Frankfurt-Lese

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Gestaltungsoptionen für einen zukunftsfähigen Arbeits- und Gesundheitsschutz im Pflege- und Dienstleistungssektor

P. Fuchs-Frohnhofen, T. Altmann, S. Schulz, L. M. Wirth, M. Weihrich (Hg.)

Die Pflegebranche ist für die Arbeitsforschung aus mehrern Gründen pragmatisch: Es existieren hohe Belastungen, dabei auch nach wie vor erhebliche körperliche, doch vorallem psychische. Zusätzlich steht die Pfegebranche vor dem Problem, dass immer mehr pflegebedürftige Menschen einer sinkenden Anzahl von Pflegefachkräften gegenübersteht. In der Publikation werden die Ergebnisse einer Zusammenstellung von Verbundprojekten aus dem BMBF mit dem Förderschwerpunkt "Präventive Maßnahmen für die sichere und gesunde Arbeit von morgen" bereitgestellt.

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François-Marie Arouet (Voltaire)

François-Marie Arouet (Voltaire)

Ralph Zade

„Die Verhaftung Voltaires in Frankfurt durch den preußischen Residenten von Freytag ist ein Ereigniß, welchem einst die ganze gebildete Welt in Staunen und Spannung horchte (...)“ schrieb Karl August Varnhagen von Ense 1845. Die Ereignisse, die sich im Juni und Juli 1753 in Frankfurt abspielten, werden in jeder Voltaire-Biographie behandelt, Voltaire selbst hat sie – auf seine Art – in seinen „Mémoires“ beschrieben, darüber hinaus haben sie Literatur inspiriert, wie z.B. ein Theaterstück von Ourry und Brazier aus dem Jahre 1831.

Als der 58-jährige Voltaire am 31. Mai 1753, von Potsdam kommend, gemeinsam mit seinem Sekretär, dem Florentiner Cosimo Alessandro Collini (1727-1806), in Frankfurt eintraf, stieg er im „Goldenen Löwen“ ab. Das Gasthaus in der Fahrgasse 27 (heute 41), das damals eines der besten Frankfurts war und in dem 1763 auch die Mozarts Aufenthalt nahmen, als das Wunderkind Wolfgang Amadeus gerade einmal 7 Jahre alt war, wurde 1937 abgerissen; nur ein Sandsteinrelief und der gegenüber platzierte Löwenbrunnen, der allerdings erst 1781 erbaut wurde, erinnern heute noch daran. Geschichte machte es – 1839 in Württemberger Hof umbenannt – auch 1848 noch einmal, als die Abgeordneten der Fraktion des linken Zentrums des Paulskirchenparlaments hier tagten, was Voltaire vielleicht gefallen hätte.

Der Philosoph hatte eine entscheidende Lebenswende hinter sich, den Bruch mit Friedrich dem Großen, an dessen Hof er sich seit 1750 aufgehalten hatte, und befand sich nun – wie er meinen konnte – in Sicherheit, denn Frankfurt war freie Reichsstadt und lag insofern eigentlich außerhalb der Einflusssphäre seines vormaligen Gönners, von dem ihm nun ein Zerwürfnis trennte, an dem der Präsident der Preußischen Akademie, der Mathematiker Maupertuis (1698-1759), seinen Anteil hatte, aber auch Voltaire selbst und nicht zuletzt Friedrich, der zwar ein den Künsten zugeneigter König war, dabei aber auch äußerst autoritär. Zuletzt war Friedrichs Verhältnis zu Voltaire nicht mehr freundschaftlich sondern instrumentell gewesen; überliefert ist die auf diesen gemünzte Aussage, eine Orange müsse man auspressen und die Schale wegwerfen.

Am Morgen des 1. Juni 1753 wurde Franz von Freytag, der preußische Resident in Frankfurt, in Begleitung eines preußischen Offiziers und eines Anwalts bei Voltaire vorstellig und verlangte einen nur in wenigen Exemplaren existierenden Privatdruckband mit Gedichten des Königs sowie sämtliche Unterlagen und Briefe, die Voltaire von diesem erhalten hatte, heraus. Die Durchsuchung des Gepäcks Voltaires blieb im Hinblick auf den Gedichtband (dessen Bedeutung wohl darin bestand, dass er satirische Anspielungen auf diverse gekrönte Häupter der Zeit enthielt) jedoch erfolglos; nach Aussage des Philosophen befand sich dieser in dem mit der Post nachgeschickten Gepäck. Daraufhin stellte von Freytag Voltaire unter Hausarrest. Am 9. Juni traf Madame de Denis, die Nichte Voltaires, die ihm entgegengereist war, um ihn zu begleiten, zu dessen Unterstützung ein. Voltaire nutzte seinen Zwangsaufenthalt zum Schreiben an seinem Werk „Annales de l'Empire“, einer Geschichte Deutschlands, die er im Folgejahr veröffentlichen sollte.

