwelt zu unterbinden. Heute sind die Halden begrünt. Eine architektonisch interessante Hinterlassenschaft der Chemieindustrie sind die kurz vor der Wende zum 20. Jahrhundert erbauten Arbeiterhäuser in der Elektronstraße (die nach der Chemischen Fabrik Griesheim-Elektron benannt ist). Einen Chemiebezug haben auch die Namen Haeussermannstraße und Baeyerstraße - die Geehrten waren Chemiker. Heute spielt der im Westen von Griesheim gelegene Industriepark Griesheim im Leben des Stadtteils noch immer eine wichtige Rolle, die Bedeutung der Chemieindustrie geht aber deutlich zurück und man versucht, diversifizierte Nutzungskonzepte umzusetzen. Daneben führte die Verkehrsanbindung auch zur Ansiedlung von Verkehrsbetrieben: Die Deutsche Bahn betreibt in Griesheim ein Instandsetzungswerk für ICEs, auch ein Werk zur Instandhaltung von Regionalzügen gibt es, ebenso ein Werk der VIAS GmbH, eines privaten Bahnunternehmens.
Die Industriebezogenheit des Standorts führte zur Ansiedlung ärmerer Bevölkerungsschichten und zu einer entsprechenden Sozialstruktur. In den 80er und 90er Jahren war Griesheim deshalb in Frankfurt als Problemviertel berüchtigt, vor allem aufgrund von Jugendbanden, die im Bereich der westlichen Ahornstraße aktiv waren. Ein kluges Quartiersmanagement hat hier aber zu wesentlichen Verbesserungen geführt und heute trifft die Bezeichnung als Problemviertel nicht mehr zu.
Im alten Ortskern von Griesheim, zum Main hin, kann man noch Spuren der langen Vergangenheit Griesheims sehen. Erstmals erwähnt wurde es unter dem Namen Groezesheim um 850, einen Ort im engeren Sinn gab es damals noch nicht, sondern einen Hof, der der Abtei Lorsch zugeordnet war. In der Folge gehörte das sich dann entwickelnde Dorf zu verschiedenen Territorialeinheiten. Das Rad im Ortsteilwappen erinnert an eine vorübergehende Zugehörigkeit zu Kurmainz ab 1684. Das älteste erhaltene Bauwerk in Griesheim ist das Bürgermeisterhaus, ein barockes Fachwerkhaus von 1662 in der Straße Alt-Griesheim. Sehenswert ist auch die evangelische Segenskirche in der Alten Falterstraße 6, die 1863 im neoromanischen Stil erbaut wurde. Die Sauer-Orgel aus dem Jahre 1887, an deren Klängen man sich heute erfreuen kann, wurde hier erst 1995 eingebaut - ursprünglich war sie für eine Kirche in Bochum bestimmt, die in den 70er Jahren abgerissen wurde. Historistisch (nämlich neugotisch) ist auch der zweite große Kirchenbau in Griesheim, die 1897 geweihte Mariä-Himmelfahrt-Kirche in der Linkstraße. Sehenswert ist überdies der ebenfalls 1897 eröffnete Griesheimer Friedhof - zahlreiche Grabdenkmäler sind denkmalgeschützt; bemerkenswert ist auch das großzügig angelegte Kriegerdenkmal. In der Fabriciusstraße und in der Straße Auf der Beun gibt es eine Reihe von Mietshäusern aus dem Jahre 1905, die architektonisch von Interesse sind. Eine architektonische Besonderheit aus neuerer Zeit bilden die Reihenhäuser, die auf dem Griesheimer Bunker errichtet wurden, dessen solide Bauweise hierfür ein sicheres Fundament bot.
Südlich der Altstadt liegt der Main, der den Stadtteil in besonderer Weise prägt. Hier ist Gelegenheit zum Flanieren, man kann den Ruderern zusehen und es gibt einen Yachthafen. Sehenswert ist auch die Staustufe, die 1932 eingeweiht, dann aber im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde - 1949/50 wurde sie wieder aufgebaut. Die Europabrücke, eine Autobahnbrücke, führt von Griesheim über den Main nach Schwanheim. Die in den 70er Jahren erbaute Brücke ersetzte eine 1934/35 erbaute Brücke, die die erste Autobahnbrücke Deutschlands war. An der Uferpromenade gibt es alljährlich ein Mainuferfest, bei dem nicht zuletzt dem von der örtlichen Apfelweinkelterei Nöll, einem in 5. Generation betriebenen Familienunternehmen, hergestellten Ebbelwoi zugesprochen wird.
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Textquellen:
Ickstadt, Johannes: Griesheim in alter und neuer Zeit, Hrsg. von der Frankfurter Sparkasse von 1822, Frankfurt, 1982.
Bericht über Griesheim in der Frankfurter Neuen Presse: abgerufen von >https://www.fnp.de/frankfurt/griesheim-alles-chemie-10439876.html< am 01.03.2023.
Bericht des Frankfurter Wochenblatts über Griesheim: abgerufen von >https://www.stadtpost.de/frankfurter-wochenblatt-mitte/griesheim-abschalten-main-id84698.html< am 01.03.2023.
Bilder Griesheim auf frankfurt-tourismus.de: abgerufen von >https://www.frankfurt-tourismus.de/Best-of-Frankfurt/Eis-Eis-Baby/Griesheim< am 01.03.2023.
Griesheim auf frankfurt.de: abgerufen von >https://frankfurt.de/frankfurt-entdecken-und-erleben/stadtportrait/stadtteile/griesheim< am 01.03.2023.
FAZ-Beitrag zum Strukturwandel im Industriepark Griesheim: abgerufen von >https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/industriepark-griesheim-im-wandel-das-ende-der-chemie-16538922.html< am 01.03.2023.
Griesheim im Landesgeschichtlichen Informationssystem Hessen: abgerufen von >https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/ol?id=412000190< am 01.03.2023.
Bericht der Frankfurter Neuen Presse über die Apfelweinkelterei Nöll: abgerufen von >https://www.fnp.de/frankfurt/frankfurt-im-stadtteil-griesheim-wird-der-apfelweinjahrgang-2020-produziert-90070301.html< am 01.03.2023.
Bildquellen:
Vorschaubild:
Frankfurt-Griesheim von der Staustufe, 2017, Urheber: Gerold Rosenberg via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0.
Griesheim. Alt Griesheim 20, 2013, Urheber: Karsten Ratzke via Wikimedia Commons CC0 1.0.
Segenskirche Frankfurt-Griesheim Südost quer, 2015, Urheber: Gaki64 via Wikimedia Commons CC BY-SA 4.0.