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Das verlassene Krankenhaus bei Tschernobyl

Nic

Heft, 28 Seiten, 2020 - ab 23 Nov. erhältlich

Die Stadt Prypjat liegt nur 3 Kilometer von Tschernobyl entfernt. Im hiesigen Krankenhaus wurden unmittelbar nach der Explosion des Atomreaktors die ersten stark verstrahlten Opfer behandelt. Viele von Ihnen sind an der massiven Strahlenbelastung gestorben.

Am 27. April 1986, einen Tag nach der Nuklearkatastrophe, wurde die Prypjat evakuiert. Seither ist die Stadt, wie auch das hier gezeigte Krankenhaus verwaist. 30 Jahre Leerstand hinterlassen Ihre Spuren. Nic führt uns auf einem Rundgang durch verlassene Gänge vorbei an verfallenen OP-Sälen und Behandlungszimmern.

Für alle Fans von Lost Places.

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Walter Wallmann

Walter Wallmann

Ralph Zade

77 war Walter Wallmann, als ihm die Stadt Frankfurt die Ehrenbürgerwürde verlieh. 77, nämlich 1977, wurde er Frankfurter Oberbürgermeister. Und das war vorher nicht erwartet worden, wohl nicht einmal er selbst war davon ausgegangen, gewählt zu werden, denn er war gleichzeitig in Marburg als Spitzenkandidat angetreten. Gut waren die Chancen bei der Wahl am 20.3.1977 auch wirklich nicht – seit 30 Jahren regierte in Frankfurt die SPD. SPD und FDP hatten überdies angekündigt, weiter regieren zu wollen. Doch dann klappte es – die CDU gewann die absolute Mehrheit in der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung und Wallmann wurde OB, sogar etwas vor Ablauf der Wahlperiode seines Vorgängers Rudi Arndt, da dieser angesichts des desolaten Wahlergebnisses vorzeitig zurücktrat. Am 15.6.1977 wurde Wallmann von der Stadtverordnetenversammlung – die damals den Oberbürgermeister wählte, eine Direktwahl durch die Bürger der Stadt gab es noch nicht – gewählt; er erhielt sämtliche Stimmen der CDU-Fraktion. Wallmanns Amtszeit sollte in Teilen ebenso überraschend ablaufen wie die Kommunalwahl, die ihn ins Amt brachte.

Gebürtiger Frankfurter war Wallmann nicht – noch nicht einmal Hesse. Geboren wurde er 1932 im niedersächsischen Uelzen als Sohn eines Realschullehrers. Zum Studium der Rechtswissenschaften und der Politikwissenschaften ging er dann nach Hessen – nämlich an die Universität Marburg. Und sein zweites juristisches Staatsexamen legte er 1964 in Frankfurt ab, bevor er – wieder in Marburg – aufgrund einer strafrechtlichen Arbeit promoviert wurde. Er blieb dauerhaft in Hessen und trat 1967 in den hessischen Justizdienst ein.

Gleichzeitig engagierte er sich in der hessischen CDU, wurde Vorsitzender der Jungen Union Mittelhessen und 1967 stellvertretender Vorsitzender der CDU Hessen. 1966 wurde er Abgeordneter im Hessischen Landtag. Seit demselben Jahr machte er in Marburg, wo er nach dem Studium seinen Wohnsitz hatte, Kommunalpolitik und versuchte 1970, dort Oberbürgermeister zu werden. Er wurde auch gewählt – allerdings wurde die Wahl nachträglich aus formalen Gründen für ungültig erklärt und die Wiederholungswahl gewann sein SPD-Konkurrent. 1973 wechselte er dann in den Bundestag und war 1974/75 Vorsitzender des Guillaume-Untersuchungsausschusses, der die Vorgänge um den DDR-Spion aufarbeitete, dessen Tätigkeit den Sturz Willy Brandts verursacht hatte. Dieses Amt nahm er zur allgemeinen Zufriedenheit wahr und brachte es dadurch zu Bekanntheit in der politisch interessierten Öffentlichkeit über Hessen hinaus.

Als Frankfurter Oberbürgermeisterkandidat wollte Wallmann eigentlich gar nicht antreten, er musste durch den damaligen CDU-Landesvorsitzenden Alfred Dregger und den Bundesvorsitzenden Helmut Kohl davon überzeugt werden. Dass er parallel dazu auch in Marburg antrat, war wohl nicht nur eine Absicherung – er war der Stadt ja langjährig verbunden, auch in der Kommunalpolitik. Aber dann klappte es in Frankfurt. Für die Stadt war das nach jahrzehntelanger Regierung von SPD-Bürgermeistern eine Zäsur.

Die hessische CDU, allen voran ihr Frontmann Alfred Dregger, war in den 70er Jahren – und noch darüber hinaus – ausgesprochen konservativ. Das passte nicht zu Frankfurt, das eine liberale und weltoffene Stadt war. Aber Wallmann war jemand, der von Person und Politikverständnis her nicht zu den üblichen Gepflogenheiten der Landes-CDU passte. Dabei entsprach er von der Person her dem Bild, das man sich damals von einem bürgerlichen Politiker machte. Das zeigte sich schon im seinem Habitus – er gab Damen Handküsse und redete sie als „liebe, gnädige Frau“ an. Anders als Rudi Arndt benutzte er auch wieder die traditionelle Amtskette. Zu Helmut Kohl hatte er, wie er später in seinen Memoiren schrieb, unter anderem deshalb ein persönlich distanziertes Verhältnis, weil er dessen Gewohnheit, Mitarbeiter zu duzen und mit dem Nachnamen anzusprechen, für würdelos erachtete. Gegenüber dem politischen Gegner konnte er auch durchaus scharf auftreten. Allerdings – und das unterschied ihn vom größten Teil seiner Parteigenossen – hatte er nichts von dem Lagerdenken, das in dieser Zeit für Viele in der CDU kennzeichnend war. Das zeigte sich daran, dass er auch mit Stadträten der SPD zusammenarbeitete – er ließ drei davon im Amt – von denen einer eine besondere Bedeutung gewinnen sollte: Hilmar Hoffmann.

