Am 30.1.1933, dem Tag, an dem Adolf Hitler in Berlin Reichskanzler wurde, war es in Frankfurt noch vergleichsweise ruhig. Es gab Schlägereien zwischen Nazis und ihren Gegnern, SA-Männer hissten auf dem Dach des Opernhauses die Hakenkreuzfahne und bei der Aufführung von Wagners „Meistersingern“ am Abend trug der Bariton Robert vom Scheidt die Arie „Verachtet mir die Meister nicht“ mit erhobenem rechtem Arm vor. Bedrohlicher war da schon der abendliche Demonstrationszug von 2.000 SA-Leuten von der Innenstadt nach Bornheim. In den nächsten Tagen wurde es schlimmer. SA und SS übten teils offenen Terror aus. Aber am 3.2. konnte auf dem Römerberg eine von 10.000 Menschen besuchte Demonstration der „Eisernen Front“ stattfinden, einem Zusammenschluss von SPD, Gewerkschaften und dem Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold, das eine Kampforganisation zur Verteidigung der demokratischen Republik war.
Schon einen Tag später jedoch ordnete Hermann Göring, der zum kommissarischen preußischen Innenminister ernannt worden war, die Auflösung aller Gemeindevertretungen an, wovon auch das Frankfurter Stadtparlament betroffen war – Frankfurt gehörte ja seit 1866 zu Preußen. Der Bürgermeister der Stadt, Ludwig Landmann, der nicht nur sehr progressiv in seinem Wirken war, sondern außerdem auch jüdischer Abkunft, ein Feindbild in jeder Hinsicht für die Nazis also, war da noch im Amt.
Eine Ortsgruppe der NSDAP war in Frankfurt schon 1922 gegründet worden; an der Frankfurter Universität war im selben Jahr eine entsprechende studentische Vereinigung entstanden. Zwar wurde die Partei im November desselben Jahres in Preußen verboten, konnte aber 1925 wieder gegründet werden. Dabei nahm Frankfurt als Organisationszentrum für Hessen eine wichtige Rolle ein.
Frankfurt war an sich – wie es auch heute noch der Fall ist – eine weltoffene Stadt, eine Stadt des Handels mit internationalen Beziehungen, eine Stadt, in der die Moderne durch das Wirken des Stadtbaurats Ernst May früher als anderswo auch architektonisch Einzug hielt, und nicht zuletzt auch eine Stadt mit einem hohen jüdischen Bevölkerungsanteil. Aber es war eben auch eine Stadt mit einem sehr hohen Anteil an Langzeitarbeitslosen, dem größten im Reich nach Breslau, und eine Stadt mit drückender Wohnungsnot, was einen Teil der Bevölkerung anfällig für radikale politische Ideen machte. Und es war natürlich auch hier so, dass die Niederlage im Ersten Weltkrieg und der Vertrag von Versailles ein Nährboden für Ressentiments gewesen war. Die Machtübernahme der Nationalsozialisten empfanden nicht alle Bürger Frankfurts als negativ; wie überall im Reich gab es auch hier viele, die die neuen Verhältnisse als Aufbruch sahen und teilweise sogar begeistert reagierten.
Die Kommunalwahl vom 12.3.1933 brachte in Frankfurt einen Stimmanteil von 47.9% für die Nationalsozialisten, die damit die absolute Mehrheit in der Stadtverordnetenversammlung verfehlten. Noch am 22.2. hatte die Eiserne Front eine Wahlveranstaltung mit 18.000 Menschen abgehalten und damit unter Beweis gestellt, dass es durchaus Widerstand gab. Dadurch, dass den acht KPD-Stadtverordneten die Teilnahme an der konstituierenden Sitzung versagt wurde, wurde dann aber eine Mehrheit der NSDAP im Stadtparlament hergestellt. Am 22.6. wurde die SPD verboten. Die Stadtverordneten der anderen Parteien verzichteten freiwillig auf ihre Mandate. Von den acht hauptamtlichen Stadträten passten sich fünf an und blieben unter der Bezeichnung „Beigeordnete“ im Dienst.
Ludwig Landmann, der Oberbürgermeister, wurde aus dem Amt gedrängt und ging nach Berlin. Der Versuch des Frankfurts Magistrats, ihm seine Pension zu entziehen, blieb dank einer Weisung der Kommunalaufsicht ohne Erfolg. Erst 1939 ging Landmann ins Exil in die Niederlande.
