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Klaus-Werner Haupt

Francesco Algarotti

Gelehrter - Connaisseur - Poet

Mit seinem Buch zeichnet Klaus-Werner Haupt nicht nur das Bild eines überaus vielseitigen Mannes, sondern ein Gemälde des Jahrhunderts der Aufklärung. Eine unterhaltsame Lektüre!

Septemberunruhen 1848

Septemberunruhen 1848

Ralph Zade

„(…) am 18. September eine Barrikade auf der Brücke und die Schurken bis kurz vor meinem Hause stehend, zielend und schiessend auf das Militär in der Fahrgasse, dessen Gegenschüsse das Haus erschüttern: plötzlich Stimmen und Geboller an meiner verschlossenen Stubenthüre: ich, denkend, es sei die souveräne Kanaille, verrammle die Thür mit einer Stange: jetzt geschehn gefährliche Stöße gegen dieselbe: endlich die feine Stimme meiner Magd: es sind nur einige Österreicher!’ Sogleich öffne ich diesen werthen Freunden: 20 blauhosige Stockböhmen stürzen herein, um aus meinen Fenstern auf die Souveränen zu schießen, besinnen sich aber bald, es gienge vom nächsten Hause besser. Aus dem ersten Stock rekognoscirt der Offizier das Pack hinter der Barrikade: sogleich schicke ich ihm den großen doppelten Opernkucker, mit dem Sie einst den Ballon sahn. (...)“

So beschrieb Arthur Schopenhauer, der keine Sympathien für den Septemberaufstand von 1848 hatte und die Truppen begrüßte, die sich den radikaldemokratischen Revolutionären entgegenstellten, die diesen trugen, in einem Brief vom 2.3.1849 in der Rückschau die Ereignisse vom 18. September 1848.

Denkmal für die ermordeten Abgeordneten auf dem Hauptfriedhof Frankfurt
Denkmal für die ermordeten Abgeordneten auf dem Hauptfriedhof Frankfurt

Wer heute an Frankfurt im Jahre 1848 denkt, an die Revolution, der denkt meist in erster Linie an das Paulskirchenparlament. Dass es im September diesen Jahres gewaltsame Auseinandersetzungen in der Stadt gab, die Todesopfer forderten, ist weitgehend vergessen.

Wie bei vielen Dingen in Frankfurt gibt es Spuren der damaligen Ereignisse auf dem Hauptfriedhof. 1857 wurde dort auf Anregung des preußischen Kronprinzen Wilhelm, der als preußischer König ab 1866 auch über Frankfurt herrschen sollte und wenige Jahre später deutscher Kaiser wurde, ein Mahnmal errichtet. Es gilt der Erinnerung an den preußischen Generalmajor Hans von Auerswald und an den Fürsten Felix Maria von Lichnowsky, die im Rahmen der damaligen Ereignisse von Aufständischen ermordet wurden. 1873, schon zu Zeiten des Deutschen Reiches, kam ein weiteres Mahnmal hinzu, es gilt dem Gedenken an 34 Gefallene „aus dem Volke“, aus den Reihen der Aufständischen also, die am selben Tag, am 18. September 1848, ums Leben kamen. Nur für die zwölf bei den Ereignissen umgekommenen Soldaten gibt es kein Denkmal.

In der zeitgenössischen Publikation „Das merkwürdige Jahr 1848 – Eine neue Bilderzeitung“ findet sich als 39. Bild unter der Überschrift „Schreckliche Mordthat!“ eine gezeichnete, fast an Comics erinnernde Darstellung der beiden Morde, bei der die Bildunterschriften an Drastik nichts zu wünschen übrig lassen – es ist von einer „schwarzen That“ die Rede, „schwärzer als die finstere Mitternacht“, und davon, dass die Knochen der Arme eines der Opfer zermalmt, seine Hände mit Säbeln zerhackt worden seien – diese Details sind fett gedruckt, damit sie gleich ins Auge springen.


Denkmal für die Toten der Septemberunruhen
Denkmal für die Toten der Septemberunruhen

Wo kam diese Wut her?

