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Friedrich Albrecht
Kennst du Anna Seghers?

Von den Träumen, den Werken und dem Leben der Anna Seghers, das man kurz als aher abenteuerlich bezeichnen kann, erzählt dieses Buch. 

Die Riederwald-Siedlung

Die Riederwald-Siedlung

Sabine Gruber

Die Siedlung Riederwald liegt im gleichnamigen Stadtteil im Frankfurter Osten und entstand in mehreren Schüben von 1910 bis 1928. Nah am Industriegebiet gelegen, war es ein Wohngebiet, in dem sich vor allem Arbeiter ansiedelten bzw. dort bewusst von der Stadt angesiedelt wurden. Der Name „Riederwald“ leitet sich von „Ried“ ab, das nach dem Grimmschen Wörterbuch eigentlich eine Pflanze bezeichnet, die in Feuchtgebieten wächst, sich jedoch „im sinne der riedbewachsenen oder überhaupt der feuchten, sumpfigen gegend […] häufig zur ortsbezeichnung versteinert“ hat. Sumpfig war es im Riederwald, einem Auenwald, wegen der Flussarme des Altmains geworden. Nachdem die Stadt Frankfurt immer dichter an die frühere Sumpfgegend herangerückt war, ließ der Frankfurter „Volks-, Bau- und Sparverein“ hier in der Nähe des Osthafens eine Arbeitersiedlung errichten, zunächst noch in traditioneller Bauweise, dem sogenannten „Heimatstil“. 1914 folgten weitere Häuser im Stil des Expressionismus. Später, ab 1926/27, wurde unter der Leitung des Stadtbaurates Ernst May dann ein größerer Abschnitt im Osten der Siedlung als Teil des Großprojekts „Neues Frankfurt“ im reduzierten Stil der Moderne gebaut. Der Plan für diesen Teil der Siedlung stammte von Ernst May und Herbert Boehm. Als Architekten waren darüber hinaus Otto Fucker, Eduard Fucker, Karl Moritz, Franz Thyriot, Martin Elsaesser, Martin Weber und Hans Beckstein beteiligt. Bauherr war erst das Hochbauamt der Stadt Frankfurt a. M., später die „Aktienbaugesellschaft für kleine Wohnungen“.

Es wurden 313 Häuser für eine, zwei oder mehrere Familien errichtet, teilweise noch mit traditionellen Baumaterialien wie Ziegeln, teilweise bereits mit Hohlblocksteinen aus Beton. Die Dächer sind im Gegensatz zum älteren Teil der Siedlung flach, die Fassaden nur durch Fenster und Balkons gegliedert. Die Häuser wurden so angeordnet, dass es dazwischen immer wieder freie, begrünte Plätze gab (und gibt), auf denen sich die Bewohner begegnen und die Kinder spielen konnten. Am Engelsplatz, am Übergang zum älteren Teil der Siedlung, haben die Häuser nicht die für das neue Bauen kennzeichnenden Flachdächer, aber dennoch ein modernes Äußeres. Die Häuser waren für damalige Verhältnisse sehr gut ausgestattet und verfügten über eigene Toiletten, gute Heizmöglichkeiten, teilweise über Gärten und, damals besonders innovativ, mit der „Frankfurter Küche“ von Margarete Schütte-Lihotzky über die ersten realisierten Einbauküchen. Ehemalige Bewohner, die in der Siedlung aufgewachsen sind, erinnerten sich: „Man wollte raus aus den beengten Altstadtwohnräumen mit Etagenklo oder Hofklo, in Wohnungen, in denen eine Toilette integriert ist.“ „Der Riederwald war so konzipiert, dass zwischen den Häusern sehr viel Platz war. Gerade, weil es in der Altstadt dermaßen muffig und eng war.“ Sehr viel Platz war in vielen der gut ausgestatteten Wohnungen im Riederwald allerdings auch nicht, denn die Wohnungen waren ja nicht zuletzt von der „Aktienbaugesellschaft für kleine Wohnungen“ gebaut worden. Ehemalige Anwohner berichteten „Für jeden gab es nur einen Haken, wo er sein Zeug dran aufgehängt hat, und nur eine Schublade für jedes Kind und einen Kleiderschrank für alle im Elternschlafzimmer.“ Durch die Grünflächen war, zumindest in der schönen Jahreszeit, aber immer viel Platz zum Spielen im Freien.