Der Arrest, der in dieser Form zwar unangenehm, weil freiheitsberaubend, aber noch einigermaßen erträglich war, wurde dann aber auch nach Ankunft der Poststücke am 17. Juni nicht aufgehoben, weil der Resident erst weitere Instruktionen Friedrichs abwarten wollte, bevor er das Gepäck öffnen oder Voltaire weiterreisen ließ. Das veranlasste den Festgehaltenen dazu, am 20. Juni die Flucht auf Mainzer Gebiet zu versuchen, was misslang – er wurde am Bockenheimer Tor mit Androhung von Waffengewalt aufgehalten und mit seiner Begleitung von sechs preußischen Soldaten in das Haus des preußischen Hofrats Johann Friedrich Schmidt gebracht. Hier ging es nun ans Eingemachte; man nahm ihm sämtliche Wertsachen ab und brachte ihn dann in das Gasthaus „Zum Bockshorn“, das wie der „Goldene Löwe“ in der Fahrgasse gelegen war, im Standard aber weit unter diesem lag; Voltaire bezeichnete es später als „Europas übelste Spelunke“. Auch seine Nichte, die an dem Fluchtversuch nicht beteiligt gewesen war, wurde verhaftet und ebenfalls im „Bockshorn“ inhaftiert.

Mittlerweile waren nun auch die Repräsentanten der Stadt Frankfurt offiziell eingeschaltet worden – die Verhaftung war aus politischen Gründen halbherzig genehmigt worden, jetzt ging es um eine möglichst elegante Beendigung der Affäre. Madame de Denis und Collini wurden einige Tage darauf aus der strengen Bewachung entlassen, allerdings vorerst weiter in Hausarrest gehalten. Voltaire selbst wurde noch bis zum 7. Juli festgehalten; seine Befreiung erfolgte aufgrund eines Schreibens Friedrichs des Großen, das zwei Tage vorher eingetroffen war. Den gesuchten Lyrik-Privatdruckband hatte man inzwischen seinem Gepäck entnommen. Den preußischen Sekretär Dorn, der ihm am Morgen des 7. Juli einen Teil des konfiszierten Geldes – abzüglich exorbitanter Haftkosten – zurückerstatten wollte, bedrohte Voltaire mit einer Pistole, was man zum Anlass nahm, ihm auch das Restgeld nicht zurückzuerstatten. Immerhin konnte er Frankfurt nun verlassen und seine Reise fortsetzen.

Die Affäre und die damit verbundene Erniedrigung sollte Voltaire nie vergessen – verschiedentlich wurde sie als „das Drama seines Lebens“ bezeichnet.


*****

Textquellen:

ENSE, Karl August Varnhagen von: Voltaire in Frankfurt in: Berliner Kalender für 1846- mit sieben Stahlstichen, Jg.20, Berlin: Verlag von Carl Reimarus, 1845.

OURRY, Maurice; BRAZIER, Nicolas: Voltaire â Francfort in: Comédie anecdotique en 1 acte, mêlée de couplets, Paris: R.Riga, 1831.

HOCK, Sabine: Voltaire in Frankfurt: abgerufen von < http://www.sabinehock.de/publikationen/tagespresse/archiv/tagespresse_072.html > am 29.01.2017.

Frankfurter Bürgerstiftung: Gasthaus zum Goldenen Löwen, Fahrgasse 27 abgerufen von < http://www.frankfurter-buergerstiftung.de/de/node/133 > am 29.01.2017.

DAVIDSON, Ian: Voltaire-A Life, London: Pegasus Books, 2012, Humilitation at Frankfurt.

ORIEUX, Jean: Voltaire ou la Royauté de l'Esprit, Paris: Flammarion, 1966, S. 435 ff.


Bildquellen:

Vorschaubild: Abgebildete Person: François-Marie Arouet (1694–1778), known as Voltaire, French Enlightenment writer and philosopher, Urheber: gemeinfrei via Wikimedia Commons

Frankfurt am Main: Fahrgasse, von Höhe der Alten Mehlwaage nach Norden, um 1900, Urheber: Carl Friedrich Fay, gemeinfrei via Wikimedia Commons

Title page from a 1754 edition of Voltaire's historical work "Annales de L'Empire depuis Charlemagne", Urheber: Voltaire (text), Google Books (digitisation): gemeinfrei via Wikimedia Commons

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