Frankfurt und Leipzig sind seit mehr als 30 Jahren durch eine Städtepartnerschaft verbunden. Das hat seine Gründe – beide Städte waren und sind Messestädte, beide sind Wirtschaftsmetropolen, beide sind über Buchmesse und Verlage auch Schauplätze der deutschen Buchgeschichte. Diese Tatsachen sind weithin bekannt. Dass beide Städte auch in Bezug auf ihre Straßenbahnen etwas gemeinsam haben, ist der Öffentlichkeit dagegen bisher wenig bewusst. Beide Städte sind nämlich unter den ersten in Deutschland, die eine Straßenbahn – damals noch als Pferdebahn – eingeführt haben, beide feiern im Jahre 2022 den 150. Jahrestag dieser Einführung und die Einführung geschah mit gerade einmal einem Tag Abstand – in Leipzig am 18. Mai 1872, in Frankfurt am 19. Mai. Nachdem die allererste deutsche Pferdebahn 1865 Berlin und Charlottenburg verbunden hatte, waren die beiden Partnerstädte, die damals natürlich noch keine Partnerstädte waren, bei der Einführung des neuen Verkehrsmittels zwar nicht die ersten, aber immerhin doch ganz vorn dabei. Die erste Frankfurter Linie, die von der Frankfurter Trambahn-Gesellschaft betrieben wurde, die die Tochtergesellschaft einer Brüsseler Gesellschaft war, führte von Bockenheim, das damals noch nicht zu Frankfurt gehörte, zur Hauptwache. Die Trambahn-Gesellschaft erweiterte das von ihr betriebene Netz in den folgenden Jahrzehnten deutlich, blieb dabei aber nicht die einzige Straßenbahngesellschaft in Frankfurt.
Seit 1872 ist die Straßenbahn in Frankfurt ein wichtiger Teil des öffentlichen Verkehrs geblieben, obwohl es durchaus Aufs und Abs gab. Es gab sogar einmal den Plan, sie in der Innenstadt ganz abzuschaffen.
1884 ging die erste elektrische Straßenbahn in Betrieb und zwar von Sachsenhausen nach Offenbach, Betreiber war die Frankfurt-Offenbacher Trambahn-Gesellschaft. Es war die vierte elektrische Straßenbahn in Europa. In der Folge machte man verschiedene Versuche mit Antrieben, 1888 mit einer Dampfbahn und 1891 mit einer akkugetriebenen Bahn. Diese Bahnen fuhren auf verschiedenen Trassen und wurden von verschiedenen privaten Gesellschaften betrieben, eine Gesamtabstimmung oder ein gemeinsames Netz gab es nicht.
Grundlegende Veränderungen fanden dann um die Jahrhundertwende statt. Das betraf sowohl die Technik als auch die Betreiber. 1898 begann die Stadt Frankfurt, sich am Geschäft mit der Straßenbahn zu beteiligen und erwarb die meisten verbliebenen Pferdebahnen. 1899 gab es dann die erste elektrische Straßenbahn in städtischem Besitz, sie führte vom Palmengarten über Sachsenhausen nach Bornheim. Die Technik, die man nun verwendete – eine einpolige Gleichstrom-Oberleitung sorgte für die Stromversorgung – sollte sich durchsetzen. 1904 wurden schließlich die letzten Pferdebahnen auf Elektrobetrieb umgestellt. In den folgenden Jahrzehnten wurde das Netz kontinuierlich ausgebaut und wuchs massiv, bis es im Jahre 1938 seine maximale Ausdehnung erreichte und 32 Linien mit insgesamt 125 Streckenkilometern umfasste. Der weitere Ausbau wurde dann durch den Krieg verhindert und nicht nur das: die massiven Kriegszerstörungen in der Stadt machten auch vor der Straßenbahn nicht halt. Immerhin fuhren die Bahnen bis kurz vor Kriegsende.
Nach dem Krieg baute man nicht nur die Stadt, sondern auch die Straßenbahninfrastruktur wieder auf, wobei die neue Straßenführung – die Erfahrung des Bombenkrieges veranlasste die Planer dazu, breite Straßen vorzusehen, was auch der Vorstellung von einer autogerechten Stadt entgegenkam – teilweise auch zu einer neuen Trassenführung der Bahnen führte. Am Hauptbahnhof und an der Hauptwache sah man zentrale Knotenpunkte vor. In den 60er Jahren bekam die Straßenbahn dann aber Konkurrenz durch die U-Bahn und die bekam ihr nicht gut. Es kam zu Streckenstilllegungen und in den 80er Jahren wurde ein Konzept für eine schienenfreie Innenstadt entwickelt, das der Straßenbahn in der Innenstadt den Garaus gemacht hätte. Dies scheiterte aber am Widerstand der Bürger und daran, dass die Genehmigungsbehörde in Darmstadt den Plänen nicht zustimmte. Die dadurch gerettete Altstadtstrecke auf der Braubachstraße, heute befahren durch die Linien 11 und 12, war allerdings nicht die einzige bedrohte. Die anderen Linien durch die Innenstadt wurden eingestellt. Auch die nun durch die U-Bahnen U 6 und U 7 bediente Strecke von Bockenheim über den Opernplatz bis zur Hauptwache, die die erste Straßenbahnstrecke in Frankfurt gewesen war, war betroffen.
