Ihren Namen hat die an der Stadtteilgrenze von Sachsenhausen und Oberrad gelegene, vom Jesuitenorden getragene Philosophisch-Theolologische Hochschule St. Georgen nicht etwa vom Heiligen Georg. Er geht vielmehr auf den Namen des Parks zurück, der heute Teil des Campus der Hochschule ist. Der Frankfurter Bankier Georg von Saint-George (1782–1863) erwarb das Terrain, auf dem es seit 1780 ein Landgut gab, im Jahre 1840 und ließ durch den Landschaftsgärtner Sebastian Rinz (1782-1861), dem in Frankfurt noch weitere Parkanlagen wie z. B. der Günthersburgpark und der Anlagenring sowie die Gestaltung des Hauptfriedhofs zu verdanken sind, einen englischen Garten anlegen. Elisabeth Grunelius, die Tochter und Erbin des Bankiers, nannte den Park dann in Erinnerung an ihren Vater St. Georgen. Von den Bauten, die sich einst hier befanden, ist nur noch ein 1875 errichteter Gartenpavillon geblieben; der Rest – neben dem ursprünglichen Landsitz weitere, nach dem Tode Saint-Georges erbaute Ergänzungen, von denen ein zweites Wohnhaus, das „Lindenhaus“ die wichtigste war – wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört. Die Gebäude, in denen sich heute die Hochschule befindet, sind also neu, bemerkenswert ist u. a. die 1993 erbaute Seminarkirche. Gut erhalten ist dagegen der Park. Allerdings stammen die Pflanzen, die es hier gibt – sie kommen aus verschiedenen Kontinenten – überwiegend nicht aus der Gründungszeit – Ausnahmen bilden eine imposante Blutbuche und ein Gingkobaum – sondern die heutige Gestalt des Parks ist der unermüdlichen Tätigkeit des Jesuitenpaters Rainer Koltermann zu verdanken, der 1974 die Parkpflege übernahm und zahlreiche Pflanzen hier angesiedelt hat, die sonst nur in südlicheren Gefilden vorkommen. Die Gehölze tragen Schilder mit näheren Erläuterungen, die den Park in die Nähe eines botanischen Gartens rücken. Er ist in jedem Fall eine Sehenswürdigkeit. Das gilt auch für den Kreuzweg von Franziska Lenz-Gerharz (1922-2010), der sich in Randflächen befindet. (Das in Frankfurt wohl bekannteste Werk der Bildhauerin, die auch andernorts religiöse Kunst geschaffen hat, ist der Struwwelpeter-Brunnen an der Hauptwache.)
Die Philosophisch-Theologische Hochschule, damals noch Philosophisch-Theologische Lehranstalt genannt, ist seit 1926 hier angesiedelt. Gefördert wurde das Projekt u. a. durch den damaligen Apostolischen Nuntius Eugenio Pacelli, den späteren Papst Pius XII. Durch das auf Betreiben Bismarcks 1872 während des Kulturkampfs erlassene sogenannte Jesuitengesetz war der Jesuitenorden aus Deutschland vertrieben worden. Mit der Aufhebung des Gesetzes 1917 bot sich die Rückkehr nicht nur des Ordens sondern auch einer von diesem betriebenen Lehranstalt nach Deutschland an. Vorher hatte es eine solche in Paderborn (1856-63) und in der Abtei Maria Laach (1863-1872) gegeben. Die Theologische Fakultät der Jesuiten siedelte erst 1950 nach Frankfurt über und wurde 1970 mit der Philosophisch-Theologischen Hochschule (für die Priesteramtskandidaten der Diözese Limburg und anderer Diözesen) zusammengeschlossen. 1980 erhielt die Hochschule die staatliche Anerkennung als wissenschaftliche Hochschule und danach sukzessive weitere Befugnisse, darunter 2000 das Habilitationsrecht im Fach katholische Theologie.
Heute werden an der Philosophisch-Theologischen Hochschule folgende akademischen Grade vergeben: Bachelor in Philosophie (B.A.), Magister in Theologie (Mag. Theol.), Lizentiat in Theologie (Lic. Theol.), Doktorat in Theologie (Dr. theol.), Doktorat in Philosophie (Ph.D.) sowie Habilitation in Theologie (Dr. theol. Habil.). Die Hochschule wird von der deutschen Jesuitenprovinz getragen, die Kosten tragen v. a. die Bistümer, deren Priesteramtsnachwuchs hier ausgebildet wird, neben dem Bistum Limburg, in dem sie liegt, sind das v. a. Osnabrück, Hildesheim und Hamburg, ausgebildet wurden oder werden aber auch Kandidaten aus den Bistümern Aachen, Berlin, Dresden-Meißen, Görlitz, Hildesheim und Trier. Derzeit leben und studieren hier etwa 30 Priesteramtskandidaten. An der Hochschule angesiedelt ist seit 2009 überdies das Institut für Weltkirche und Mission.
