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Johannes E. R. Berthold
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Unterliederbach

Unterliederbach

Ralph Zade

Drei Einflüsse prägen das Ortsbild des 10 km nordwestlich vom Frankfurter Stadtzentrum gelegenen Stadtteils Unterliederbach: Die dörflichen Ursprünge, die Nachbarschaft zum Industriestandort Höchst und die Errichtung moderner Wohnsiedlungen nach der Eingemeindung nach Frankfurt im Jahre 1928.

Die Ursprünge als Dorf zeigen sich vor allem an den historischen Fachwerkhäusern um den Marktplatz herum. Dabei ist der Marktplatz gar kein historischer Marktplatz – Unterliederbach hatte kein Marktrecht. Heute wird der Platz weitgehend von parkenden Autos eingenommen – eine Ausnahme bilden einige Tage im September, an denen hier die Michelskerb, ein traditionelles Volksfest, stattfindet. Das älteste Gebäude von Unterliederbach ist die Dorfkirche, die auf das 12. Jahrhundert zurückgeht, deren heutiges Erscheinungsbild aber auf den Wiederaufbau nach dem Dreißigjährigen Krieg zurückzuführen und folglich barock ist. Gegründet wurde das Dorf schon weit früher, im 6. Jahrhundert, die erste urkundliche Erwähnung stammt aus dem 8. oder beginnenden 9. Jahrhundert, was nicht mehr genau zu klären ist, weil es sich bei der Urkunde um eine spätere Abschrift handelt. Auch vor der Dorfgründung gab es in der Gegend schon menschliche Besiedlung, im Bereich der Autobahn A 66 verlief eine Römerstraße und im Ortsbereich von Unterliederbach gab es auch mindestens ein, vermutlich aber zwei oder mehr römische Landgüter.

Der Name „Unterliederbach“ rührt vom Liederbach her, einem Mainzufluss, der seinerseits nach einem althochdeutschen Wort für „Rauschen“ so heißt. Am Bach gab es im 17. und beginnenden 18. Jahrhundert zwei Mühlen. Aus der älteren Zeit des Ortes stammt auch die 1755/56 errichtete Graubnersche Villa, um die herum in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein Landschaftspark entstand, der die Keimzelle des heute noch existierenden Graubnerparks bildete.

1839/1840 wurde die Taunus-Eisenbahn an Unterliederbach vorbeigeführt, das mittlerweile zu Nassau gehörte – sie war die Vorbotin einer neuen Zeit. Seit den 60er Jahren, in denen Unterliederbach an Preußen fiel (1866), entstand im nahegelegenen Höchst Industrie, was auch auf Unterliederbach einen großen Einfluss hatte. Denn nicht nur Höchst, sondern auch Unterliederbach wurde nun zur Heimstatt für eine kontinuierlich zunehmende Bevölkerung von Industriearbeitern. In Unterliederbach führte das u. a. um die Wende zum 20. Jahrhundert herum zum Bau der Arbeitersiedlung „Heimchen“, die heute unter Denkmalschutz steht. 1917 wurde Unterliederbach, das im Laufe der Jahre immer mehr mit Höchst verschmolzen war, dort eingemeindet. Die Eingemeindung Höchsts nach Frankfurt im Jahre 1928 führte dann dazu, dass Unterliederbach heute ein Frankfurter Stadtteil ist. Der Bau von Wohnungen ging weiter – so entstand 1929/30 als Teil des von Ernst May verantworteten Bauprogramms „Neues Frankfurt“ die Siedlung Engelsruhe. 1934-36 wurden weitere Häuser mit Arbeiterwohnungen gebaut.

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg ging die Bevölkerungsentwicklung weiter nach oben. Deshalb wurde 1960 eine katholische Kirche gebaut, 1962 dann die Stephanuskirche, eine weitere evangelische Kirche, nachdem es Jahrhunderte lang nur die Dorfkirche gegeben hatte. Der Innenraum des trapezförmigen Gotteshauses erhält durch zwei Buntglaswände mit von Hans Heinrich Adam entworfenen Glasfenstern Licht. Ebenfalls 1962 wurde beschlossen, die Autobahn A 66 zu bauen – eine Entscheidung, die in Unterliederbach verständlicherweise vielfach nicht auf Gegenliebe stieß. Am Cheruskerweg direkt an der Autobahn wurde eine Hunderte von Metern lange Hochhausfront gebaut, die auch Schallschutzfunktionen wahrnehmen soll und wegen ihres früher bunten Anstrichs – jeder Wohnblock hatte eine andere Farbe – Papageiensiedlung genannt wird; heute sind die Blocks jedoch in gedeckten Farben gestrichen. Darüber, ob der Schallschutz ausreicht, gibt es unterschiedliche Ansichten – jedenfalls ist der Autobahnabschnitt einer der meistbefahrenen Deutschlands. Durch den Autobahnbau wurde der Alte Friedhof, auf dem einige denkmalgeschützte Grabmäler stehen, vom Ort getrennt und ist nur noch eingeschränkt zugänglich. Ein Teil des Friedhofs fiel der Autobahn ganz zum Opfer.