In den ersten Bauperioden verfügte die Siedlung noch nicht über Kirchen, und Gottesdienste mussten in Notkirchen abgehalten oder in anderen Stadtteilen besucht werden. Erst 1928 wurde die evangelische Philippuskirche errichtet, deren ursprüngliches Gebäude im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde, und wenig später, 1931, wurde die katholische Heilig-Geist-Kirche geweiht. Architekt der Heilig-Geist-Kirche war der bekannte Frankfurter Kirchenbaumeister Martin Weber. Das in Stahlskelettbauweise errichtete rechteckige Gebäude mit den Gruppen kleiner runder Fenster fügt sich gut in das moderne Erscheinungsbild der Siedlung ein. Ein Stück von der Siedlung entfernt wurde 1926-1928 die Pestalozzi-Schule gebaut. Ursprünglich war der SPD-Politiker Konrad Haenisch Namensgeber dieser Schule.

Während der Nazizeit gab es im Stadtteil Riederwald in stärkerem Ausmaß als sonst in Frankfurt Widerstand. Mehrere Stolpersteine in der Siedlung erinnern inzwischen an die Opfer des Nationalsozialismus unter den Bewohnern, unter anderem an das damals bekannteste Original der Siedlung: Karl Waßmann, der seit 1909 in Frankfurt selbst gestaltete Zeitschriften und Gedichte in Gaststätten anbot, und mit im Laufe der Zeit wechselnder exzentrischer Kleidung unterwegs war, zunächst in einer Toga. Seit Ende des Ersten Weltkriegs trat er als „Prophet der Liebe“ auf, verbreitete seine Ansichten in seiner Zeitschrift „Die Liebe“ und trat auch als Wunderheiler auf. Bei der Frankfurter Kommunalwahl von 1928 kandidierte er mit dem „Waßmann Bund“ und trat gegen die von Ernst May propagierte Stadterneuerung auf, die ja unter anderem in der Siedlung ihre Spuren hinterlassen hatte. Waßmann selbst wohnte hier, in der Straße am Erlenbruch. Bedingt durch die Luftangriffe auf den in der Nähe gelegenen Osthafen wurden Teile der Riederwald-Siedlung im Zweiten Weltkrieg zerstört und von 1949 bis 1955 wieder – teilweise nicht mehr den ursprünglichen Plänen entsprechend – aufgebaut.

 

*****
Textquellen:

Zitate der ehemaligen Anwohner in: Riederwälder Erinnerungen: Ein stadtteilbiographisches Erzählprojekt. Hrsg. vom Quartiersmanagement Riederwald, Diakonisches Werk für Frankfurt am Main des Evangelischen Regionalverbandes im Rahmen des „Frankfurter Programm – Aktive Nachbarschaft“ der Stadt Frankfurt am Main, 2015.

Deutsches Wörterbuch, Bd. VIII. R-Schiefe, Leipzig, 1893, Sp. 913-917.

May-Führung: Siedlung Riederwald, Ernst May-Gesellschaft e. V.

>https://de.wikipedia.org/wiki/Frankfurt-Riederwald< abgerufen 30.05.2022.

>https://ernst-may-gesellschaft.de/das-neue-frankfurt< abgerufen am 30.05.2022

>https://frankfurter-personenlexikon.de/node/1679< abgerufen am 30.05.2022.

 

Bildquellen:

Vorschaubild:  Goerrestrasse als Sackgasse nach dem Passantendurchgang von der Strasse Am Erlenbruch in Ffm-Riederwald, 2008, Urheber: Dontworry via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0.

Wald in Frankfurt-Riederwald, 2009, Urheber: Dirk Ingo Franke via Wikimedia Commons CC BY-SA 2.0.

Typischer Durchgangsfussweg im dortigen Siedlungsbau (1910-1928), an der Strasse Am Erlenbruch zur Goerrestrasse in Ffm-Riederwald, 2008, Urheber: Dontworry via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0.

Die katholische Heilig-Geist-Kirche in der Schäfflestraße im Riederwald, 2007, Urheber: Sebastian Kasten via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0.

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