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Florian Russi (Hrsg.)

Liebe ist ein Thema, das jeden berührt...Ein manchmal ernüchterndes und zugleich poetisches Buch.

Das Fünffingerplätzchen

Das Fünffingerplätzchen

Sabine Gruber

Zu den Teilen der Frankfurter Altstadt, die im Zuge des Projekts "Neue Frankfurter Altstadt" nicht rekonstruiert werden konnten, gehört das Fünffingerplätzchen, das so genannt wurde, weil hier auf engem Raum fünf Gassen zusammentrafen, und das somit trotz seiner geringen Größe ein zentraler Platz in der Altstadt war. Wegen seines pittoresken Aussehens, das bereits im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert als anachronistisch empfunden wurde, war das Plätzchen, eigentlich nur eine Gassenkreuzung, ein beliebtes Motiv für Ansichtskarten, mit denen die Touristinnen und Touristen früherer Zeiten ihren Freunden zeigen konnten, wie verwinkelt und altmodisch die Frankfurter Altstadt war. In ähnlicher Weise beliebt war in der Altstadt vielleicht nur noch das Roseneck, das heute ebenfalls nicht mehr existiert. Das Fünffingerplätzchen, dessen Bebauung im Zweiten Weltkrieg vollständig zerstört wurde, lag ungefähr dort wo sich heute die Treppe zum Eingang der von 1984 bis 1986 errichteten Schirn Kunsthalle befindet. Nach dem Zweiten Weltkrieg führten zunächst noch ein paar kaum mehr begehbare Pfade an den verschwundenen Ort. Später befand sich dort ein Parkplatz.

Das im Osten des Römerbergs gelegene Plätzchen sah nicht nur pittoresk aus, sondern hier trafen auch Gassen mit teils märchenhaft klingenden Namen zusammen, nämlich das Schwertfegergässchen, das Drachengässchen, die Goldhutgasse, das Flößergässchen und das ein kleines Stück davor einmündende Rapunzelgässchen. Die städtebaulichen Ursachen dieser ungewöhnlichen Zusammenkunft mehrerer Gassen konnten bisher zwar nicht sicher geklärt werden, fest steht aber, dass das Fünffingerplätzchen in der Form, in der es bis zum Zweiten Weltkrieg bestand, auf das Spätmittelalter oder die frühe Neuzeit zurückging. Im Zentrum des Plätzchens war um 1800 der Fleischerbrunnen errichtet worden, einer der vielen damals in Frankfurt neu errichteten Pumpenbrunnen, die die alten Ziehbrunnen ersetzten. Sein Name erinnerte, wie die später hier errichtete Schirn (von Scharn oder Schranne), an die an dieser Stelle der Stadt verbreiteten Fleischerstände. Battonn führt den Namen direkt auf das nahe gelegene Haus zum Fleischer zurück, wenn er über den Brunnen schreibt "Er hat von dem in der Nähe stehenden Hause zum Fleischer seinen Namen erhalten, und da derselbe ursprünglich zum Flösser hiess, so ist wohl nicht daran zu zweifeln, dass er zuerst der Flösserborn (Flesserborn) geheißen hat. Er steht zwischen der [Drachengasse] und dem [Rapunzelgässchen] wider dem doppelten Eckhause".

Die wichtigsten Häuser am Fünffingerplätzchen waren das Haus zum Widder, das lange als repräsentatives Beispiel eines gotischen Hauses galt, das Haus zur wilden Frau mit einer barocken Fassade, das Haus zum Hasen und vor allem das mit seiner prächtigen Fassade besonders repräsentativ wirkende Pesthaus. Es handelte sich dabei nicht etwa um ein Pesthospital, das sicher nicht mitten in der Innenstadt errichtet worden wäre, sondern laut einer Überlieferung sollte an dieser Stelle im Jahr 1349 in Frankfurt erstmals die Pest aufgetreten sein, durch die in den Jahren 1349 und 1350 etwa ein Fünftel der Stadtbevölkerung verstorben ist. Das Haus, das auf den verbreiteten alten Postkarten zu sehen ist, stammte aber wohl nicht mehr aus der Zeit der Pest, sondern vermutlich aus dem 18. Jahrhundert. Weil die Bausubstanz der alten Fachwerkhäuser rund um das Fünffingerplätzchen schlecht war - überhaupt galt die Altstadt trotz ihres auf Touristen sehr anziehend wirkenden Aussehens als weniger gute Wohngegend - fand dort Mitte der Dreißiger Jahre eine umfangreiche Sanierung statt. Seit dem Zweiten Weltkrieg gibt es an einem Kreuzungspunkt von fünf Straßen im Frankfurter Stadtteil Bornheim ein neues Fünffingerplätzchen, das an das verschwundene Plätzchen gleichen Namens in der Altstadt erinnern soll.

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Textquellen

Frankfurt-Lexikon: Mit einem Stadtplan herausgegeben von Waldemar Kramer, Sechste, neubearbeitete Ausgabe, Frankfurt a. M., 1973.

Jost, Henning: Alt-Frankfurt in Farbe, Erfurt, 2013.

Frankfurt in alten und neuen Reisebeschreibungen, Hrsg. v. Hans Ulrich Korenke, Düsseldorf, 1990.

Oertliche Beschreibung der Stadt Frankfurt am Main, von Johann Georg Battonn, Aus dessen Nachlasse herausgegeben von dem Vereine für Geschichte und Alterthumskunde zu Frankfurt a. M. durch den zeitigen Director desselben. Dr. jur. L. H. Euler, Drittes Heft, die Beschreibung der Altstadt und zwar des südlichen und westlichen Theils der Oberstadt enthaltend, Frankfurt a. M., 1864.

Picard, Tobias: Frankfurt am Main in frühen Farbdias, 1936-1943, Erfurt, 2011.

>https://de.wikipedia.org/wiki/F%C3%BCnffingerpl%C3%A4tzchen< abgerufen am 01.06. 2021.

>https://de.wikipedia.org/wiki/Neue_Frankfurter_Altstadt< abgerufen am 1.6. 2021.


Bildquellen:

Vorschaubild und Eingang zur Schirnhalle von Carolin Eberhardt.

Blick in das Rapunzelgässchen, um 1900, Urheber unbekannt via Wikimedia Commons Gemeinfrei,

Haus zum Widder, Foto von C. F. Mylius, um 1880 via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

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