Ohne Paul Wolff wäre unser Bild der Weimarer Republik ein anderes. Ohne den Mann, der als „Mediziner, der das Stethoskop gegen die Kamera eintauschte“ oder auch als „der Mann mit der Leica“ beschrieben wurde. Den Mann, der für die Kleinbildfotografie so viel getan hat, wie niemand sonst, der aber trotz virtuoser Kamerabeherrschung nicht in erster Linie Künstler war, sondern Unternehmer, ein Unternehmer, der die Presse im In- und Ausland, die Werbung und zeitweise auch die Propaganda der Nazis mit Bildern belieferte, mit Bildern aus allen Bereichen, die man sich vorstellen kann – von Modefotografien über Sportfotografien und Industriefotografien bis hin zu Architektur- und Landschaftsfotografien.
Paul August Emil Wolff wurde 1887 – im Patentierungsjahr des Rollfilms – in Mülhausen im Elsass geboren, das damals zum Deutschen Reich gehörte. Er stammte aus bürgerlichen Verhältnissen – sein Vater war Baurat. Im Alter von zwölf Jahren fing Paul Wolff mit einer hölzernen Plattenkamera an, zu fotografieren. Während seiner Gymnasialzeit erstellte er Fotoreportagen für naturwissenschaftliche Magazine und verdiente sich damit etwas Geld. Allerdings erwog er, wie er später sagte, nie, Berufsfotograf zu werden – wohl auch deshalb, weil sein Vater auf ein Studium drängte. Dem folgte er und entschied sich seinem naturwissenschaftlichen Interesse entsprechend für den Arztberuf. Nach dem Studium an den Universitäten in Straßburg und München, das er in Straßburg mit einer Dissertation über die Syphilis abschloss, war er dort kurze Zeit als Assistenzarzt tätig, bevor er 1914 eingezogen wurde und als Militärarzt in Frankreich und Russland diente.
Nach dem verlorenen Weltkrieg wurde Straßburg französisch. Das führte dazu, dass Wolff dort nicht mehr als Arzt arbeiten konnte. Deshalb ging er nach Frankfurt.
Auch in Frankfurt konnte Paul Wolff, da er nicht über die Mittel verfügte, um eine eigene Praxis zu eröffnen, nicht als Arzt arbeiten. Um Geld zu verdienen, verdingte er sich im Kopierwerk eines Filmunternehmens und machte dann für dieses auch Filme. Nebenher brachte er Fotobände heraus, von denen die drei 1923-26 erschienenen Bände zu „Alt Frankfurt“ von besonderem Interesse sind, weil sie den damaligen Zustand der Frankfurter Altstadt, die dann dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer fiel, dokumentieren, wobei er allerdings den Verfall mancher Straßenzüge und die soziale Not, die es mancherorts gab, ausblendete und ein idyllisierendes Bild präsentierte. Zur gleichen Zeit fotografierte er die Bauten der Architekturbewegung „Neues Frankfurt“. Wolff war – bei aller Virtuosität im Fotografieren, die ihm zweifellos eigen war –, auch ein kommerzieller Fotograf und eine Unternehmernatur. Als Unternehmer – 1924 gründete er den Paul-Wolff-Verlag – richtete er sich nicht an einer künstlerischen Agenda aus, sondern übernahm verschiedenste Aufträge, sofern sie lukrativ waren. Er beschäftigte in den 30er Jahren bis zu 20 Mitarbeiter. Dabei waren Industriewerbung und Buchillustration wichtige Standbeine. Seine Firma wechselte öfter den Namen, ab 1926 firmierte sie als „Wolff-Film, Film und Photoaufnahmen“ und 1927, nachdem er eine Partnerschaft mit dem Fotografen Alfred Tritschler (1905-1970) eingegangen war, als „Dr. Paul Wolff & Tritschler“. Seinen für einen Fotografen höchst ungewöhnlichen Doktortitel verwendete Wolff als eine Art Marke. Von den Mitarbeitern seiner Firma wurde er „der Doktor“ genannt.
