Frankfurt-Lese

Gehe zu Navigation | Seiteninhalt
Frankfurt-Lese
Unser Leseangebot

Ingrid Annel
Glücksdrachenpech

Schaurige, lustige, gruselige und witzige Geschichten von Wassermännern, Drachen, Irrlichtern und dem Teufel, mit Illustrationen von Marga Lenz 

ISBN: 978-3-86397-001-7
Preis: 12,50 € 

Der Lump

Der Lump

Karl Wilhelm Ferdinand Enslin

Karl Wilhelm Ferdinand Enslin (1819-1875) fasste zunächst den Plan, historische Aufsätze über seine Heimatstadt Frankfurt zusammenzutragen und zu verfassen, die sich an ein größeres Publikum richten, die historischen Gegebenheiten bekannt machen und Liebe zu seiner Vaterstadt hervorrufen sollten. Bald aber entwickelte sich das Buch durch Recherchen und Sammeltätigkeit zu einer Sammlung von hauptsächlich Sagen. Enslin beschloss ein Frankfurter Sagenbuch herauszugeben, das es bisher noch nicht gab. Er bediente sich verschiedener Quellen, hauptsächlich Sagensammlungen, auch der der Brüder Grimm, und Geschichtsbüchern über Frankfurt, die er bearbeitete.

Anna Hein

 

Der Lump

 

Im Jahre 1471 ward auf dem Römerberg zu Frankfurt am Main ein Turnier gehalten, dem gar hohe Herrschaften und viele schöne Jungfrauen von den Balkonen aus zusahen.
Die Ritter alle stolzierten heran in reichster Pracht und buntestem Schmuck, und ihre blanken Harnische glänzten und funkelten hell im Sonnenschein. Gleich den Fräulein droben hatte es jeder dem Andern zuvorthun gesucht, in höchster äußerer Pracht zu erscheinen, vielleicht um damit zu ersetzen, was ihnen an Tapferkeit abging.
Nur einer von allen hatte einen ganz unscheinbaren Harnisch, rostig und schmucklos. Aber kämpfen konnt' er, wie kein anderer, und seine Lanze rannte die Gegner alle zu Boden.
Beifallssturm begrüßte den Tapferen darob; er aber hörte es kaum und blieb so gleichgültig dabei, als verstünde sich das Alles so von selbst. Ruhig und sicher legte er immer wieder frisch seine Lanze ein und blieb Sieger über alle die glänzenden Herren - er war der Held des Tages.
Der Pfalzgraf, der das Turnier angeordnet hatte, ärgerte sich darob, daß ein solch schwarzer Unbekannter vor all seinen Rittern und Edlen den Preis und Dank allein davon trug, und frug: „Wer ist nur der Lump, der also tapfer ficht und dticht?" - „Peter Marpurg zum Paradies!", war die Antwort.
Und der rostige Ritter, der des Pfalzgrafen Wort gehört, grüßte höflich zum Balkon hinauf, als dank' er für die ganz besondere Bezeichnung - und nannte sich fernerhin: Ritter Peter, der Lump - welchen Zunamen auch sein Sohn beibehielt. 

 

 

---
Text: Karl Enslin: Frankfurter Sagenbuch. Sagen und sagenhafte Geschichten aus Frankfurt am Main. Neue Ausgabe. Frankfurt a. M., H. L. Brönner 1861, S. 71.

Foto: © Anna Hein

Weitere Beiträge dieser Rubrik

Rundhütchen
von Karl Wilhelm Ferdinand Enslin
MEHR
Fastradens Ring
von Karl Wilhelm Ferdinand Enslin
MEHR
Der bucklige Geiger
von Karl Wilhelm Ferdinand Enslin
MEHR
Des Königs Weihnacht
von Ludwig Bechstein
MEHR
Der verteufelte Königssohn
von Karl Wilhelm Ferdinand Enslin
MEHR
Werbung
Unsere Website benutzt Cookies. Durch die weitere Nutzung unserer Inhalte stimmen Sie der Verwendung zu. Akzeptieren Weitere Informationen