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Berndt Seite

Augentrost

In den vielen Werkstätten des Anthropozän zieht Berndt Seite an den Fäden des Moments und befragt mit ihnen den längst abhanden geratenen Sinn des Lebens.

Deutsche Nationalbibliothek

Deutsche Nationalbibliothek

Ralph Zade

Dass Frankfurt eine Buchstadt ist – mit der europaweit bedeutendsten Buchmesse, zahlreichen bekannten Verlagen und einem der beiden Standorte der Deutschen Nationalbibliothek – erscheint Manchem als selbstverständlich. Man verweist in diesem Zusammenhang gern auf eine lange Tradition. Ganz so einfach ist die Sache aber nicht. Zwar hat Frankfurt durchaus eine Buchmessentradition, die Jahrhunderte alt ist, die Frankfurter Buchmesse verlor dann aber zugunsten der Messe in Leipzig an Bedeutung, sodass in der jüngeren Neuzeit zunächst die Leipziger Buchmesse zur alleinigen Buchmesse von nationaler Relevanz aufstieg. Auch als Verlagsstadt war Leipzig bis 1945 bedeutender und selbst die Ursprünge der Deutschen Nationalbibliothek, die sich Frankfurt heute mit Leipzig als weiterem Standort teilt, liegen in Leipzig und nicht in Frankfurt. Dass Frankfurt heute eine wichtigere Buchstadt als Leipzig ist – das immerhin nicht nur seinen Teil der Deutschen Nationalbibliothek beherbergt, sondern nun auch wieder eine Buchmesse, die nach der in Frankfurt die bedeutendste Deutschlands ist – ist eine Folge von Neugründungen nach der deutschen Teilung.

1912 gründete man in Leipzig die Deutsche Bücherei. Hieran beteiligt waren das Königreich Sachsen, die Stadt Leipzig und der Börsenverein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig. Die neue Institution sollte ein „Archiv des deutschen Schrifttums und des deutschen Buchhandels“ sein, was bedeutete, dass sie das gesamte seit 1913 in Deutschland erscheinende Schrifttum sowie das im Ausland in deutscher Sprache veröffentlichte Schrifttum sammeln sollte. Die Deutsche Bücherei, die trotz teilweise schwieriger Rahmenbedingungen bis zum Ende des Deutschen Reiches weiterbestand, überlebte auch die Gründung der DDR und existierte in dieser bis zur Wiedervereinigung weiter.

In Frankfurt wurde 1946 die Deutsche Bibliothek gegründet, die ein Pendant zur Deutschen Bücherei im sowjetisch besetzten Teil Deutschlands sein sollte. Träger derselben waren seit 1947 der Frankfurter Börsenverein des Deutschen Buchhandels und die Stadt Frankfurt. Der erste Standort der neuen Bibliothek befand sich am Untermainkai 15 im Rothschildpalais – heute Sitz des Jüdischen Museums – und dem benachbarten Manskopfschen Haus. 1948 wurden zudem die ersten Schritte zur Schaffung einer „Bibliothek der Emigrationsliteratur“ unternommen – einer Vorläuferin des heutigen Deutschen Exilarchivs. Seit 1952 war die Deutsche Bibliothek als Stiftung des Landes Hessen und der Stadt Frankfurt organisiert, an der sich die Bundesrepublik Deutschland und der Börsenverein beteiligten. Das Standortprovisorium – seit 1953 hatte man aufgrund von Platzmangel eine Aufteilung auf drei Orte vornehmen müssen – fand 1959 ein Ende, als man einen Neubau in der Zeppelinallee beziehen konnte; die Gegenwart von Bundespräsident Theodor Heuss bei der Einweihung unterstrich die Bedeutung der Institution. Endgültig gelöst waren die Platzprobleme damit nicht – der Magazinturm erhielt 1965 zehn zusätzliche Geschosse. 1969 wurde die Bibliothek dann auch juristisch auf eine neue Grundlage gestellt: Mit dem Gesetz über die Deutsche Bibliothek wurde die Bundesrepublik Deutschland alleiniger Finanzierungsträger. 1970 wurde das Deutsche Musikarchiv im Westberliner Ortsteil Lankwitz eingegliedert, das bis dahin Deutsche Musik-Phonothek hieß. Seit 1973 war kraft einer Verordnung die Pflichtablieferung von Musiknoten und Musikschallplatten an dieses Archiv vorgeschrieben, in den Grundzügen analog zur für Bücher bestehenden Pflicht.