Gegenwärtig gehört etwa die Hälfte der Dozenten dem Jesuitenorden an. Zum Leitbild der Hochschule, das auf ihrer Homepage nachzulesen ist, gehört, dass die Hochschule „dem ignatianischen Charisma der Jesuiten verpflichtet [ist]“.
Die Hochschule St. Georgen hat in den mehr als 90 Jahren ihres Bestehens eine ganze Reihe bekannter Lehrender oder Studierender gehabt. 1986 verbrachte der wohl bekannteste Jesuit, Jorge Mario Bergoglio (der heutige Papst Franziskus) hier einige Monate, um eine Dissertation vorzubereiten, die er dann allerdings nicht abschloss. Weitere bedeutende mit St. Georgen verbundene Personen sind u. a. der Jesuitenpater Alfred Delp (Mitglied des Kreisauer Kreises), der von den Nazis hingerichtete und später selig gesprochene Priester Johannes Prassek, der bedeutendste Exponent der katholischen Soziallehre, Oswald von Nell-Breuning, der hier jahrzehntelang gelehrt hat, der Sozialethiker Friedhelm Hengsbach, der Philosoph und Unternehmensberater Rupert Lay und eine ganze Reihe von Bischöfen und Weihbischöfen, aber auch der durch die Moderation von Wissenschaftssendungen bekannt gewordene Fernsehjournalist Gert Scobel, der hier einige Jahre studierte.
Rektor der Hochschule ist seit 2014 Prof. Dr. Ansgar Wucherpfennig. 2018 wurde ihm durch den Vatikan vorübergehend das nihil obstat für eine Verlängerung seiner Amtszeit verweigert, und der Widerruf von liberalen Äußerungen zur Homosexualität, der Segnung gleichgeschlechtlicher Verbindungen und zur Öffnung des Diakonats für Frauen gefordert. Nachdem sich verschiedene hohe Geistliche, darunter der Bischof von Limburg, Georg Bätzing, für seinen Verbleib im Amt ausgesprochen hatten, wurde es dann aber doch erteilt. Wucherpfennig bleibt kritisch und war u. a. Mitunterzeichner eines Anfang 2019 an den Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Kardinal Marx gerichteten offenen Briefes, mit dem ein „Neustart der Sexualmoral“ der Kirche gefordert wurde.
Im Park, in dem heute Studierende und keine Angehörigen der Frankfurter Oberschicht mehr promenieren, und in den ruhig aber nicht abgelegen situierten Campusbauten sind gute Gelegenheiten für den Austausch zwischen Studierenden und Lehrenden gegeben – deren zahlenmäßiges Verhältnis ist hier günstiger als an staatlichen Massenuniversitäten. Die Voraussetzungen für die Heranbildung qualifizierten Priesternachwuchses sind vorhanden und das sicher in höherem Maße als anderswo. Die abnehmende Anzahl an Berufungen zum Priesteramt spürt man freilich auch hier schmerzlich.
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Textquellen:
Webauftritt der Hochschule: https://www.sankt-georgen.de/index.php abgerufen am 30.03.2019.
Beitrag auf katholisch.de zum nihil obstat für Ansgar Wucherpfennig: >https://www.katholisch.de/aktuelles/aktuelle-artikel/vatikan-erteilt-nihil-obstat-fur-ansgar-wucherpfennig< abgerufen am 30.03.2019.
Bildquellen:
Vorschaubild: Einfahrt der PTH Sankt Georgen, 2007, Urheber: User:Rupp.de via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0.
Der Park Sankt Georgen in Frankfurt am Main ist berühmt wegen seines alten und schönen Bestands an seltenen Baumarten, 2018, Urheber: Knodo via Wikimedia Commons CC BY-SA 4.0.
Seminarkirche, 2014, Urheber: CC BY-SA 3.0.
Mensa im Park der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen Frankfurt am Main, 2012, Urheber: CC BY-SA 3.0.