Landmanns Nachfolger wurde, aufgrund einer zunächst kommissarischen Ernennung, Friedrich Krebs (1894-1961), ein Jurist, der bis dahin Richter am Oberlandesgericht Frankfurt gewesen war und sich parallel dazu für die Nationalsozialisten politisch engagiert hatte – u. a. war er 1932 für diese in den Preußischen Landtag gewählt worden. Im Juni wurde er dann endgültig im Amt bestätigt. Am 28.3.1933, noch vor Erlass des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“, also ohne entsprechende formale Rechtsgrundlage (wobei von Recht insofern ohnehin nicht die Rede sein kann), ordnete er die Amtsenthebung sämtlicher jüdischer Beamte und Angestellten der Stadt an; Letzteres betraf auch die städtischen Gesellschaften. Schon allein deshalb ist seine nach dem Krieg erfolgte Einstufung als minderbelastet fragwürdig.
Am Geburtstag Hitlers, dem 20.4., war Frankfurt ein Flaggenmeer von Hakenkreuzfahnen. Am 1.5. und 2.5.1933 zeigten sich dann die beiden Seiten des Nazi-Regimes – die große Teile der Bevölkerung betörende und die repressive – exemplarisch. Am 1.5., dem Tag der Arbeit, den die Nazis zum Feiertag erklärt hatten, versammelten sich abends im Ostpark Menschenmassen zu einem „Fest der 180000“, am Folgetag besetzten SA und SS das Gewerkschaftshaus und weitere den Gewerkschaften zugeordnete Immobilien, deren Vermögen, wie auch das von SPD und Reichsbanner, wurde eingezogen. Ersatzorganisation für die Gewerkschaften war nun die „Deutsche Arbeitsfront“.
Die Repression, die nicht erst in diesem Moment eingesetzt hatte, hatte brutale Züge: Regimegegner wurden verhaftet, gefoltert und inhaftiert. Als Haftanstalten dienten neben der Justizvollzugsanstalt in Preungesheim auch improvisierte, „wilde“ Konzentrationslager. In den ersten Monaten hatten diese Gewaltakte vielfach noch spontan-improvisierte Züge. Später erfolgten Deportationen in Konzentrationslager außerhalb der Stadt, z. B. das in Osthofen bei Mainz.
Das Jahr endete mit weiteren Schritten zur Gleichschaltung: Am 15.12. erging das Gemeindeverfassungsgesetz für Preußen, das zum 1.1.1934 das „Führerprinzip“ einführte und die gewählten Gemeindevertreter durch ernannte Vertreter ersetzte. Am 31.12. löste sich die Stadtverordnetenversammlung auf, ihre Aufgaben wurden ab Anfang 1934 von „Fachausschüssen“ wahrgenommen.
Frankfurt sollte die Vereinnahmung durch den Nationalsozialismus, wie viele andere deutsche Großstädte auch, sehr teuer bezahlen. Aber bis zu dieser Erkenntnis war es 1933 für viele Bürger der Stadt, die mit den Intentionen des neuen Regimes nicht im Konflikt standen, noch ein weiter Weg.
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Textquellen:
Burkard, Benedikt; Gemeinhardt, Anne; Jung, Jenny; Zwilling, Jutta (Hrsg.): Eine Stadt macht mit: Frankfurt und der NS, Begleitbuch zur Ausstellung im Historischen Museum Frankfurt 2022, Petersberg: Michael Imhof Verlag, 2022.
Das Jahr 1933 in der Stadtchronik des Instituts für Stadtgeschichte abgerufen von >https://www.stadtgeschichte-ffm.de/de/stadtgeschichte/stadtchronik/1933< am 03.10.2023.
Beitrag des Instituts für Stadtgeschichte zum Ende der Stadtverordnetenversammlung 1933 abgerufen von >https://www.frankfurt1933-1945.de/beitraege/machtergreifung-und-gleichschaltung/beitrag/das-ende-der-stadtverordnetenversammlung< am 03.10.2023.
Gedächtnisplattform 1933-1945 abgerufen von >https://www.frankfurt1933-1945.de/home< am 03.10.2023.
Heike Drummer: Krebs, Friedrich. In: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe) abgerufen von >https://frankfurter-personenlexikon.de/node/2987< am 03.10.2023.
Bildquellen:
Vorschaubild: 1945: Frankfurt in Trümmern, (Luftbild der USAAF), Urheber: unbekannt, Quelle: Stadtarchiv Frankfurt am Main, in Wolfram Gorr: Frankfurter Brücken. Frankfurt am Main 1982. S. 19. via Wikimedia Commons Gemeinfrei.