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Friedrich Albrecht
Kennst du Anna Seghers?

Von den Träumen, den Werken und dem Leben der Anna Seghers, das man kurz als aher abenteuerlich bezeichnen kann, erzählt dieses Buch. 

Nürnberger Hof

Nürnberger Hof

Sabine Gruber

Der Nürnberger Hof, der sich früher zwischen den heutigen Häusern Braubachstraße Nr. 33 und 33a befand, war ein altes Patrizierhaus, das ursprünglich den Herren von Glauburg gehörte (deshalb zunächst auch Glauburger Hof genannt wurde) und über fünf Jahrhunderte lang zu den Frankfurter Messen von den Nürnberger Kaufleuten als Quartier und Handelsvertretung genutzt wurde. Wie auch in anderen Messestädten wie Leipzig bezogen die Kaufleute aus einer Stadt oder Region in der Messestadt jeweils ihre eigenen Quartiere. Sie reisten auch gemeinsam, nicht etwa weil das besonders unterhaltsam war, sondern weil das gemeinsame Reisen wegen der Gefahr von Überfällen sicherer war. Bis zu 300 Nürnberger Kaufleute mit 250 Wagen sollen im 14. Jahrhundert zu Messezeiten auf der Straße nach Frankfurt unterwegs gewesen sein. Später, als der Messestandort Leipzig zunehmend an Bedeutung gewann, wurden es weniger.

Die Ursprünge des Gebäudes liegen im 13. Jahrhundert. Einige Jahrhunderte später muss der Hof bereits eine sehr umfangreiche Anlage gewesen sein, denn Goethe berichtet in "Dichtung und Wahrheit" über eine Art kleiner Städte innerhalb seiner Heimatstadt, die ihm während seiner Kindheit aufgefallen seien: "Was aber die Aufmerksamkeit des Kindes am meisten an sich zog, waren die vielen kleinen Städte in der Stadt, die Festungen in der Festung, die ummauerten Klosterbezirke nämlich, und die aus frühern Jahrhunderten noch übrigen mehr oder minder burgartigen Räume: so der Nürnberger Hof, das Kompostell, das Braunfels, das Stammhaus derer von Stallburg, und mehrere in den spätern Zeiten zu Wohnungen und Gewerbsbenutzungen eingerichtete Festen." Auch eine Publikation des 19. Jahrhunderts spricht von "dem großen Häuser-Complex, welcher den Nürnberger Hof bildet und schon damals von dem Markt bis zur Schnurgasse ging". Es muss eine eindrucksvolle Anlage gewesen sein, die sicher nicht nur den jugendlichen Goethe faszinierte.

Jahrgang 1811 des "Frankfurtischen Archivs für ältere deutsche Litteratur und Geschichte" überliefert eine Tafelordnung der im Nürnberger Hof logierenden Kaufleute. Der Editor schreibt dazu: "Die folgende Tafelordnung würde für einen geselligen Scherz angesehen werden müssen, wenn nicht der Ernst, mit welchem die Sache behandelt ward, vermuthen ließe, daß die hier zusammengetretenen Kaufleute in näheren Handelsverbindungen zusammenstanden, die es ihnen wünschenswerth machten, in genauerem Verein die Messe über zu leben." Die Tafelordnung regelte unter anderem die Rangfolge der Tischgesellschaft: "Zum Fünften so man die erste Dracht [Tracht, Gang] oder Richt aufdregt und das Gebeth beschehen ist soll erstlich der Schwager so voran sizt am tisch das Essen zum ersten angreiffen, und nachvolgeds auch andere Drachten so mann auffsatzen wirdt, und welcher ime aus Vergessenheit furgreifft sol ein Kreutzer einlegen." Es finden sich darin aber auch Regeln für Streitfälle wie die folgende: "Zum Vierzehenden so sich irgend Uneinigkeit oder Mißverstandt unter den Schwegern erheben wurde, solle die doch niemandt als durch die Schweger versönet und aufgehoben werden." Wirtschaftsgeschichtlich interessant ist auch die Liste der unterzeichneten Kaufleute.

Im Laufe der Zeiten sah der Nürnberger Hof viele illustre Besucher. Nicht nur Kaufleute stiegen hier ab, sondern auch die Kaiser Friedrich III. und Maximilian I. Ob auch Dürer hier logierte, ist nicht ganz sicher. Von der ursprünglichen Bausubstanz sind heute nur noch Tore erhalten: ein gotisches aus dem frühen 15. Jahrhundert mit einem eindrucksvollen Kreuzrippengewölbe, das wohl von dem berühmten Dombaumeister Madern Gerthener stammt, der auch an vielen anderen Orten in Frankfurt tätig war (es befindet sich heute an der Braubachstraße 31) und eines aus dem frühen 18. Jahrhundert, das sich heute im Hof des Hauses Brauchbachstraße 28 befindet. Auf den Schlusssteinen des gotischen Tores sind die Wappen von Frankfurt und Nürnberg zu erkennen. Ein Teil der Anlage fiel nicht erst den Bombenangriffen des Zweiten Weltkriegs zum Opfer, sondern bereits dem zwischen 1904 und 1908 im Rahmen einer Modernisierung der Stadt angelegten Durchbruch der Braubachstraße, der quer durch das Gelände des Nürnberger Hofs verlief. Weitere Teile des Areals wurden während des Kriegs zerstört. Ein letzter Teil der Anlage fiel nach dem Krieg dem Bau der Berliner Straße zum Opfer. So lässt sich die umfangreiche, aus verschiedenen Zeiten stammende Anlage heute nur noch erahnen.

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Bildquelle:

Nürnberger Hof, Südfassade in der Braubachstraße Von Eva K. - Eva K., GFDL 1.2, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=68...



Textquellen

Frankfurt-Lexikon. Von Waldemar Kramer. Sonderausgabe für das Stadtschulamt Frankfurt. Frankfurt a. M. 1960

Frankfurtisches Archiv für ältere deutsche Litteratur und Geschichte. Herausgegeben von J. C. Fichard, genannt Baur v. Eyseneck. Frankfurt a. M. 1811.

Goethes Werke. Hamburger Ausgabe in 14 Bänden. Bd. 9, Hamburg 1948 ff., S. 17.

Historisch-topographische Beschreibung von Frankfurt a/M. und seiner Umgebung. Ein Handbuch für Fremde und Einheimische. Hrsg. von Frriedrich Krug. Frankfurt a. M. 1845,

Wolfgang Klötzer: Frankfurts alte Gassen. Nach Aquarellen von Jupp Berten. 2. Aufl. Frankfurt a. M. 1982

Elisabeth Lücke: Frankfurt am Main. Rundgänge durch die Geschichte.. Erfurt 2008

Neujahrs-Blatt des Vereins für Geschichte und Alterthumskunde zu Frankfurt am Main für das Jahr 1871, Frankfurt a. M. 1871.

https://de.wikipedia.org/wiki/N%C3%BCrnberger_Hof (aufgerufen am 1.10.2017)

https://www.frankfurt.de/sixcms/detail.php?id=3865&_ffmpar[_id_inhalt]=5011190 (aufgerufen am 1.10.2017)

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