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Florian Russi

Märchenbühne
Kurze Theaterstücke für integrative Kinder- und Jugendgruppen

8 Theaterstücke von Florian Russi aus dem Bereich der Märchen und Sagen mit unterschiedlchem Schwierigkeitsgrad finden sich in diesem Heft.

Die Taunus-Eisenbahn

Die Taunus-Eisenbahn

Ralph Zade

"Taunus-Eisenbahn. Fahrzeit bis Höchst: 15 Min.; Soden 28 Min. [...]; Castel 1 St.; Biebrich 1 St. 25 Min.; Wiesbaden 1 St. 25 Min. Im Sommer täglich 3 Eilzüge hin und ebenso viele zurück (nur I. und II. Cl.) in ca. 1 St." kann man in Meyers Reisebuch "West-Deutschland" von 1868 nachlesen. Und dazu den Hinweis: "Die Taunusbahn ist für Touristen, der Aussicht wegen, der Linksmainischen Bahn jedenfalls vorzuziehen." Im Folgenden werden die Sehenswürdigkeiten der an der Strecke gelegenen Orte beschrieben, diese waren: Höchst, Hattersheim, Flörsheim, Hochheim, Castel (d. i.das heutige Mainz-Kastel, das - anders als der Name vermuten lässt - seit 1945 ein Stadtteil von Wiesbaden ist) und die beiden Endorte Wiesbaden und Biebrich (das seit 1926 ebenfalls einen Wiesbadener Stadtteil bildet).

1868 war die Taunus-Eisenbahn bereits 28 Jahre alt. Eröffnet worden war sie 1839/40 (die Eröffnung erfolgte in Stufen, ab dem 26. September 1839 konnte man von Frankfurt nach Höchst fahren, Wiesbaden und Biebrich wurden erst 1840 angeschlossen), als neunte Bahnstrecke in Deutschland und als erste auf dem Gebiet des heutigen Bundeslands Hessen. Das Gebiet, das die Bahnstrecke abdeckte, war allerdings damals auf drei Kleinstaaten aufgeteilt, was den Eisenbahnbau deutlich erschwerte, da erst entsprechende Verhandlungen geführt werden mussten. Einer dieser drei Kleinstaaten war Frankfurt, das als Freie Stadt Frankfurt einen Stadtstaat bildete, der zweite war das Herzogtum Nassau, dessen Hauptstadt Wiesbaden als Ziel der Strecke auserkoren war, und der dritte das Großherzogtum Hessen, über dessen Territorium ein Stück der Strecke bei Castel verlief. Streit gab es vor allem deshalb, weil dem Großherzogtum Hessen, das sich im Wesentlichen links des Rheins (d. h. in dessen Süden) befand, die geplante, rechtsrheinische Streckenführung nicht zusagte, weil eine linksrheinische Verbindung die Verkehrserschließung des Großherzogtums, u. a. auch die der Hauptstadt Darmstadt, begünstigt hätte. Für die nordrheinische Variante setzte sich dagegen das Mainzer Eisenbahnkomitee ein. Realisiert werden konnte diese Streckenführung letztlich, weil der an den Verhandlungen beteiligte großherzoglich-hessische Beamte Johann Friedrich Knapp (1776-1848) mit darauf hinwirkte. Dass Knapp im Nachhinein vom Mainzer Komitee ein "Geschenk" von 18000 Gulden erhielt, dessen Annahme ihm durch die großherzogliche Regierung genehmigt wurde, löste einen politischen Skandal aus.

Die Streckenführung hatte auch für die Rheinschifffahrt verkehrstechnische Folgen. Da die Bahn am Bahnhof Curve (heute: Wiesbaden Ost) einen Abzweig zum Rheinhafen Biebrich hatte, was einen Weitertransport angelandeter Waren mit dem Zug ermöglichte (der allerdings nur mit Pferdebahnen, nicht mit Lokomotiven erfolgte), wurde dieser attraktiver als der bisher als Hauptumschlagplatz fungierende Mainzer Rheinhafen. Deshalb blockierten Mainzer Kaufleute am 1. März 1841 den Biebricher Hafen, indem sie mit 103 Lastkahnladungen Bruchsandstein die Fahrrinne nach Biebrich versperrten, sodass vorerst wieder Mainz angefahren werden musste. Auf diese, auch als "Mainzer Nebeljungenstreich" bezeichnete Aktion nahm Heinrich Heine in seinem drei Jahre später erschienenen Versepos "Deutschland. Ein Wintermärchen" Bezug, indem er Vater Rhein in Caput V Strophe 5 sagen ließ: "Zu Biberich hab ich Steine verschluckt, / Wahrhaftig, sie schmeckten nicht lecker!" Dem folgte eine mehrjährige Auseinandersetzung zwischen dem Herzogtum Nassau und dem Großherzogtum Hessen. Drei Jahre nach der Aktion wurden die letzten verbliebenen Steine durch preußische Pioniere aus der Fahrrinne entfernt.

