Frankfurt-Lese

Gehe zu Navigation | Seiteninhalt
Frankfurt-Lese
Unser Leseangebot

Zu Gast in Weimar

George Eliot; deutsche Übersetzung: Nadine Erler

Zu den vielen Künstlern, die es nach Weimar zog, gehörte auch die englische Schriftstellerin George Eliot. Im Sommer 1854 verbrachte sie drei Monate im kleinen, doch weltberühmten Städtchen an der Ilm. George Eliots schriftlich festgehaltenen Eindrücke sind äußerst amüsant. Dieser Blick einer Fremden lässt Weimar in anderem Licht erschienen.

Broschüre, 40 Seiten, 2019


Die Töngesgasse

Die Töngesgasse

Sabine Gruber

Die lange, heute mit ihren Geschäftshäusern aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg eher modern anmutende Töngesgasse, die wegen ihres Reichtums an Einkaufsmöglichkeiten auch als „Kleine Zeil“ bezeichnet wird (sie verläuft parallel zur Zeil, der bekanntesten Frankfurter Einkaufsstraße), gehört in Wahrheit zu den sehr alten Straßen Frankfurts. Im Jahr 2013 konnte sie bereits ihr 777. Jubiläum begehen. Die Straße entstand im Rahmen der Stadterweiterung der Stauferzeit und ihr Name geht auf das dort gelegene Antoniterkloster, ebenfalls eine Gründung der Stauferzeit, zurück. Aus dem Ordensheiligen Antonius dem Großen (251-356) machte der Frankfurter Dialekt kurz den „Tönges“.

Im Laufe der Jahrhunderte wurden immer wieder bauliche Veränderungen in der Gasse vorgenommen und Häuser wurden umgestaltet oder mussten Neubauten weichen. Ein Gebäude, das im 16. Jahrhundert abgerissen worden war, wurde jedoch über längere Zeit nicht durch ein neues ersetzt. Es handelte sich um das Haus des Aufrührers Vinzenz Fettmilch (zwischen 1565 und 1570-1616), der zwischen 1612 und 1614 einer der Anführer des nach ihm benannten Aufstands gegen den Frankfurter Stadtrat war. Fettmilch bewohnte das Haus „Zum Hasen“, das sich ungefähr an der Stelle des heutigen Hauses Nr. 34 befand. Bevor er sich an die Spitze des Aufstands setzte, war Fettmilch zunächst Soldat, dann Schreiber und schließlich Lebkuchenbäcker. Sein beruflicher Erfolg hielt sich jedoch in Grenzen. Georg Ludwig Kriegk beschreibt in seiner „Geschichte von Frankfurt am Main in ausgewählten Darstellungen“ die desaströse finanzielle Situation der Familie und das Agieren Fettmilchs jenseits der Legalität: „ Im Jahre 1609 nahmen er und seine Gattin auf dieses Haus einen Insatz von zweihundert Gulden auf: woraus man vielleicht ebenso wie aus der Falschmünzerei, deren er drei Jahre später beschuldigt ward, den Schluß ziehen darf, daß auch sein zweites Gewerbe nicht sehr gut gegangen ist. Er hatte mehrere Kinder, welche nebst seiner Gattin ihn überlebten.“ Der Fettmilch-Aufstand endete mit der Hinrichtung der Hauptbeschuldigten am 28. Februar 1616. Im Anschluss an die Hinrichtung wurde auch das Haus Fettmilchs zerstört, was Kriegk eindrücklich darstellt: „Als die Hinrichtung der drei Haupt-Aechter beendigt war, zog eine Reiterschaar und ein Fähnlein Fußvolk, von Zimmerleuten begleitet, vor Fettmilch‘s Haus. Dort hieb einer der Offiziere mit dem Schwerte dreimal in die Eckpfosten desselben, worauf dann die Zimmerleute das Werk der Zerstörung begannen. Dieses ward, obgleich das Haus dreistöckig war, in einer Stunde vollbracht. Jedoch mußte der unterste Stock stehen gelassen werden, weil das daran stoßende Haus zum Haseneck (Töngesgasse 28) Risse bekam; er konnte erst acht Tage später abgebrochen werden.“

