„Im Namen Christi schenke ich, Adelhart, im 4. Regierungsjahr des Königs Karl, dem Heiligen Märtyrer Nazarius, dessen Körper im Kloster Lorsch ruht, das unter der Leitung des ehrwürdigen Abtes Gundeland steht, fünf Äcker in 'Aschebach' im Niddagau.“ Diese Erwähnung im Lorscher Codex aus dem Jahre 772 ist das erste Schriftzeugnis der Existenz eines Ortes namens Eschbach, aufgrund derer Nieder-Eschbach 2022 sein 1250. Jubiläum feiern kann – ein Ereignis, das schon heute seine Schatten vorauswirft. Nicht zuletzt ist der Ortsteil damit älter als Frankfurt, das erst 794 erstmals urkundlich erwähnt wurde. Wenn man nicht nur den Namen betrachtet, sondern die erste Ansiedlung von Menschen, ist die Geschichte Nieder-Eschbachs sogar noch viel älter – eine erste Besiedlung hat es nach archäologischen Funden schon 6000 v. Chr. gegeben, von einem Ort im heutigen Sinn konnte damals freilich noch nicht die Rede sein.
Nieder-Eschbach als separater Ort wurde urkundlich erstmals 1288 erwähnt, Ober-Eschbach bereits 1219, und die schon früh wahrgenommene Trennung in zwei unterschiedliche Orte schlug sich auch in einer unterschiedlichen Geschichte nieder. Ober-Eschbach gehört heute als Stadtteil zu Bad Homburg, Nieder-Eschbach dagegen seit 1972 zu Frankfurt. Die langjährige Eigenständigkeit Nieder-Eschbachs spiegelt sich u. a. in einer eigenständigen Städtepartnerschaft (heute als Stadtteilpartnerschaft bezeichnet) wider: Die Beziehung zur im Norden von Paris gelegenen französischen Gemeinde Deuil-La-Barre, die sich auch in der Benennung einer Straße im Ortskern niederschlägt, wurde bereits 1967 besiegelt, als man noch unabhängig war und besteht weiter, parallel zu der Städtepartnerschaft, die die Stadt Frankfurt mit Lyon pflegt.
Das heutige Nieder-Eschbach, ganz im Norden Frankfurts etwa 8,3 km von dessen Innenstadt gelegen, besteht im Wesentlichen aus drei Teilen: dem alten historischen Ortskern mit einigen um diesen herum liegenden neueren Bauten, einem am Ben-Gurion-Ring gelegenen Viertel mit Wohnblocks der 70er Jahre, das nach einer alten Flurbezeichnung auch als Siedlung Am Bügel bezeichnet wird, und einem Gewerbegebiet mit Autobahnanschluss, in dem u. a. ein bekanntes schwedisches Möbelhaus eine Filiale hat. Das Gewerbegebiet ist wirtschaftlich von beträchtlicher Bedeutung und insofern wichtig für den Stadtteil, aber keine Schönheit, die Siedlung aus den 70er Jahren, die bis in den benachbarten Stadtteil Bonames reicht, gilt Manchen als Problemviertel, der alte Ortskern aber weist eine Reihe von Fachwerkbauten auf und mit diesen einen nahezu dörflichen Charme, wie es in einigen der am Rande Frankfurts gelegenen Stadtteile der Fall ist.