In Schleswig und Holstein hatte sich im März 1848 in Kiel eine Provisorische Regierung gebildet. Die Herzogtümer Schleswig und Holstein wurden durch den dänischen König regiert, Holstein gehörte dabei aber zum Deutschen Bund, Schleswig, dessen Bevölkerung deutsch, dänisch und friesisch gemischt war, jedoch nicht. Es bestanden Bestrebungen, Schleswig mit Holstein zu vereinigen. Infolge dieser Ereignisse, deren Hintergründe kompliziert sind – auch die dänische Erbfolge, die nach dem Tod des dänischen Königs Christian VIII. relevant wurde, spielte eine Rolle – war es zu einem Krieg zwischen Dänemark und Preußen gekommen, in dem Dänemark zunächst die Oberhand behielt. Die Kriegshandlungen wurden am 26. August 1848 mit dem Waffenstillstand von Malmö vorübergehend beendet (später flammten sie wieder auf). Der Waffenstillstand wurde am 16. September durch einen Paulskirchenbeschluss gutgeheißen. Auerswald und Lichnowsky, die dem rechten Flügel der in der Paulskirche vertretenen Kräfte angehörten, standen auf der Seite der Befürworter des Waffenstillstands, der durch linke Revolutionäre als Verrat gegenüber den revolutionären Kräften in Schleswig und Holstein, die ihrer Meinung nach deutschnationale Interessen vertraten, und als demütigend angesehen wurde. Gerade diese beiden Personen anzugreifen war für die radikaldemokratischen Kräfte deshalb aus einer symbolorientierten Sicht heraus durchaus sinnvoll. Lichnowsky stand darüber hinaus für einen Adelstypus, der radikaldemokratischen Kreisen besonders verhasst war. 1848/49 erschien in der „Neuen Rheinischen Zeitung“ in Fortsetzungen der satirische Roman „Leben und Thaten des berühmten Ritters Schnapphahnski“ von Georg Weerth (1822-1856), für dessen Helden er das Vorbild war. Die erste Folge erschien bereits im August – vor dem Mord –, dennoch wurde gegen Weerth ein Verfahren wegen Verunglimpfung eines Verstorbenen eröffnet.

Das Schopenhauerhaus 1816
Das Schopenhauerhaus 1816

Bei den beiden Morden blieb es nicht. In Frankfurt wurden durch Aufständische an etwa vierzig Stellen Barrikaden errichtet, u. a. auf der Alten Brücke, zwischen dem Römerberg und der Neuen Kräme, auf der Zeil, in der Fahrgasse sowie an der Haupt- und Konstablerwache, um den preußischen und österreichischen Truppen, die gegen sie standen, etwas entgegenzusetzen. Arthur Schopenhauer, der in der Schönen Aussicht 16 im Fischerfeldviertel wohnte – das Gebäude brannte am 22. März 1944 infolge eines Bombenangriffs nieder und wurde nicht rekonstruiert – war mitten im Geschehen. Die Zahl von 40 Barrikaden trügt – die Verteidigung war eher dilettantisch organisiert und noch am selben Tag war der Aufstand niedergeschlagen. Die beiden Morde, die große Empörung auslösten, waren eine durchaus willkommene Gelegenheit, Verhältnisse zu schaffen, die eine revolutionäre Veränderung im Rhein-Main-Gebiet verhinderten. Die Ereignisse machten eine Zusammenarbeit zwischen liberalem Bürgertum und Radikaldemokraten unmöglich, was letztlich zum Scheitern der Revolution beitrug.

 

*****

Textquellen:

Schopenhauer, Arthur: Von ihm. Über ihn. Ein Wort der Vertheidigung von Ernst Otto Lindner und Memorabilien, Briefe und Nachlassstücke von Julius Frauenstädt. Berlin, A. W. Hayn, 1863 (Hieraus, S. 491, das Eingangszitat.)

Wettengel, Michael: Die Revolution von 1848/49 im Rhein-Main-Raum, Historische Kommission für Nassau, Wiesbaden, 1989.

Die beschriebene „Bilderzeitung“ abgerufen von >https://www.bundesarchiv.de/DE/Content/Artikel/Ueber-uns/Dienstorte/Rastatt-Akte-des-Monats/2023-09_akte_des_monats_1848_1849.html< am 29.07.2024.

Webseite zu den Mahnmalen auf den Frankfurter Hauptfriedhof abgerufen von >http://www.denkmalprojekt.org/2013/frankfurt-am-main_hauptfriedhof_1848_hs.html< am 29.07.24.

Webseite zum Mahnmal für die Aufständischen auf dem Hauptfriedhof abgerufen von >https://revolution-1848.de/dieorte/denkmal-fuer-die-opfer-der-revolution-1848-auf-dem-hauptfriedhof/< am 29.07.2024.

Stadtplan mit Einzeichnung der Barrikaden im Historischen Museum aufen von >https://historisches-museum-frankfurt.de/de/node/33827< am 29.07.2024.

Bildquellen:

Vorschaubild: Die Ermordung des Fürsten Lichnowsky und des Generals von Auerswald zu Frankfurt a. M. am 18. September 1848, Urheber: unbekannt via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

Denkmal auf dem Frankfurter Hauptfriedhof für die ermordeten Abgeordneten Hans von Auerswald, Felix von Lichnowsky und 12 beim Aufstand getötete Soldaten, 2005, Urheber: Flibbertigibbet via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0.

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