Um die Erinnerung an die Geschichte kümmert sich der im Jahre 1988 gegründete Heimat- und Geschichtsverein Unterliederbach, der auch ein kleines Museum dazu eingerichtet hat. Es befindet sich in einer umgebauten Scheune in der Liederbacher Straße 131.

Die historischen und architektonischen Reminiszenzen sind für viele Besucher nicht entscheidend dafür, nach Unterliederbach zu kommen – für sie sind drei andere Attraktionen wichtiger: In der Süwag Energie Arena finden Sportereignisse von überregionaler Bedeutung statt. Hier sind auch die Fraport Skyliners beheimatet, eine Basketballmannschaft, die lange Jahre in der 1. Basketball-Bundesliga spielte, bevor sie 2023 erstmals abstieg. Die Jahrhunderthalle, ein unübersehbarer Kuppelbau, der 1963 mit einem Konzert von Yehudi Menuhin eröffnet wurde, ist bis heute ein Veranstaltungsort mit großer Anziehungskraft für klassische Konzerte, ebenso wie für Popkonzerte. Hier haben schon so unterschiedliche Größen wie Duke Ellington, Abba und Jimi Hendrix gespielt. Das Silobad, 1956 erbaut, ist Frankfurts ältestes noch funktionsfähiges beheiztes Freibad.

Vom Frankfurter Hauptbahnhof aus ist Unterliederbach, das heute knapp unter 17.000 Einwohner hat – über die meisten Jahrhunderte seiner Existenz waren es nur wenige Hundert, die 1000er-Grenze wurde im 18. Jahrhundert überschritten – am besten mit der Königsteiner Bahn (in Unterliederbach oft kurz K-Bahn genannt) zu erreichen; die Züge fahren halbstündlich. Außerdem gibt es Buslinien, darunter auch Nachtbusse. Ein Besuch lohnt sich – auch deshalb, weil Unterliederbach einer der kontrastreichsten Frankfurter Stadtteile ist und sehr gegensätzliche Bauensembles vereint

 

*****

Textquellen:

Kammer, Otto: Unterliederbach, Spuren aus der Vergangenheit – Linien in die Gegenwart, Frankfurt: Verlag der Frankfurter Sparkasse, 1977.

Unterliederbach auf frankfurt.de abgerufen von >https://frankfurt.de/frankfurt-entdecken-und-erleben/stadtportrait/stadtteile/unterliederbach< am 03.09.2023.

Chronik von Unterliederbach auf frankfurt.de abgerufen von >https://frankfurt.de/frankfurt-entdecken-und-erleben/stadtportrait/stadtgeschichte/chroniken-der-stadtteile/chronik-von-unterliederbach< am 03.09.2023.

Unterliederbach auf frankfurt-interaktiv.de abgerufen von >https://frankfurt-interaktiv.de/stadtteile/unterliederbach< am 03.09.2023.

Plan von Unterliederbach auf den Seiten des Stadtplanungsamtes abgerufen von >https://www.stadtplanungsamt-frankfurt.de/unterliederbach_4392.html?psid=2< am 03.09.2023.

Website des Heimat- und Geschichtsvereins Unterliederbach abgerufen von >https://hgv-unterliederbach.de/< am 03.09.2023.

Unterliederbach auf der Homepage von Jürgen Lange abgerufen von >https://www.juergen-lange.de/unterliederbach< am 03.09.2023.

Bericht in der FNP über Unterliegerbach abgerufen von >https://www.fnp.de/frankfurt/als-unterliederbach-noch-ein-dorf-war-90900645.html< am 03.09.2023.

Unterliederbach im Landesgeschichtlichen Informationssystem Hessen abgerufen von >https://www.lagis-hessen.de/de/subjects/idrec/sn/ol/id/11717< am 03.09.2023.

 

Bildquellen:

Vorschaubild: Heimchen-Siedlung F-Unterliederbach Oktober 2019 05; Urheber: Eegou via Wikimedia Commons CC0 1.0.

Unterliederbach_Marktplatz_1, 2006, Urheber: EvaK via Wikimedia Commons CC BY-SA 2.5.

FFM-Unterliederbach Graubnerpark Panorama, 2013, Urheber: Frank Behnsen via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0

Evangelische Dorfkirche Frankfurt-Unterliederbach von Osten, 2014, Urheber: Gaki64 via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0.

Unterliederbach, Liederbacher Straße 131, 2013, Urheber: Karsten Ratzke via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0.

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