Und heute? Von der straßenbahnfeindlichen Politik der 80er Jahre ist man wieder abgekommen, die Straßenbahn hat wieder einen Platz im Verkehrskonzept. Konkrete Schließungspläne für einzelne Linien gibt es im Moment (2022) nicht, dafür verschiedene Ausbaupläne. Die Frankfurter Straßenbahnlinien – es gibt nur noch zehn und damit weniger als ein Drittel der Anzahl, die es am Höhepunkt der Straßenbahnentwicklung 1938 gab, das Netz ist dabei auf gut die Hälfte der damaligen Kilometerzahl geschrumpft – haben Nummern von 11 bis 21, da einstellige Nummern der U-Bahn vorbehalten sind. Die Nummer 13 ist nicht vergeben, die Nummern 19 und 20 sind Verstärkungslinien, die nur in besonderen Bedarfsfällen und nicht regelmäßig verkehren. Linie 15 ist eine sogenannte Tangentiallinie, sie streift die Innenstadt nur, kreuzt sie aber nicht, und Linie 21 eine Zubringerlinie, während die restlichen Linien Durchmesserlinien sind, d. h. ihren Anfangs- und Endpunkt außerhalb des Innenstadtgebiets haben und dieses kreuzen. Auf allen Linien werden Niederflurbahnen der Typen R und S eingesetzt, die in einem charakteristischen Grün lackiert sind, das auch die Farbe der U-Bahn ist. Auf den Linien 15, 17 und 18 kommen außerdem an Schultagen auch Hochflurwagen des Typs P zum Einsatz, die im Gegensatz zu den Niederflurbahnen nicht behindertengerecht sind.
Die schönste Art, die Frankfurter Straßenbahn zu erfahren, ist der Ebbelwei-Express, eine Sonderlinie mit bunt lackierten Wagen der Baureihe K, die von den 50er bis 70er Jahren im Liniengebrauch verwendet wurden, jetzt aber für Spezialfahrten auf einer Rundstrecke verwendet werden, die an vielen Frankfurter Sehenswürdigkeiten auf beiden Seiten des Mains vorbeiführt. An Wochenendnachmittagen und den meisten Feiertagen fährt der Express, in dem das Getränk, nach dem er benannt ist, (neben Nichtalkoholischem) ausgeschenkt wird, und in dem es auch noch einen Schaffner gibt, regulär, es ist aber auch möglich, ihn zu mieten. Früher gab es als Sonderlinie auch noch das „Lieschen“, das am Wäldchestag, dem auf den Pfingstdienstag fallenden Frankfurter Lokalfeiertag, fuhr, hier wurde der Betrieb aber 2013 eingestellt.
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Textquellen:
Michelke, Horst; Jeanmaire, Claude: Hundert Jahre Frankfurter Strassenbahnen: 1872–1899 – 1972, 1. Auflage, Brugg/Schweiz, 1972.
Wiedenbauer, Anton; Hoyer, Hans-Jürgen: Fahrt in die Zukunft: Die Geschichte der Frankfurter Straßenbahn, Frankfurt am Main, 1968.
Liniennetzplan der Frankfurter Verkehrsbetriebe: >https://www.vgf-ffm.de/fileadmin/VGF/Tickets_Tarife_Plaene/Fahrplaene/Images/Content/
Liniennetzplan_Frankfurt_2022.pdf< abgerufen am 24.11.2022.
Private Website zur Frankfurter Straßenbahn: >http://www.trampage.de/index.html< abgerufen am 24.11.2022.
RMV-Webseite zu Straßenbahnen in Frankfurt und Mainz: >https://www.rmv.de/c/de/fahrplan/linien-netze/fahrzeugtypen/strassenbahnen< abgerufen am 24.11.2022.
Meldung auf frankfurt.de zum 150. Jubiläum: >https://frankfurt.de/aktuelle-meldung/meldungen/150-strassenbahn-jubilaeum< abgerufen am 24.11.2022.
Jubiläumsseite der Frankfurter Verkehrsbetriebe: >https://www.l.de/verkehrsbetriebe/extras/150-jahre-leipziger-strassenbahn/< abgerufen am 24.11.2022.
Bildquellen:
Vorschaubild: Linie12 Frankfurt Main Haltestelle Konstablerwache, Urheber: Charles Tang via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0.
FTG Pferdebahnwagen Bornheim 1881, Urheber: unbekannt via Wikimedia Commons Gemeinfrei.
Electric tram- Siemens 1884 in Frankfurt, Urheber: unbekannt via Wikimedia Commons Gemeinfrei.
J-Triebwagen, Zeil, 1960, Urheber: unbekannt via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0 de.
Mk Frankfurt Tram Typ H, 2004, Urheber: Magadan via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0.