Zwischen der Hauptwache und dem Goetheplatz, zwei zentralen Frankfurter Plätzen, verläuft der Steinweg, eine Einkaufsstraße, die heute Fußgängerzone ist. An der Stelle, an der sich gegenwärtig (April 2021) die Buchhandlung Hugendubel befindet (Steinweg 12), stand früher das Hotel zum Schwan, eines der traditionsreichsten Frankfurter Hotels. Ein Haus zum Schwan ist bereits aus dem 14. Jahrhundert bekannt, seit 1592 beherbergte es einen Gasthof. 1791 wurde ein neuer, wesentlich größerer Bau im klassizistischen Stil errichtet. Das Hotel zum Schwan war in der Folgezeit das vornehmste Haus am Platz. 1831 wurde es modernisiert und mit Gaslicht ausgestattet. Die Vorrangstellung des Hotels bestand bis zum Ende des Jahrhunderts. Hier übernachtete Napoleon, aber auch sein Gegenspieler Blücher und die Schriftsteller James Fenimore Cooper und Willibald Alexis waren ebenso zu Gast wie die Musiker Robert Schumann und Niccolò Paganini. Der Philosoph Arthur Schopenhauer nahm hier eine Zeitlang regelmäßig sein Mittagessen ein. Um die Jahrhundertwende begann dann ein gewisser Niedergang des Hotels.
1871 war das Haus jedoch noch auf der Höhe seines Ruhms. 1871 - das war das Jahr, in dem der an sich schon 1870 entschiedene preußisch-französische Krieg endete, mit einem Sieg Preußens, der dann zur deutschen Reichsgründung führte. Ein Krieg, der mit einem Friedensschluss noch formal beendet werden musste, nachdem im Februar 1871 in Versailles ein Vorfrieden geschlossen worden war. Otto von Bismarck, der nach der im Januar 1871 in Versailles erfolgten Proklamation Wilhelms I. zum Kaiser, die die Reichsgründung endgültig besiegelt hatte, nun Reichskanzler war, wählte als Ort für den Friedensschluss Frankfurt aus. Und in Frankfurt wurde als repräsentativer Schauplatz für den im Mai 1871 stattfindenden Friedensschluss das Hotel zum Schwan auserkoren.
Frankfurt und Bismarck - das war keine Liebesgeschichte. Zwar war Bismarck schon länger mit Frankfurt vertraut - 1851 war er als preußischer Gesandter beim Bundestag, der im Palais Thurn und Taxis residierte (und kein Parlament, sondern ein Gesandtenkongress der Mitgliedstaaten des Deutschen Bundes war), erstmals in dienstlicher Funktion nach Frankfurt gekommen und kannte die Stadt - die Funktion nahm er bis 1859 wahr - daher gut. Er hatte es in dieser Zeit nach anfänglicher Skepsis dem Frankfurter Bürgertum gegenüber auch durchaus zu freundschaftlichen Kontakten in Frankfurt gebracht. Aber die Frankfurter nahmen ihm übel, dass er es war, der mit der preußischen Annexion der Stadt nach dem deutsch-deutschen Krieg von 1866 nicht nur die Ära der Freien Stadt Frankfurt (1815-1866) beendet, sondern damit auch die Tradition der freien Reichsstadt, die seit dem Mittelalter eine hohe Autonomie innerhalb des Reiches genossen hatte, unwiederbringlich zum Ende gebracht hatte. Anhand der satirischen Schriften des Dialektdichters Friedrich Stoltze, der ein großer Bismarck-Gegner war, kann man die Stimmung nachvollziehen. Mit dem Bedeutungsverlust Frankfurts, das nun eine preußische Stadt unter vielen war, hatten sich nach fünf Jahren viele noch nicht abgefunden.
Bismarck wollte nun, so sagt man, die Stimmung in Frankfurt Preußen gegenüber verbessern, indem er den ersten repräsentativen politischen Akt im frisch gegründeten Deutschen Reich in die traditionsreiche Stadt verlegte. So wird er mit den Worten zitiert "Ich wünsche von Herzen, dass der Friede von Frankfurt auch den Frieden für Frankfurt und mit Frankfurt bringen werde."
Deutscher Verhandlungsführer neben Bismarck war auf preußischer Seite der Diplomat Harry Karl Kurt Eduard Graf von Arnim-Suckow, während auf französischer Seite Außenminister Jules Favre, Finanzminister Augustin Thomas Pouyer-Quertier und der Bevollmächtigte Marc-Eugène de Goulard die Verhandlungsführung übernahmen. Favre bezeichnete die Verhandlungsergebnisse später als nationale und persönliche Niederlage, denen er nur wegen einer drohenden militärischen Katastrophe zugestimmt habe. Der Frieden wurde am 10.5.1871 um 14 Uhr 15 unterzeichnet.