Westlich des Eschbachs, des namensgebenden Bachs, der von Bad Homburg her kommt und bei Harheim in die Nidda fließt, liegt er, der alte Kern, der eine geschlossene Siedlungsstruktur aufweist und durch die nahegelegenen Felder sein ländliches Gepräge erhält. Im Südosten liegen die Honigwiesen und der Pfingstwald, die erholsames Grün jenseits der Landwirtschaft bieten. Der bedeutendste Einzelbau des alten Zentrums ist die evangelische Pfarrkirche, deren wesentliche Teile aus dem 17. Jahrhundert stammen, deren Ursprünge aber schon auf das 8. Jahrhundert zurückgehen. Kennzeichnend für deren Architektur sind die halbrunde Chorwand und der gedrungene Turm. Die Innengestaltung stammt in ihren Grundzügen aus dem 18. Jahrhundert, wobei es im 19. und 20. Jahrhundert Eingriffe gegeben hat. Die aus dem 19. Jahrhundert stammende Verglasung wurde 1934 ersetzt; die Chorfenster zeigen Familienwappen, ansonsten sind die Fenster schlicht. Nach Beschädigungen im Zweiten Weltkrieg wurde die Kirche Anfang der 1950er Jahre wieder hergestellt. Ein Friedhof, der die Kirche früher umgab, existiert heute nicht mehr. Sehenswert sind auch verschiedene Fachwerkhäuser in barockem Stil, überwiegend aus dem 18. Jahrhundert. Die 1967 erbaute katholische St. Stephanus-Kirche ist dem Bistum Mainz zugeordnet, nicht – wie der größte Teil der Stadt Frankfurt – dem Bistum Limburg. Außerdem gibt es, im Neubaugebiet Am Bügel, noch die St.-Lioba-Kirche, einen 1970 erbauten Backsteinbau (heute keine eigenständige Gemeinde mehr, sondern ein Kirchort). Ebenfalls in diesem Neubaugebiet befindet sich am Ben-Gurion-Ring die Deutschlandzentrale der Glaubensgemeinschaft der Ahmadiyya. In Nieder-Eschbach gibt es auch zwei Schulen: eine Grundschule, die Michael-Grzimek-Schule, benannt nach dem Tierfilmer und Sohn des Frankfurter Zoodirektors Bernhard Grzimek, der anlässlich eines Aufenthalts in der Serengeti bei einem Flugunfall ums Leben kam, und die nach dem in Frankfurt geborenen Chemie-Nobelpreisträger benannte Otto-Hahn-Schule, eine Gesamtschule.
Der Stadtteil, der (einschließlich des Neubaugebietes) etwa 11400 Einwohner zählt – die Einwohnerzahl ist rapide gewachsen, 1900 waren es erst 704, 1950 2117 Einwohner – ist heute dank der U-Bahn (Linien U2 und U 9) mit dem Stadtzentrum verbunden; bis 1971 fuhr noch eine Straßenbahn. Der Straßenverkehr ist teilweise sehr dicht, sodass eine Anfahrt mit dem ÖPNV vorzuziehen ist. Von der U-Bahn-Station aus lässt sich ein gut 9 km langer Rundweg im Grüngürtelpark durchwandern.
In Nieder-Eschbach pflegt man seine Traditionen – nicht zuletzt die der seit 1849 stattfindenden Nieder-Eschbacher Kerb. Ein Heimat- und Geschichtsverein kümmert sich u. a. um die Vorbereitung des Stadtjubiläums.
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Textquellen:
Rothammel, Jean H. : Nieder-Eschbach. Geschichte und Geschichten, Frankfurt a. M., 1991.
Webseite des Heimat- und Geschichtsvereins Nieder-Eschbach abgerufen von >https://www.geschichte-nieder-eschbach.de/< am 18.04.2020 (Eingangszitat nach der Chronik auf dieser Website).
Webpräsenz der evangelischen Kirchengemeinde Nieder-Eschbach abgerufen von >http://www.evkirchene.de/< am 18.04.2020.
Nieder-Eschbach auf dem Stadtportal der Stadt Frankfurt abgerufen von >https://frankfurt.de/de-de/frankfurt-entdecken-und-erleben/stadtportrait/stadtteile/nieder-eschbach< am 18.04.2020.
Stadtteilwebsite zu Nieder-Eschbach abgerufen von >https://www.nieder-eschbach.net/home.html< am 18.04.2020.
Bildquellen:
Vorschaubild: Nieder-Eschbach von Westen, 2007, Urheber: Peng via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0.
Erste Seite des Lorscher Codex, 12. Jahrhundert, Urheber: unbekannt via Wikimedia Commons Gemeinfrei.
Mk Frankfurt Karte Niedereschbach, 2005, Urheber: Magadan via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0.
Ehemaliger Waldsprudel am Pfingstberg, 2007, Urheber: Peng via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0.
Evangelische Kirche, 2007, Urheber: Peng via Wikimedia Commons CC BY-SA 3.0.