1990 wurde die Deutsche Bibliothek dann im Rahmen der Wiedervereinigung Deutschlands mit der Deutschen Bücherei in Leipzig zu einer einheitlichen Institution mit der Bezeichnung „Die Deutsche Bibliothek“ und zwei Standorten – in Frankfurt und in Leipzig – verschmolzen; die Bedeutung, die man diesem Schritt zumaß, drückt sich darin aus, dass der Einigungsvertrag hierzu eigens eine Regelung vorsah. Ein weiterer Einschnitt war für den Frankfurter Teil der Umzug an einen neuen Standort an der Adickesallee. 2006 nahm man dann die vorerst letzten Veränderungen der Arbeitsgrundlagen vor. Das Gesetz über die Deutsche Nationalbibliothek benannte die Bibliothek entsprechend dem Titel des Gesetzes um und dehnte ihren Sammelauftrag auf Veröffentlichungen im Internet aus. Mit diesem neuen Gesetz wurde auch die Betreuung des ihr angegliederten Deutschen Exilarchivs als Aufgabe der Deutschen Nationalbibliothek gesetzlich festgeschrieben. 2010 zog das Deutsche Musikarchiv von Berlin nach Leipzig um.

Die Deutsche Nationalbibliothek ist seit 1969 eine bundesunmittelbare Anstalt des öffentlichen Rechts, beaufsichtigt wird sie von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, derzeit (2022) also von Kulturstaatsministerin Claudia Roth. Das Budget der Bibliothek wird dementsprechend gemeinsam mit dem Haushalt des Kanzleramts verabschiedet. In Frankfurt arbeiten ungefähr 360 der mehr als 630 Mitarbeiter.

Die Aufgabe der Deutschen Nationalbibliothek ist grundsätzlich immer noch die ihrer Vorgängerinstitutionen: als „Gedächtnis der Nation“ sammelt sie ungeachtet ihres inhaltlichen Werts alle in Deutschland erscheinenden Publikationen (ergänzt durch ausländische Publikationen auf Deutsch oder mit sonstigem Deutschlandbezug) – nur eben nicht nur mehr Bücher, wie am Anfang, sondern auch andere Medien und Internetpublikationen. Dabei gibt es zwischen den Sammelgebieten in Frankfurt und in Leipzig leichte Abweichungen; grundsätzlich sind jedoch alle in Deutschland erscheinenden Bücher an beiden Standorten vorhanden. Dass die Nationalbibliothek nur deutschsprachige Werke sowie fremdsprachige Werke mit Deutschlandbezug sammelt, unterscheidet sie von einigen ausländischen Nationalbibliotheken, die einen universellen Sammelauftrag haben.

Die Stadt Frankfurt und die Stadt Leipzig arbeiten gut zusammen, was sich u. a. daran zeigt, dass 1990 eine Städtekooperation vereinbart wurde. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass beide Buchstädte sind – dass sie nun gemeinsam die wichtigste deutsche Bibliothek beherbergen, ist eine Facette dieser Tatsache, wenn auch nicht die einzige.

 

 

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Textquellen:

Deutsche Nationalbibliothek (Hrsg.): Deutsche Nationalbibliothek: Bewahren für die Zukunft. Verlag Deutsche Nationalbibliothek, Leipzig/Frankfurt am Main/Berlin, 2008.

Website der Deutschen Nationalbibliothek: abgerufen von >https://www.dnb.de/DE/Home/home_node.html< am 29.06.2022.

Bericht von Florian Balke in der FAZ zum 100. Jubiläum 2012: abgerufen von >https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/100-jahre-deutsche-nationalbibliothek-doppelt-sammeln-haelt-besser-11696674.html?printPagedArticle=true#pageIndex_3< am 29.06.2022.

 

Bildquellen:

Vorschaubild: Magazin der Deutschen Nationalbibliothek in Frankfurt/Main, 2011, Urheber: Dontworry via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0.

Deutsche Nationalbibliothek Frankfurt am Main: Lesesaal, 2008, Urheber: Raimond Spekking via Wikimedia Commons CC BY-SA 4.0.

Deutsche Bibliothek, Frankfurt am Main. r, Per Kirkeby, 2007, Urheber: Warburg via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

 

 

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