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Christoph Werner
Um ewig einst zu leben

Roman

Um 1815 zwei Männer, beide Maler - der eine in London, der andere in Dresden; der eine weltoffen, der andere düster melancholisch. Es sind J. M. William Turner und Caspar David Friedrich. Der Roman spielt mit der Verbindung beider.

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Johannes von Miquel

Johannes von Miquel

Ralph Zade

Die Miquelallee ist den meisten Frankfurtern ein Begriff. Sie bildet nördlich der Innenstadt einen Teil des Alleenrings, viele Pendler nutzen sie täglich. Den Namensgeber kennen dagegen viele weniger gut. Das zeigt sich schon daran, dass der Name vielfach – auch in Ansagen in öffentlichen Verkehrsmitteln – falsch ausgesprochen wird. Die richtige Aussprache ist nach dem Frankfurter Personenlexikon „Miekel“, mit Betonung auf der ersten Silbe, nach Thomas Vogtherr (Nachweis s. u.) sprach Miquel sich selbst „Mikkel“ aus. Die in Frankfurt vielfach verbreitete Aussprache „Mickwel“ ist deshalb nicht korrekt. Die meisten wissen immerhin noch, dass Johannes von Miquel (oder richtigerweise: Johannes Miquel, denn geadelt wurde er erst nach seiner Frankfurter Zeit) im 19. Jahrhundert Oberbürgermeister der Stadt war, so wie Franz Adickes, nach dem die anschließende Allee benannt ist, was passend erscheint, denn Adickes war Miquels unmittelbarer Nachfolger.

In letzter Zeit ist der Name Miquel ein wenig bekannter geworden. Denn es wird darüber diskutiert, ob Johannes von Miquel ein würdiger Namensgeber für diese wichtige Verkehrsader ist. Das liegt daran, dass Miquel 1882 – in seiner Frankfurter Zeit – einer der Mitgründer des Deutschen Kolonialvereins war, einer Vereinigung, die sich die Förderung des Erwerbs von Kolonien zum Ziel gesetzt hatte, auf die man durch politische und publizistische Aktivitäten – heute würde man sagen: durch Lobbyismus – hinwirken wollte. Das war damals, anders als heute, keine kritikwürdige Handlungsweise, sondern zeugte nach Auffassung der meisten Zeitgenossen von Patriotismus. Dennoch war es nicht diese Aktivität – die auch unmittelbar etwas mit Frankfurt zu tun hat, denn die Stadt war Gründungsort des Vereins – die zur Benennung der Allee nach Miquel führte.

Anders als die Bürgermeister des „Alten Frankfurt“ in der Zeit, in der Frankfurt noch Freie Reichsstadt war, war Miquel kein gebürtiger Frankfurter, sondern ein preußischer Jurist und Politiker. Er wurde 1828 in Neuenhaus in der Grafschaft Bentheim geboren, einem heute in Niedersachsen liegenden Ort nahe der niederländischen Grenze. Sein Vater war ein Arzt französischer Abstammung. Miquel studierte Jura in Heidelberg und Göttingen. Zeitweise war er Mitglied des Bundes der Kommunisten und mit Karl Marx persönlich bekannt; 1848/49 war er im Rahmen der Deutschen Revolution an Barrikadenkämpfen in Leipzig und Dresden beteiligt. Dann bekehrte er sich jedoch zum Liberalismus. 1859 – seit 1854 war er Rechtsanwalt in Göttingen – gründete er den Nationalverein mit, eine politische Vereinigung von Liberalen und gemäßigten Demokraten, die die Einigung Deutschlands unter der Führung Preußens anstrebte. 1867 war er an der Gründung der Nationalliberalen Partei beteiligt. Er war Mitglied mehrerer Parlamente der Zeit: des Reichstags des Norddeutschen Bundes (1867-1870), des Preußischen Abgeordnetenhauses (1867-1882) und des Deutschen Reichstags (1871-77 und 1887-1890). Zweimal war er in den 60er und 70er Jahren auch Oberbürgermeister von Osnabrück und zwischen den beiden Amtszeiten im Bankwesen tätig.