Die Kultur – also das Ressort, das Hoffmann im Magistrat vertrat – war nämlich einer der Bereiche, in denen Wallmann besondere Akzente setzte. Das manifestierte sich neben einer Förderung wichtiger Kulturinstitutionen der Stadt vor allem im Vorantreiben von Bauvorhaben, die schon vor seiner Amtszeit geplant worden waren, aber erst unter ihm umgesetzt oder zu Ende geführt wurden. Das war der Wiederaufbau der Alten Oper, aber auch der Ausbau des Museumsufers, der ab 1980 erfolgte. Auch die Rekonstruktion des Ostteils des Römerbergs wurde angegangen – sie war nicht unumstritten, die Argumente beider Seiten waren teilweise dieselben wie bei der „Neuen Altstadt“, die Jahrzehnte später im Rahmen des Dom-Römer-Projekts realisiert wurde. In dem Streit um die Aufführung des von Vielen als antisemitisch empfundenen Fassbinder-Stücks „Die Müll, die Stadt und der Tod“ im Jahre 1985 trat Wallmann, obwohl er die Problematik des Stücks sah, im Namen der Kunstfreiheit für die Aufführung ein. Ansonsten war er für die Anliegen der jüdischen Gemeinde stets aufgeschlossen und regte ein Programm an, in dessen Rahmen durch die Nazis vertriebene jüdische Frankfurter in ihre frühere Heimatstadt eingeladen wurden. In seine Amtszeit fiel auch der 1980 besiegelte Abschluss der Städtepartnerschaft mit Tel Aviv. Ein Jahr vorher war mit Kairo ein ähnlicher Vertrag abgeschlossen worden.

Ein weiteres Bauprojekt – die Erweiterung des Frankfurter Flughafens um die Startbahn West – fand weniger Zustimmung als die kulturorientierte Baupolitik. In Wallmanns Amtszeit gab es vehemente Proteste dagegen. Zwar war der Ausbau nicht das Werk Wallmanns, sondern eines der hessischen Landesregierung, doch er unterstützte ihn politisch. Wallmanns Versuch, mithilfe einer Sperrgebietsverordnung die Prostitution aus dem Bahnhofsviertel zu verdrängen und dieses damit von seinem problematischen Image zu befreien, scheiterte.

Es war die Atomkatastrophe von Tschernobyl, die 1986 Wallmanns Amtszeit in Frankfurt beendete, denn diese führte dazu, dass auf Bundesebene ein Ministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit gegründet wurde – in das Ministeramt wurde Walter Wallmann berufen. Er übte das Amt freilich nur elf Monate lang aus, ging dann wieder nach Hessen und wurde 1987 zum hessischen Ministerpräsidenten gewählt. Seine Amtszeit als solcher verlief jedoch im Ganzen glücklos – infolge der Landtagswahl 1991 verlor Wallmann sein Amt, zog sich aus der Spitzenpolitik zurück und wurde Rechtsanwalt. Eine der erfolgreichen Reformen seiner Ministerpräsidentenzeit war die Einführung der Bürgermeister-Direktwahl, die dazu führte, dass heute auch in Frankfurt der Oberbürgermeister vom Volk gewählt wird, und nicht mehr, wie noch Wallmann selbst, durch die Stadtverordnetenversammlung.

Später äußerte Wallmann einmal, er hätte nicht aus Frankfurt weggehen sollen, einer Stadt, in der er seit 2009 wieder wohnte, in der er 2013 starb und auf dem Hauptfriedhof in einem Ehrengrab begraben wurde. Der Name Wallmann hat in der hessischen Politik nach wie vor einen Wiedererkennungswert – Astrid Wallmann, Walter Wallmanns Nichte, wurde 2022 zur Präsidentin des Hessischen Landtags gewählt.

 

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Textquellen:

Wallmann, Walter: Im Licht der Paulskirche: Memoiren eines Politischen, Potsdam, 2002.

Tiffers, Bettina: Wallmann, Walter in: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe) abgerufen von >https://frankfurter-personenlexikon.de/node/4202< am 29.04.2023.

Walter Wallmann auf den Seiten der Konrad-Adenauer-Stiftung abgerufen von >https://www.kas.de/de/web/geschichte-der-cdu/personen/biogramm-detail/-/content/walter-wallmann-v1< am 29.04.2023.

Walter Wallmann im Landesgeschichtlichen Informationssystem Hessen abgerufen von >https://www.lagis-hessen.de/pnd/118628828< am 29.04.2023.

Bericht der Hessenschau zu Wallmanns Tod abgerufen von >https://www.hessenschau.de/archiv/2013/abschied-von-einem-grossen-demokraten,archiv-2013-wallmann-100.html< am 29.04.2023.

Bericht über Wallmann in der Frankfurter Rundschau abgerufen von >https://www.fr.de/frankfurt/zwei-gesichter-eines-politikers-11332263.html< am 29.04.2023.

 

Bildquellen:

Vorschaubild: Bundesarchiv, B 145 Bild-F073628-0015 / Schaack, Lothar via Wikimedia Commons CC-BY-SA 3.0.

Bundesarchiv, B 145 Bild-F063991-0019 / Wegmann, Ludwig via Wikimedia Commons CC-BY-SA 3.0.

Walter-Wallmann-Grab-2015-Frankfurt-038, Urheber: Simsalabimbam via Wikimedia Commons CC BY-SA 4.0.

 

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