Wer sich in Zeilsheim, dem westlichsten Frankfurter Stadtteil, nach Osten wendet, sieht die Skyline der Stadt und sogar den Fernsehturm „Ginnheimer Spargel“ nur verschwommen. Zeilsheim liegt nicht besonders nah am Frankfurter Stadtzentrum – die Entfernung beträgt 13 km –, aber mit der S-Bahn kommt man recht schnell hin, selbst wenn der S-Bahnhof Frankfurt-Zeilsheim 500 m vom namensgebenden Stadtteil entfernt im benachbarten Sindlingen liegt. Auch drei Buslinien gibt es.
Die Entfernung Zeilsheims von Frankfurt war lange nicht nur eine in Kilometern zu messende, denn das Dorf, das Zeilsheim war – und von der Anmutung heute teilweise immer noch ist – gehörte historisch gesehen nicht zu Frankfurt. Dass sein Gründungsdatum – 794 – mit dem von Frankfurt übereinstimmt, ist insofern Zufall. Eine weitere Gemeinsamkeit mit der Stadt, deren Teil es nun ist, besteht darin, dass es in Zeilsheim lange vor seiner Gründung eine römische Besiedlung gab, wie eine Villa und 34 Gräber belegen, die 2005 gefunden wurden. Damit haben die historischen Bezüge zu Frankfurt aber schon ein Ende. Zeilsheim gehörte einen großen Teil seiner Existenz zum Kurfürstentum Mainz, was auch erklärt, dass seine Bevölkerung ursprünglich katholisch war – noch 1885 waren von 522 Einwohnern gerade einmal 10 evangelisch. Der Bezug zu Mainz zeigt sich auch in einem der bekanntesten Ereignisse der Geschichte des Ortes, dem 1463 geschlossenen Frieden von Zeilsheim, der die Mainzer Stiftsfehde beendete, in der zwei Aspiranten um das Amt des Erzbischofs von Mainz kämpften. Daran erinnert am Ortsausgang in Richtung des Nachbarorts Münster das sandsteinerne Friedenskreuz von 1759. Ebenfalls aus dem 18. Jahrhundert, nämlich aus dem Jahr 1736, stammt die Michaeliskapelle an der Pfaffenwiese, die der Bevölkerung in vergangenen Zeiten als Zufluchtsort diente.
1803 kam Zeilsheim, das in seiner Frühzeit ein Bauerndorf war und dann zum Straßendorf wurde, an Nassau. Die Straße, an der Zeilsheim damals lag, gibt es heute noch, sie heißt Alt Zeilsheim und bildet den alten Ortskern. Verkehrsdurchgangsort ist Zeilsheim freilich auch immer noch, was zu einer Verkehrsbelastung führt, die in Zeiten des Autoverkehrs schwerwiegender ist als in der Pferdezeit. Historisch interessant ist die katholische St. Bartholomäuskirche, deren klassizistischer Bau 1818 fertiggestellt wurde – der damals errichtete Bau steht in einer Tradition katholischer Kirchen in Zeilsheim, die ins 14. und 15. Jahrhundert zurückreicht. Von den Vorgängerbauten hat allerdings nichts überdauert. Die evangelische Kirche ist dagegen wesentlich neueren Datums – sie wurde 1912 eingeweiht und war errichtet worden, nachdem im 19. Jahrhundert immer mehr Protestanten nach Zeilsheim gezogen waren.
Der Zuzug nach Zeilsheim, der dazu führte, dass der Stadtteil heute mit über 12.000 Einwohnern von der Größe her nicht mehr einem Dorf, sondern einer Kleinstadt entspricht, verdankt sich vor allem der Nähe zu Höchst und der Industrie, die sich dort ansiedelte. Für Arbeiter der Farbwerke Hoechst wurde ab 1899 die „Kolonie“ (früher auch „Colonie“ geschrieben) errichtet, die heute als hervorragendes Beispiel einer Arbeitersiedlung aus jener Zeit unter Denkmalschutz steht und die wohl größte Sehenswürdigkeit von Zeilsheim ist. Sie besteht aus verschiedenen, in schlichtem Jugendstil gehaltenen Haustypen, von denen Doppelhäuser mit charakteristischem Walmdach am häufigsten sind. Jede Haushälfte hatte dabei früher neben dem kleinen Garten einen Hühnerstall. Auch die bereits erwähnte evangelische Kirche befindet sich hier. Zur „Alten Kolonie“ kam ab 1925 eine „Neue Kolonie“ hinzu. Bereits 1917 war Zeilsheim in das nahegelegene Höchst eingemeindet worden. 1928 wurde Höchst dann seinerseits nach Frankfurt eingemeindet, was auch das mit eingemeindete Zeilsheim zu einem Frankfurter Stadtteil machte.