Anstelle des Hauses entstand ein kleiner Platz, und in dessen Mitte wurde noch im selben Jahr eine Schandsäule errichtet, die an die Taten Fettmilchs erinnern und etwaige Nachahmer abschrecken sollte. Ginge es nach den Errichtern der Säule, hätte dieser Platz nie mehr bebaut werden dürfen - im 17. Jahrhundert war Wohn- und Gewerberaum offensichtlich noch nicht so knapp wie in heutigen Innenstädten. Die Säule konnte jedoch nur ein Jahrhundert lang Vorübergehende mahnen. 1719 wurde sie beim so genannten Großen Christenbrand zerstört. Neben der Schandsäule fielen in der Töngesgasse auch zahlreiche Häuser dem Brand zum Opfer. Das Feuer erfasste von der Bockgasse ausgehend einen größeren Teil der Altstadt und hinterließ eine Schneise der Zerstörung. 400 Häuser waren vollständig niedergebrannt und mussten durch neue ersetzt werden. Künftigen Bränden versuchte man danach mit einer veränderten Bauordnung vorzubeugen. Unter anderem wurden Giebel verboten, damit es in den Gassen nicht zu eng wurde, und Brandmauern sollten das Übergreifen von Bränden verhindern.

Mit der Töngesgasse sind nicht nur der Namen des Aufrührers Fettmilch und seiner Mitstreiter verbunden, sondern auch die Namen von Dichtern und Denkern. Im „Haus Zu den drei Hasen“ wurde der Naturforscher Johann Christian Senckenberg (1707-1772) geboren. Der aus dem nahegelegenen Goddelau stammende Georg Büchner besuchte in der Töngesgasse gelegentlich Verwandte väterlicherseits, den Pfarrer Karl Christian Becker (1789-1863) und dessen Frau Maria Dorothea (1797-1874), die später in die Barfüßergasse umzogen, und der Chemiker Otto Hahn (1879-1968), Sohn eines Glasermeisters, verbrachte seine Kindheit im Geschäftshaus der Familie in der Töngesgasse 21. Während des Zweiten Weltkriegs wurden die meisten Häuser in der Töngesgasse zerstört, Weniges, wie das Haus Nr. 37, blieb erhalten. In den Straßenverlauf wurde beim Wiederaufbau nicht eingegriffen. Heute ist die Töngesgasse vor allem als Einkaufsstraße beliebt, in der man zahlreiche Einzelhandelsgeschäfte findet. Es gibt aber auch Einkehrmöglichkeiten. Die in der Straße ansässigen Geschäftsleute haben sich zur Interessengemeinschaft Töngesgasse e. V. zusammengeschlossen.

 

*****

Textquellen

Berninger, Ernst: Otto Hahn: Eine Bilddokumentation, München, 1969.

Frankfurt am Main und seine Bauten. Hrsg. Vom Architekten & Ingenieur-Verein. Frankfurt a. M., 1886.

Frankfurt-Lexikon: Mit einem Stadtplan herausgegeben von Waldemar Kramer, Sechste, neubearbeitete Ausgabe, Frankfurt a. M., 1973.

Hock, Sabine: Büchner, Georg. In: Frankfurter Personenlexikon (Onlineausgabe) abgerufen von >http://frankfurter-personenlexikon.de/node/3303< am 10.01.2022.

Kriegk, Georg Ludwig: Geschichte von Frankfurt am Main in ausgewählten Darstellungen: Nach Urkunden und Acten, Frankfurt a. M., 1871.

>https://de.wikipedia.org/wiki/T%C3%B6ngesgasse< abgerufen am 10.01.2022.

>http://www.toengesgasse.de/historisches.html< abgerufen am 10.01.2022.

>https://frankfurt.de/frankfurt-entdecken-und-erleben/einkaufen-in-frankfurt/einkaufsstrassen/toengesgasse< abgerufen am 10.01.2022.

>https://de.wikipedia.org/wiki/Vinzenz_Fettmilch< abgerufen am 10.01.2022.

>https://de.wikipedia.org/wiki/Schands%C3%A4ule< abgerufen am 10.01.2022.

>https://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Hahn< abgerufen am 10.01.2022.

 

Bildquellen:

Vorschaubild: 

Blick von Liebfrauenberg in die Töngesgasse, 2009, Urheber: Magadan via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0.

Antoniterkirche und -kloster in der Töngesgasse von Süden, Rekonstruktion, 17.Jh., Urheber: Carl Theodor Reiffenstein via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

Schandsäule in der Töngesgasse am Fettmilchplätzchen, 17. Jh., Urheber: unbekannt via Wikimedia Commons Gemeinfrei.

Weitere Beiträge dieser Rubrik

Europaviertel
von Ralph Zade
MEHR
Dippemess
von Sabrina Ingerl
MEHR
Werbung
Unsere Website benutzt Cookies. Durch die weitere Nutzung unserer Inhalte stimmen Sie der Verwendung zu. Akzeptieren Weitere Informationen