1926 gewann Wolff auf der Internationalen Fotoausstellung seine erste Leica („Leitz-Camera“), eine Kleinbildkamera, die bis dahin als Arbeitsmittel für Berufsfotografen nicht ernstgenommen wurde. Mit einer speziellen Technik („Belichte reichlich, entwickle kurz“), die er bei einem Unfall im Fotolabor zufällig entdeckt hatte, gelang es ihm, die Körnigkeit, die bei Vergrößerung solcher Aufnahmen sonst auftrat, zu vermeiden. Mit der Kleinbildkamera konnte man lebendigere Bilder machen als mit den schwerfälligen Großbildkameras und vor allem auch „Schnappschüsse“. Wolff wurde zum Pionier der Kleinbildfotografie – dies macht einen wesentlichen Teil seiner Bedeutung für die Fotografiegeschichte aus. Er setzte sich auch publizistisch für die Leica ein – seine Bücher „Meine Erfahrungen mit der Leica“ (1934) und „Meine Erfahrungen … farbig“ (1942) waren Publikumserfolge, was sich nicht zuletzt seinen Fähigkeiten als Autor verdankte. Die meisten der Publikationen, für die er verantwortlich zeichnete, waren jedoch Fotobände, die Bilder von allen möglichen Gegenden des In- und Auslandes brachten; auch der erste deutsche Industriefotobildband „Im Kraftfeld von Rüsselsheim“ (1940) geht auf seine Firma zurück. Da Wolff persönlich alle Aufnahmen seiner Angestellten abnahm und diese als Firmenerzeugnisse veröffentlicht wurden, ist bei den in den Büchern enthaltenen und auch bei anderen Fotos oft nicht mehr in Einzelnen nachvollziehbar, wer der Urheber ist.
Als 1933 die Nazis an die Macht kamen, arrangierte sich Paul Wolff, der ein unpolitischer Mensch war und in erster Linie an das Wohlergehen seines Unternehmens dachte, mit den neuen Verhältnissen. Das bedeutete, dass er auch Staatsaufträge und solche der Rüstungsindustrie annahm. 1943 machte er im Auftrag der Reichsregierung in Frankfurt, Mainz und Worms Dokumentationsaufnahmen von Wandgemälden, die nicht vor dem Bombenkrieg in Sicherheit gebracht werden konnten. Im März 1944 wurde Wolffs Haus am Palmengarten von Bomben getroffen. Außer Teilen des Kleinbildarchivs wurde sein Fotoarchiv vollständig vernichtet – ein Schlag, von dem er sich nicht mehr recht erholte, und der seine letzten Lebensjahre überschattete. Paul Wolff dokumentierte auch die Zerstörung Frankfurts fotografisch. Er starb 1951 und ist auf dem Frankfurter Hauptfriedhof begraben. Seine Firma wurde von seinem Geschäftspartner Alfred Tritschler fortgeführt.
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Textquellen:
Koetzle,Michael (Hrsg.): Dr. Paul Wolff & Tritschler, Kehrer Verlag, 2019.
Klötzer, Wolfgang (Hrsg.): Frankfurt in Fotografien von Paul Wolff 1927-1943, Hugendubel, 1991.
Hock, Sabine: Wolff, Paul in: Frankfurter Personenlexikon abgerufen von >https://frankfurter-personenlexikon.de/node/1169< am 09.10.2025.
Hock, Sabine: Tritschler, Alfred in: Frankfurter Personenlexikon abgerufen von >https://frankfurter-personenlexikon.de/node/1194<
Seite zu Paul Wolff auf lfi-online abgerufen von >https://lfi-online.de/de/stories/wolff-amp-tritschler-der-mann-mit-der-leica-dr-paul-wolff-20473.html< am 09.10.2025.
Seite zu Digitalisierung von Werken von Paul Wolff abgerufen von >https://www.rheinische-art.de/cms/topics/dr-paul-wolff-und-alfred-tritschler-1920-bis-1960-fotoarchiv-digitalisierung-greven-digital-koeln.php< am 09.10.2025.
Paul Wolff auf drwolffundtritschler.de abgerufen von >https://drwolffundtritschler.de.tl/Dr-.--Paul-Wolff.htm< am 09.10.2025.
Bildquellen:
Vorschaubild: Dr Paul Wolff (1887-1951) autoportrait, 1950, Urheber: Paul Wolff via Wikimedia Commons Gemeinfrei.
Portrait of Alfred Tritschler with a Leica by Paul Wolff, 1938, Urheber: Paul Wolff via Wikimedia Commons Gemeinfrei.