Die Weltgeschichte streifte Zeilsheim nach dem Zweiten Weltkrieg, als hier ein Lager für über 3.000 sogenannte Displaced Persons geschaffen wurde, heimatlose Überlebende der Shoah. Viele von denen, die hier Zuflucht fanden, waren Überlebende deutscher Konzentrationslager in Polen. 1946 wurde das Lager von der Präsidentengattin Eleanor Roosevelt und von David Ben Gurion besucht, der kurz darauf Premierminister des neu gegründeten Staates Israel werden sollte. Das 1948 entstandene Israel nahm dann auch einen großen Teil der Lagerbewohner auf, sodass dieses im November 1948 aufgelöst werden konnte. An das Lager erinnert heute ein Mahnmal im Bechtenwaldpark hinter der Stadthalle.
Der Zuzug nach Zeilsheim nahm auch nach dem Krieg nicht ab und so entstanden neue Wohnsiedlungen, darunter die Märchensiedlung, die so heißt, weil die Fassaden der Häuser Szenen aus den Märchen der Brüder Grimm zeigen, und die Siedlung Taunusblick, die ihren Namen nur noch teilweise verdient, weil die vor der nahegelegenen Autobahn 66 errichteten Lärmschutzwände den Blick in den Taunus zum großen Teil verdecken.
Wahrzeichen des Ortsteils ist der Froschbrunnen mit einem großen Frosch aus Stein, der einen Artgenossen aus Bronze ersetzt hat, der gestohlen wurde. Der Brunnen erinnert an einen Löschteich neben dem Feuerwehrgebäude, in dem sich früher Frösche befanden. Der Teich musste dann trockengelegt werden, nachdem sich Anwohner durch das laute Quaken gestört fühlten. Den Fröschen hat Zeilsheim aber sein größtes Volksfest, das jährlich abgehaltene Froschbrunnenfest, zu verdanken.
Geselligkeit wird in Zeilsheim, das auf seine Identität stolz ist, ohnehin großgeschrieben – davon zeugen die 50 Vereine, die es hier gibt. Auf das Engagement einheimischer Bürger geht auch das kleine aber feine Heimatmuseum zurück.
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Textquellen:
Vollert, Adalbert: Zeilsheim: ein Frankfurter Stadtteil in alter und neuer Zeit, Herausgegeben von der Frankfurter Sparkasse von 1822, Frankfurt, 1983.
Zeilsheim auf frankfurt.de: abgerufen von >https://frankfurt.de/frankfurt-entdecken-und-erleben/stadtportrait/stadtteile/zeilsheim< am 08.05.2023.
Bericht der Frankfurter Neuen Presse über Zeilsheim: abgerufen von >https://www.fnp.de/frankfurt/zeilsheim-fernen-westen-10422744.html< am 08.ß5.2023.
Zeilsheim auf frankfurt-interaktiv.de: abgerufen von >https://frankfurt-interaktiv.de/stadtteile/zeilsheim< am 08.05.2023.
Zeilsheim im Landesgeschichtlichen Informationssystem Hessen: abgerufen von >https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/rsrec/sn/ol/register/ort/entry/412000390%3Azeilsheim< am 08.05.2023.
Webseite zum Heimatmuseum auf dem Kulturportal Frankfurt: abgerufen von >https://kultur-frankfurt.de/portal/de/stadtgeschichte/HeimatmuseumZeilsheim/82/1459/32076/mod510-details1/10.aspx< am 08.05.2023.
Webseite zum Displaced-Persons-Lager: abgerufen von >https://www.nurinst.org/das-displaced-persons-lager-zeilsheim/< am 08.05.2023.
Webseite zum Mahnmal Lager-Zeilsheim: abgerufen von >https://www.kunst-im-oeffentlichen-raum-frankfurt.de/de/page156.html?id=318< am 08.05.2023.
Bildquellen:
Vorschaubild: Colonie-Frankfurt-Zeilsheim bb., 2006, Urheber: Bernd Bauschmann via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0.
Frankfurt-Zeilsheim, Kapelle und Kruzifix Pfaffenwiese gegenüber Nr. 1, 2016, Urheber: Wikimedia Commons CC0.
viaNeu-Zeilsheim Blick nach Westen, 2018, Urheber: Gaki64 via Wikimedia Commons CC BY-SA 4.0.
Frankfurt-Zeilsheim,Froschbrunnen, 2016, Urheber: Karsten Ratzke via Wikimedia Commons CC0.