Geld und Wirtschaftsinteressen spielten beim Bau natürlich auch in anderer Hinsicht eine Rolle - im Hinblick auf die Finanzierung der enormen Baukosten. Um diese zu decken, wurden von einem Konsortium unter Führung der Bankhäuser Bethmann und Rothschild Aktien ausgegeben - eine heute gängige, damals noch sehr innovative Form der Geldbeschaffung. Die Aktien waren sehr begehrt und 40-fach überzeichnet.

Der eigens für die Taunus-Eisenbahn geschaffene Frankfurter Taunusbahnhof, der 1837 bis 1839 nach einem Entwurf von Ignaz Opfermann (1799-1866) aus Mainz im frühhistoristischen Stil (Kombination klassizistischer Elemente und solcher der Neurenaissance) erbaut wurde, war der erste Bahnhof in Frankfurt und behielt seine Funktion bis 1888. Von dem Bau, der sich am Rande der Wallanlagen und des heutigen Willy-Brandt-Platzes befand, ist heute nichts mehr erhalten. Auch sein etwas später errichtetes Pendant in Wiesbaden, ein ebenfalls Taunusbahnhof genanntes Gebäude desselben Architekten, das an der Ecke Rheinstraße/Wilhelmstraße stand, ist heute aus dem Stadtbild verschwunden. Der Bau der Strecke wurde von Paul Camille Denis (1795-1872) verantwortet, der schon den Bau der ersten deutschen Eisenbahnstrecke von Nürnberg nach Fürth geleitet hatte.

Die Lokomotiven und Waggons kamen aus der Fabrik von Robert Stephenson and Company in Newcastle (Robert Stephenson war der Sohn des Eisenbahnpioniers George Stephenson). Ein prominenter früher Fahrgast war Clemens Brentano, der am 24. September 1841 seinen Halbbruder Franz von Frankfurt aus in Winkel im Rheingau besuchte und dafür zunächst morgens um acht "mit Dampfwagen" nach Castel fuhr, dort um zehn Uhr in ein Dampfschiff umstieg und bereits um elf Uhr bei Franz Brentano eintraf. Noch wenige Jahre zuvor hätte es wesentlich länger gedauert, diese Strecke zu bewältigen.

Heute fahren auf der mittlerweile elektrifizierten Strecke nur auf der kurzen Teilstrecke von Wiesbaden nach Wiesbaden Ost Züge des Fernverkehrs, ansonsten ist sie dem - teilweise durch S-Bahnen abgedeckten - Regionalverkehr vorbehalten, der allerdings stark frequentiert wird. Dass sie eine der ältesten Bahnstrecken Deutschlands ist, fällt, wenn man es nicht weiß, nicht auf.

 

 

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Textquellen:

Hager. Bernhard: 150 Jahre Taunus-Eisenbahn: Zum hundertfünfzigjährigen Jubiläum der Taunus-Eisenbahn von Frankfurt nach Wiesbaden: ein Beitrag zur frühen Eisenbahngeschichte, Eisenbahnen und Museen Folge 39, Deutsche Gesellschaft für Eisenbahngeschichte, Hövelhof, 1991.

Meyers Reisebücher: West-Deutschland, von Hey'l und Berlepsch, Ausgabe I, Bibliographisches Institut, Hildburghausen, 1868 (Zitat: S. 75).

Feilchenfeldt, Konrad: Brentano Chronik: Daten zu Leben und Werk, München/Wien, 1978.

Historischer Plan der Taunus-Eisenbahn aus der Bibliothek der ETH Zürich: abgerufen von >https://www.e-rara.ch/zut/content/zoom/11949332< am 30.11.2021.

Daten zur Taunus-Eisenbahn auf bahnarchiv.de: abgerufen von >http://bahnarchiv.de/bahngeschichte/privateisenbahngesellschaften/hessen/teg.php< am 30.11.2021.

Webseite zum Nebeljungenstreich im Lilienjournal: abgerufen am >https://lilienjournal.de/der-mainzer-nebeljungenstreich/< am 30.11.2021.

 

Bildquellen:

Vorschaubild: Der ehemalige Taunusbahnhof in Frankfurt, 1850, Urheber: unbekannt via Wikimedia Commons public domain.

Taunus-Eisenbahn - Kastel, etwa 1840, Urheber: unbekannt via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

 

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