Der ausgehandelte Vertrag enthielt 18 Artikel und drei Zusatzartikel sowie ein Protokoll, in dem der Beitritt der süddeutschen Staaten zum Reich festgehalten wurde. Mit dem Vertrag fielen das Elsaß und Lothringen bzw. die entsprechenden französischen Départements mit Ausnahme eines kleinen Gebiets um Belfort an das Deutsche Reich. Frankreich wurde zu Reparationen in Höhe von 5 Milliarden Goldfrancs verpflichtet. Zur Sicherung dieses Anspruchs blieben deutsche Besatzungstruppen in vier Départements sowie den Befestigungen von Paris - erst im September 1873 zogen diese ab. Weitere Regelungen betrafen das Recht von Einwohnern der abgetretenen Gebiete, nach Frankreich zu ziehen, die Kriegsgefangenen, Handelsregelungen und die im Elsaß und in Lothringen befindlichen Eisenbahnanlagen. Die Bedingungen wurden in Frankreich als sehr hart wahrgenommen und trugen dazu bei, dass die seit dem 17. Jahrhundert bestehende "Erbfeindschaft" zwischen Deutschland und Frankreich (das Schlagwort stammt aus der Zeit der Befreiungskriege 1813) fortbestand.
Das "Friedenszimmer" im Hotel zum Schwan wurde nicht mehr vermietet und konnte besichtigt werden - im Deutschen Kaiserreich hatte der gewonnene Krieg einen hohen Stellenwert, wie sich an der jährlichen Feier des Sedantags (nach der entscheidenden Schlacht) und der z. T. bis heute fortbestehenden Benennung zahlreicher Straßen und Plätze nach Kriegsschauplätzen zeigte. 1919 wurde das Hotel zum Schwan in ein Geschäftshaus umgebaut, 1935 dann die Einrichtung des Zimmers ins Historische Museum der Stadt Frankfurt gebracht, wo sie in größeren Teilen bis heute zu sehen ist, darunter der Schreibtisch, auf dem der Vertrag unterzeichnet wurde. Die entsprechenden Gegenstände werden derzeit im Rahmen der Ausstellung "Geldstadt Frankfurt" präsentiert - die Reparationen hatten einen erheblichen Einfluss auf die Wirtschaft des Deutschen Reiches und auch auf sein Währungswesen. Die Auslagerung rettete die Gegenstände vor der Vernichtung - das umgebaute ehemalige Hotel wurde 1944 im Bombenkrieg zerstört. Die Erbfeindschaft mit Frankreich wurde 1963 mit dem Élysée-Vertrag endgültig beendet - schon drei Jahre vorher, 1960, ging Frankfurt eine Städtepartnerschaft mit der französischen Handelsmetropole Lyon ein.
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Textquellen:
Text des Friedensvertrages: abgerufen von >http://www.documentarchiv.de/ksr/1871/frankfurter-friedensvertrag.html< am 09.04.2021.
Seite der Bismarck-Stiftung zum Frieden von Frankfurt: abgerufen von >https://www.bismarck-stiftung.de/2016/08/29/der-frankfurter-frieden-von-1871-der-erste-friedensschluss-des-jungen-deutschen-kaiserreichs/< am 09.04.2021.
Bismarck und Frankfurt - Eintrag zu Bismarck im Frankfurter Personenlexikon: abgerufen von >https://frankfurter-personenlexikon.de/node/1637< am 09.04.2021.
Seite des Historischen Museums zu einer Vase aus dem Friedenszimmer: abgerufen von >https://historisches-museum-frankfurt.de/en/node/33906?language=en< am 09.04.2021.
Video des Historischen Museums zum Friedenszimmer: abgerufen von >https://www.museumsfernsehen.de/der-friede-von-frankfurt-1871-das-friedenszimmer-im-historischen-museum-frankfurt/< am 09.04.2021.
Bildquellen:
Vorschaubild: Friedensverhandlungen im Hotel zum Schwan. Zeitgenössischer Holzschnitt, Leipziger Illustrierten Zeitung vom 3. Juni 1871 via Wikimedia Commons Gemeinfrei.
Mit einer goldenen Feder unterzeichnet: der Friede von Frankfurt, Urheber: Wikimedia Commons via Gemeinfrei.
Gedenktafel „Frankfurter Friede“ Hotel Zum Schwan, Frankfurt a. M, 2009, Urheber: Dirk Schneider via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0.
Jules Favre putting his seal on the Treaty of Frankfurt, 1906, Urheber: Cliche Manuel priz chez Falise via Wikimedia Commons Gemeinfrei.
Hotel zum Schwan, Ort des Friedensschlusses, am Sedantag 1895, Urheber: Friedrich Lauffer via Wikimedia Commons Gemeinfrei.