Als Miquel 1880 Oberbürgermeister von Frankfurt wurde, für eine Amtszeit von 12 Jahren, die er dann nicht ganz ausschöpfte, brachte er folglich Erfahrungen in der Kommunalpolitik und aus dem Finanzwesen mit. Das kam ihm sehr zupass, denn der Frankfurter Haushalt wies ein Defizit auf. Miquel ging das Problem an, indem er eine Reform des Rechnungswesens der Stadt durchsetzte. Außerdem legte er einen Sparetat auf. Einnahmen und Ausgaben in den einzelnen Zweigen der Verwaltung wurden Kontrollen unterworfen. Bis dahin hatte die Stadt ihre Einkünfte vor allem aus einem städtischen Zuschlag auf die staatliche Klassen- und Einkommenssteuer bezogen. Miquel setzte dagegen – teils im Konflikt mit der Stadtverordnetenversammlung, die diesen Zuschlag erhöhen wollte – auf indirekte Steuern und Gebühren als Einnahmequelle. Weil der nötige Zuschuss zum Betrieb der Frankfurter Oper stark stieg, wollte er überdies den Opernbetrieb privatisieren, was allerdings am Widerstand der Stadtverordnetenversammlung scheiterte. Dennoch gelang die Sanierung der Stadtfinanzen.

Ein weiterer Schwerpunkt von Miquels Tätigkeit in Frankfurt betraf die Armenfürsorge. Diese war bei seinem Amtsantritt teilweise städtisch und teilweise privat, d. h. auf Stiftungsbasis organisiert. Hier führte er eine Vereinheitlichung herbei, integrierte die Stiftungen in die kommunale Armenfürsorge und schuf ein Armenamt.

Daneben kümmerte sich Miquel vor allem um die Verkehrspolitik. Die Eröffnung der Frankfurter Hauptbahnhofs (1888) fiel in seine Amtszeit. Wichtig war auch sein Einsatz für eine Kanalisierung des Mains, die der Befahrbarkeit für Schiffe mit größerem Tiefgang dienen sollte. In Bezug hierauf hatte er wesentlichen Anteil an der Erwirkung der Finanzierung durch die Reichsregierung. Auch der Ausbau des Westhafens – für den die Stadt Frankfurt die Kosten trug – war Miquels Verdienst.

Als Miquel 1887 in den Reichstag gewählt wurde, bot er seinen Rücktritt an, blieb aber auf eine einstimmige Bitte der Stadtverordnetenversammlung hin doch noch drei Jahre im Amt, bis ihn der Reichskanzler 1890 zum preußischen Finanzminister machte. Frankfurt ernannte ihn im selben Jahr zum Ehrenbürger. Als Finanzminister legte Miquel mit der Einführung einer einheitlichen Einkommens-, Vermögens- und Gewerbesteuer Grundlagen des Steuerrechts, die in ihren wesentlichen Prinzipien bis heute in Deutschland gelten. Als er 1901 als Finanzminister zurücktrat, kehrte er nach Frankfurt zurück und starb dort am 8.9. desselben Jahres. Er ist in einem Ehrengrab auf dem Frankfurter Hauptfriedhof begraben.

Johannes von Miquel (geadelt wurde er 1897) war also jemand, der große Verdienste um Frankfurt hat, und nicht nur um Frankfurt, sondern auch um Deutschland. Ist die Entziehung der Namensgeberschaft wegen seines kolonialistischen Engagements dennoch gerechtfertigt? Das mag jeder/jede für sich entscheiden – man sollte aber beide Seiten der Medaille kennen und wissen, warum die Allee nach ihm benannt wurde.

 

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Textquellen:

Pausch, Alfons: Johannes von Miquel: Sein Leben und Werk, Stuttgart: Schäffer, 1964.

Bauer, Thomas: Miquel, Johannes (von) in: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe) abgerufen von >https://frankfurter-personenlexikon.de/node/8978< am 26.06.2023.

Johannes von Miquel in der Deutschen Biographie abgerufen von >https://www.deutsche-biographie.de/sfz63552.html< am 26.06.2023.

Bericht in der Frankfurter Rundschau über die Umbenennungsdiskussion abgerufen von >https://www.fr.de/frankfurt/frankfurt-miquelallee-neuer-strassen-name-namens-geber-johannes-von-miquel-kolonial-politik-91278445.html< am 26.06.2023.

Vogtherr, Thomas: Johannes von Miquel (1828-1901), Oberbürgermeister von Osnabrück, Minister und Steuerreformer: Vortrag anlässlich der Feierlichkeiten zum 500jährigen Julbiläum des Osnabrücker Rathauses, Marienkirche, 4. Oktober 2012 abgerufen von >https://www.thomasvogtherr.de/app/download/5789876365/Johannes+von+Miquel+-+Vortragstext.pdf< am 26.06.2023.

 

Bildquellen:

Vorschaubild: Johannes von Miquel (1828–1901), Urheber: unbekannt via Wikimedia Commons Gemeinfrei; neu bearbeitet von Carolin Eberhardt.

A66-miquelallee-ffm003, 2008, Urheber: Dontworry via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0.
 
Miquel-grab-ffm001, 2008, Urheber: Dontworry via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0.

 

 

 

 

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